Sexuelle Belästigung
Catcalling: "Geiler Arsch" ist kein Kompliment

Die "Catcalls of Graz" kreiden - im wahrsten Sinne des Wortes - verbale sexuelle Belästigung an. | Foto: Barbara Majcan Photography
4Bilder
  • Die "Catcalls of Graz" kreiden - im wahrsten Sinne des Wortes - verbale sexuelle Belästigung an.
  • Foto: Barbara Majcan Photography
  • hochgeladen von Kristina Sint

Mit unangemessenen Bemerkungen oder anzüglichem Nachpfeifen sind wohl die meisten Mädchen und Frauen vertraut. Der Begriff "Catcalls" gibt den verbalen sexuellen Belästigungen im öffentlichen Raum einen Namen. Die Protestbewegung "Chalk Back" hat es sich auf der ganzen Welt zur Aufgabe gemacht, diese Missstände durch Ankreiden sichtbar zu machen.

GRAZ. "Hey, Sexy! Geiler Arsch!" Solche Catcalls sind kein Phänomen unserer Zeit. Sie waren schon immer da, verankert in patriarchalen Strukturen, welche den Frauen über Jahrzehnte lang signalisierten, dass diese Sprüche normal sind. Doch damit ist nun Schluss. Den Anfang der "Chalk-Back"-Bewegung (auf Deutsch "kreide zurück") machte die Amerikanerin Sophie Sandberg. Eines Tages griff sie nach den Straßenkreiden und verschriftlichte sexualisierte Kommentare, die man ihr auf der Straße zugerufen hatte, auf dem Asphalt. Mittlerweile ist die Bewegung auf sechs Kontinenten und mehr als fünfzig Ländern vertreten. In der Steiermark gibt es neben den Catcalls of Graz auch die Catcalls of Leoben.

"Catcalls" sind keine Komplimente. | Foto: Anna Majcan
  • "Catcalls" sind keine Komplimente.
  • Foto: Anna Majcan
  • hochgeladen von Kristina Sint

"Es ist ja nichts passiert. Ich habe nur etwas gesagt", sind Standardsprüche der sogenannten Catcaller, die nicht einsehen wollen, dass auch verbale Anzüglichkeiten zur sexueller Belästigung zählen und das Leben von Frauen negativ beeinflusse können. "Es ist sehr schwierig, denn man weiß nie, was solche Worte auslösen können", sagt Sarah Kampitsch. Die 28-Jährige ist die Initiatorin der Catcalls of Graz. Der anti-sexistische Verein wurde im August 2019 ins Leben gerufen. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Helferinnen hat es sich die Kärntnerin zur Aufgabe gemacht, verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum sichtbar zu machen.

Dem Verein geht es in erster Linie um Sichtbarmachung. | Foto: Barbara Majcan Photography
  • Dem Verein geht es in erster Linie um Sichtbarmachung.
  • Foto: Barbara Majcan Photography
  • hochgeladen von Kristina Sint

"Es sind oft zache Sachen"

Die Liste ist lang. In den vergangenen drei Jahren sind bereits hunderte von Catcalls bei Kampitsch und ihrem Team eingegangen. Die Opfer gehören zu den marginalen Randgruppen. Besonders betroffen sind Frauen und Mitglieder der Queer-Community. Aber auch Männer werden teilweise selbst zum Opfer der Catcalls. Mit Straßenkreiden machen die Catcalls of Graz am Ort des Geschehens auf den Vorfall aufmerksam. Anschließend werden die Sprüche abfotografiert und auf den Social-Media-Plattformen Instagram und Facebook geteilt.

Seit dem letzten Jahr ist die Initiative offiziell als Verein eingetragen. Das Ankreiden ist für Kampitsch und ihr Team nicht genug. Sie wollen Bewusstseinsbildung machen, auf Veranstaltungen präsent sein - das Thema unter die Leute bringen. Im letzten Jahr wurde im Zuge des Lendwirbels eine Galerie gegen Sexismus eingerichtet. Dafür wurden sie im Mai mit dem Grazer Frauenpreis 2022 ausgezeichnet.

Man kann nicht zu jedem Mann sagen, dass er ein schlechter Mensch ist, weil er so redet. Viele sind mit der Normalisierung von Catcalls aufgewachsen und müssen erst einmal lernen, dass es nicht okay ist.
Sarah Kampitsch, Initiatorin "Catcalls of Graz"

Männer, die im öffentlichen Raum belästigen, genießen es nicht nur, Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern sie haben teilweise auch den Eindruck, den Angesprochenen würden die Andeutungen sogar gefallen. Dem ist nicht so. Catcalls sind keine Komplimente. Kampitsch ist Ethnologin und versucht, das Verhalten der Catcaller zu analysieren. "Man kann nicht zu jedem Mann sagen, dass er ein schlechter Mensch ist, weil er so redet. Viele sind mit der Normalisierung von Catcalls aufgewachsen und müssen erst einmal lernen, dass es nicht okay ist", so die 28-Jährige.

Keine Reaktion ist auch eine Reaktion 

In Österreich handelt es sich bei sexueller Belästigung nur um einen strafrechtlichen Tatbestand, wenn diese durch eine geschlechtliche Handlung, beispielsweise durch eine unsittliche Berührung, gesetzt wird. Die "bloße verbale Äußerung" gilt dabei - im Gegensatz zur verbalen Beleidigung - nicht als Straftatbestand. Und das obwohl verbale Belästigungen oftmals in direktem Zusammenhang mit körperlichen und emotionalen Auswirkungen steht. Viele betroffene Personen fühlen sich nach etwaigen Erlebnissen verunsichert, überlegen sich drei Mal, was sie anziehen und fürchten sich, in der Nacht alleine nachhause zu gehen. 

Man muss sich nicht schämen, wenn man auf "Catcalls" nicht reagiert. | Foto: Barbara Majcan Photography
  • Man muss sich nicht schämen, wenn man auf "Catcalls" nicht reagiert.
  • Foto: Barbara Majcan Photography
  • hochgeladen von Kristina Sint

"Man muss sich nicht schämen, dass so etwas einem passiert ist und man muss sich nicht schämen, dass man nicht reagiert hat. Es hat nichts mit dir zu tun und es ist nicht deine Aufgabe, sie zu belehren und ihnen zu zeigen, dass es nicht geht. Nicht reagieren ist auch eine Reaktion. Es ist in Ordnung, einfach weiterzugehen", äußert Kampitsch ihre Meinung. Es gibt keine perfekte Art zu regieren. Das wichtigste ist, dass man sich dabei sicher fühlt. 

Das könnte euch auch interessieren: 

Studieren auf Rädern

Kunstprojekt: Mutmacher-Bilder für Graz
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.