Der Weg aus der Haft – Susanne Pekler von "Neustart" im Gespräch
Die gebürtige Kapfenbergerin Susanne Pekler leitet seit mittlerweile 13 Jahren die steirische Bewährungshilfe "Neustart". Sie erzählt von den Herausforderungen in ihrem Beruf.
Wie sind Sie zur Bewährungshilfe gekommen?
Ich war früh an Sozialpolitik interessiert, habe die Sozialakademie besucht, war dann bei der Wohnversorgung von obdachlosen Menschen nach Haftentlassung in Leoben tätig und ein Jahr später bei der Bewährungshilfe Leoben. Danach bin ich in den Bereich Opferhilfe gegangen. Seit 2002 bin ich wieder bei "Neustart" tätig, weil ich mir gedacht habe, dass es für nachhaltigen Opferschutz wichtig ist, mit den Tätern zu arbeiten.
Was war Ihr schwerster Fall?
Fälle mit Kindern sind sehr berührend. Ich habe einmal eine Familie betreut, in der Gewalt vorgekommen ist. Das Kind, das noch dazu damals gleich alt war wie mein Sohn, hat mich nicht losgelassen. Da habe ich den unprofessionellen, aber menschlichen Impuls verspürt, es mit heim in ein geschütztes Umfeld zu nehmen.
Wie schwer ist die Abgrenzung in Ihrer Arbeit?
Das eine oder andere Schicksal nimmt man schon mit nach Hause, aber in der Arbeit sind es berufliche Betreuungsbeziehungen und keine persönlichen Freundschaften. Da darf es auch bei den Patientinnen und Patienten nicht zu Verwirrungen kommen.
Ab wann ist Bewährungshilfe verpflichtend?
Bewährungshilfe ist eine Anordnung des Gerichts, es ist eine Betreuung im Zwangskontext. Die betroffene Zielgruppe würde sich meist nicht freiwillig melden oder weiß gar nicht, wo sie Hilfe in Anspruch nehmen kann. Diese Menschen haben gelernt, dass sie notfalls nur mit Gewalt oder illegalen Mitteln ihre Existenz sichern können. Wir gehen aktiv auf diese Personen zu und zeigen ihnen, dass wir in einem Rechtstaat mit Grenzen leben. Und wir unterstützen sie dabei, diese Regeln einzuhalten. Viele sind motiviert, da sie nicht immer wieder in Haft geraten wollen. Das ist immerhin persönlich und für das Umfeld stigmatisierend.
Wie gelingt die Integration dieser Personen auf dem Arbeitsmarkt?
Wenn eine Vorstrafe im Lebenslauf aufscheint, ist das natürlich nachteilig. Für uns ist es aber ein wichtiges Ziel, dass die Leute wieder eine sinnvolle Beschäftigung bekommen, zur Existenzabsicherung und als Schutzfaktor vor erneuter Kriminalität. Außerdem erleben sie so Anerkennung, eine Tagesstruktur und ein positives Umfeld.
Ab wann ist Bewährungshilfe möglich?
Ab 14 Jahren. Die Mehrheit ist zwischen 18 und 38 Jahre alt, etwa 80 Prozent sind Männer.
Braucht es daher mehr männliche Bewährungshelfer?
Die Zahl ist ungefähr ausgeglichen bei uns, es braucht beide Geschlechter und unterschiedlichste Ausbildungen. Manche Klienten brauchen eher eine weibliche Bezugsperson, weil diese ihnen bisher gefehlt hat.
Wofür sind Sie in Ihrem Beruf dankbar?
Menschen, die Bewährungshilfe erhalten haben, sind statistisch gesehen weniger gefährlich oder rückfallgefährdet als Personen, die nach der Haft ohne Betreuung entlassen werden. Es ist schön zu sehen, wie man Menschen in ganz schwierigen Situationen helfen kann, eine Zukunft aufzubauen und sie nach zwei, drei Jahren wiederkommen, vielleicht frisch verheiratet oder mit neuem Job. Wenn Integration gelingt, das ist das Tolle an meinem Job.
Was haben Sie durch Ihre Arbeit gelernt?
Im Tatausgleich ist das Interessante, dass es Opfern viel weniger um Rache als um Wiedergutmachung geht. Und ich habe gelernt, dass man sich in Menschen täuschen kann, dass hinter vielen schweren Straftaten dramatische Schicksale stecken – das kann nie eine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung – und wie viel Leute auch wieder schaffen können.
Steckbrief
Geboren 1969 in Kapfenberg.
Lebt in Graz.
Ist Sozialarbeiterin.
Leitet "Neustart" seit 13 Jahren.
Das Psychosoziale Zentrum in Kapfenberg hat sie zuvor geleitet, davor war Susanne Pekler in der Bewährungshilfe in der Obersteiermark tätig.
Neustart verzeichnete 2015 rund 4.815 Klienten, darunter 1.030 Jugendliche und 3.785 Erwachsene.
WOCHE-Wordrap
Mein Lebensmotto ist ...
gib jedem Tag die Chance, dein schönster zu sein.
Ich mag an mir ...
meine Begeisterungsfähigkeit.
In meiner Freizeit mache ich am liebsten ...
wandern, kochen.
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