„Heutzutage ist ein Politiker Kabarettist“

Sepp Riemer im philosophischen Gespräch mit WOCHE- Redakteurin Elisabeth Kure.
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NAbg. Sepp Riemer spricht im WOCHE-Interview über politische Knallfrösche, verlorene Werte und eine frustierte Gesellschaft, der mehr Anerkennung zusteht.

WOCHE: Als Nationalratsabgeordneter bekleiden Sie seit November 2010 eine Position, die auch für Sie eine ungewohnte ist. Wie ergeht es Ihnen mit der „neuen Verantwortung“?
Riemer: Es ist ein interessanter Beruf. Es ist ja nicht so, dass die Leute nur Bittsteller sind, sie werben für Ihre Ideen.

WOCHE: An Urlaub ist dann also nicht zu denken.
Riemer: Nein, das will ich auch gar nicht. Ich bin ein Politiker, der im Leben steht. Zur Zeit verlege ich zu Hause Fliesen, weil ich’s meiner Frau versprochen habe. Trotzdem gehe ich wohin und schalte mein Telefon nicht ab. Wann wird dich jemand anrufen? Wenn er dich braucht! Und dann will auch auch da sein.

WOCHE: So denkt offenbar nicht jeder Politiker. Anderfalls wäre der vorauseilende Ruf ein besserer.
Riemer: Politiker sind selbst Schuld, weil sie sich nicht gut verkaufen und die Arbeit, die sie leisten, nicht gut verkaufen. Politiker haben sich selbst zu Kabarettisten gemacht. Wir brauchen eine große Vision, wie sich jemand einbringen kann und keine Diskussion über Söhne und Töchter in der Bundeshymne.

WOCHE: Wie sieht Ihre Vision aus?
Riemer: Die Jugend von heute hat es mindestens genauso schwer wie früher, wenn nicht sogar schwerer, denn heute gibt man ihr weniger Chancen. Damals durfte man mehr Fehler machen. Heute sind Junge Fließbandarbeiter, die im Wesentlichen keine Kreativvorschläge machen dürfen.

WOCHE: Sie sehen eine Entsozialisierung.
Riemer: Wertschätzung, Motivation und Förderung – das ist es, was die Jugend braucht, um sich zu entfalten. Es braucht Vorgesetzte, die Anerkennung aussprechen und einmal sagen: „Klass’, dass du das für uns machst!“ Das Parteiprogramm will ja keiner, aber in die Gesellschaft eingebunden sein und bei der Feuerwehr, dem Roten Kreuz, beim Bundesheer und und und – seine Tätigkeit in den Dienst der Gesellschaft stellen und Respekt dafür bekommen: Das sind Dinge, die ich bedaure, dass sie nicht stattfinden.

WOCHE: Wo ist Ihr persönlicher Ansatz?
Riemer: Die Frustration steigt, weil keiner sagt „Du leistet was“. Aber der Dienst an der Allgemeinheit kann nie wertlos sein! Auch die Politik muss Selbstverständnis zeigen und sagen, ich tue das für den Dienst der Sache.

WOCHE: Gehören Sie damit zu den oftmals gefürchteten Querdenkern innerhalb einer Partei?
Riemer: Ich verstehe mich als Nationalrat und Mandatar, der gewählt wurde, und nicht als Parteipolitiker. Dass ich trotzdem freiheitliche Werte nach außen vertrete ist klar.

WOCHE: Sie und Beppo Muchitsch (SP) sind die Nationalratsabgeordneten in unserer Region Leibnitz/Deutschlandsberg. Ist damit Konkurrenz vorprogrammmiert?
Riemer: Beppo Muchitsch ist ein engagierter Mann und verdienter Politiker, den ich als Mitbewerber sehe. Die Leute stehen hinter ihm, was zeigt, dass er seine Sache gut macht.

WOCHE: In Sachen Medienpräsenz legt Muchitsch einiges vor. Was nicht bedeutet, dass Sie die Hände in den Schoß legen. Man denke z.B. an die vielen Ortsgruppengründungen.
Riemer: Da bin ich neidlos. Die Freiheitlichen waren bis 2005 nicht gar so stark. Seitdem bauen wir eine Organisation auf und haben einen Wahlkampf nach dem anderen geführt. Seit 2006 gab es keine Verschnaufpause. Ich möchte meiner Mannschaft gratulieren!

WOCHE: Wo wittern Sie großes Potenzial, wenn es um die Region geht?
Riemer: Ich glaube, dass wir mehr Dinge erreichen würden, wenn wir einen Schulterschluss machen, wenn wir uns von Zeit zu Zeit treffen, diskutieren und gemeinsame Pläne erstellen.

WOCHE: Gibt es für diesen Schulterschluss eine favorisierte Partei?
Riemer: Das sollte vorbehaltlos und mit allen Farben, die interssiert sind, passieren. Ein aktuelles Beispiel ist das Trinkwasser. Das Problem ist substanziell, eine rote Familie trinkt das gleiche Wasser wie eine blaue/schwarze/grüne etc. und alle wollen gutes Wasser haben.

WOCHE: Jeder, der sich öffentlich zu etwas bekennt, muss mit Befürwortung und Kritik rechnen. Die FPÖ hat ebenfalls ein Päckchen zu tragen. Wie gehen Sie damit um?
Riemer: Wie gesagt, ich sehe mich als Politiker, der im Leben steht und als Künstler und Philosophen – unabhängig von einer politischen Meinung. Ungeheuerliches und Verletzendes hat bei mir keinen Platz – ich bin für Diskussionen, aber respektvoll!

WOCHE: Welche Probleme oder Projekte beschäftigen Sie derzeit?
Riemer: Ein aktueller Fall betrifft den nördlich Raum von Graz, ist aber für uns eine interessante Idee. Ein junges Paar möchte ein Hotel eröffnen, das u.a. als privates Pflegeheim agiert und für Menschen bis zur Pflegestufe 3 gedacht ist. Man erfüllt die gleichen Voraussetzungen wie ein Pflegheim, wenn man sie nicht sogar übertrifft, möchte aber den Namen „Pflegeheim“ nicht tragen. Um einen Teil der Förderungen zu bekommen, bedarf es einer Novellierung.

WOCHE: Wie ist Ihr Plan?
Riemer: Ich bin gerade erst mit dem Fall betraut, werde jetzt recherchieren, Gesetze studieren und mit Fachleuten reden. Nur weil etwas nicht laut Gesetz ist, heißt das für mich nicht, dass nicht weiter darüber diskutiert wird. Die Idee entspricht dem Wunsch älterer Menschen, die im Altersheim nicht isoliert sein wollen und sie hat auch touristisch großes Potenzial.

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