Kaffeehauskultur in Graz
Genießen und Verweilen in entspannter Atmosphäre
Sie gilt als immaterielles UNESCO-Kulturerbe: Die Wiener Kaffeehauskultur. Die Woche hat mit Grazer Kaffeehausbesitzern darüber philosophiert, was wahre Kaffeehauskultur ausmacht und dabei festgestellt: auch hier wird diese Tradition mit viel Leidenschaft gepflegt.
GRAZ. Klimperndes Geschirr, das Zischen der Kaffeemaschine, verschwimmendes Geplauder und der Duft von frischem Kaffee erfüllen den Raum. Menschen unterhalten sich, lesen Zeitung – sie sind alleine da, gemeinsam, oder gemeinsam alleine.... So oder so ähnlich ließe sich die Situation in einem Kaffeehaus schildern. Aber was macht sie eigentlich im Kern aus, die berühmte Kaffeehauskultur?
Entstanden ist sie Ende des 17. Jahrhunderts, als Kaffeehäuser nicht bloß Orte des Kaffeetrinkens waren, sondern Treffpunkt zum Reden und Philosophieren, Beobachten und Genießen. Man erfuhr Neuigkeiten aus der Zeitung, wurde unterhalten oder kam zum Schreiben und Arbeiten. Laut dem "Klub der Wiener Kaffeehausbesitzer", sind für ein echtes Kaffeehaus zum Beispiel das Vorhandensein eines Zeitungstisches, das Glas Wasser zum Kaffee oder auch ein kulturelles Angebot unerlässlich.
Der Standort Wien ist hingegen nicht Voraussetzung: Österreichische Kaffeehauskultur, wie sie auch bezeichnet wird, kann auch anderorts gelebt werden. „Diese besondere Kultur aIs Ort der gesellschaftlichen Begegnung pflegen wir nicht nur in Wien, sondern genauso in Graz", so zum Beispiel das traditionsträchtige Café Sacher.
Wohlfühlen und Verweilen
Im Gespräch mit Grazer Kaffeehausbesitzern wird jedenfalls deutlich: Kaffeehauskultur wird auch hier geehrt und leidenschaftlich zelebriert. Auch ist man sich einig: die wahre Kaffeehauskultur umfasst weit mehr als nur das Kaffeetrinken. „Es geht um das Gefühl, das mit dem Kaffeehaus einhergeht'', beschreibt es Franz Reiter vorn Café Fotter. „Gastfreundschaft und dass sich unsere Gäste wohlfühlen, ist uns besonders wichtig", so Reiter.
Ähnlich beschreibt es auch Helmut Rebernegg vom Kaffeehaus im Erzherzog Johann. Er betont zusätzlich die Bedeutung von Entschleunigung: „Im Kaffeehaus kann man sich Zeit nehmen, in Ruhe Zeitung lesen oder am Geschehen teilnehmen — da darf man schon mal bei einem Kaffee versumpem".
„Im Kaffeehaus darf man versumpern...” - Helmut Rebernegg
„Keine Hektik, kein Stress. Unsere Gäste wollen in aller Seelenruhe genießen" – so beschreibt es das Kaffee Weitzer. Davon, dass sich diese spezielle Wohlfühl-Atmosphäre im Kaffeehaus ganz wesentlich um das Zwischenmenschliche, das Miteinander dreht, bekommt man einen authentischen Eindruck, wenn man mit Simon Lackner im Café Kaiserfeld sitzt: Während der Geschäftsführer begeistert darüber spricht, dass sich ein Kaffeehaus anfühlen solle wie ein zweites Wohnzimmer, vergeht keine Minute, in der ihn nicht jemand vom Nachbartisch oder einkehrende Gäste grüßen.
Man fühlt sich bald selbst, als wäre man hier zuhause. Dann wird man auch noch den anwesenden Stammgästen persönlich vorgestellt und durch die Bildergalerie geführt, die von wechselnden Grazer Künstler:innen bespielt wird.
Das lebendige und gleichermaßen gemächliche Treiben ist hier unmittelbar spürbar, wenn die Gäste teils alleine teils zu mehrt das Geschehen beobachten oder doch ganz für sich bleiben.
Kulturauftrag
Die angenehme Geräuschkulisse, die authentische Gastfreundschaft und den Wohnzimmer-Flair der Grazer Kaffeehäuser scheinen viele wertzuschätzen: Die Kaffeehausbesitzer berichten durchwegs von vielen Stammgästen, ob jung ob alt. Im Café Fotter, das es schon seit 1936 (ursprünglich als Bäckerei) gibt, sei von 18 bis 80 alles vertreten: „Zu uns kommen viele Studierende, aber auch Leute, die schon vor vielen Jahren im Fotter zu Gast waren", freut sich Franz Reiter.
„Auch die Jungen wollen wieder bewusster genießen". beobachtet Helmut Rebernegg im Erzherzog Johann. Die für Betreiber wahrscheinlich rentablere Coffee-to-Go-Bewegung scheint die Kaffeehauskultur also nicht abgelöst zu haben. Bei den aus den USA stammenden Coffee-Shops mit Baristas und „Latte Art" ginge es stärker um das Produkt Kaffee, dahinter stecke aber ebenso eine eigene Philosophie wie heim Kaffeehaus, weiß Simon Lackner.
„Mit einem Kaffeehaus hat man einen gewissen Kulturauftrag" – Simon Lackner
Gleich wie seine Branchen-Kollegen ist der Café Kaiserfeld-Geschäftsführer der Überzeugung: "Beide Konzepte haben ihre Berechtigung". Er persönlich holt sich auch gerne mal einen Coffee to Go, den Erhalt des österreichischen Kaffeehauses sieht er nichtsdestotrotz als „Kulturauftrag".
"Wie damals, nur eben heute"
Die österreichische Kaffeehauskultur lässt aber trotz aller Tradition auch zu, mit der Zeit zu gehen: Das Kaffeehaus im Erzherzog Johann bietet eine große Auswahl an Zeitungen, viele lesen trotzdem lieber am Handy oder Tablet und das sei auch absolut in Ordnung, findet Helmut Rebernegg. Ebenso das Kaffee Weitzer — nach eigener Definition „ein Kaffeehaus wie damals, nur eben heute" — geht mit der Zeit und bietet gratis WLAN an. Im Kaffeehaus muss also nicht alles so sein, wie „damals", um die Kultur hochzuhalten.
Die Speis am Lendhafen zum Beispiel wirkt auf den ersten Blick nicht wie das klassische Wiener Kaffeehaus. Das modern gestaltete Lokal verzichtet auf holzvertäfelte Wände und andere klassische Ausstattungsmerkmale. Einen Ort zum Wohlfühlen zu schaffen, der zum Verweilen und Genießen einlädt, war aber auch hier der Kerngedanke, erzählt Geschäftsführer Florian Joham: "Wir haben versucht, das Gefühl, um das es im Kaffeehaus geht, stilistisch modern auszulegen".
Eine Kaffee-reiche Recherche ergibt schlussendlich: Die Grazer Kaffeehäuser nehmen ihren Kulturauftrag erfolgreich und mit Leidenschaft wahr.
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