Familienflüsterer Dr. Streit
Raus aus der Grübelfalle
Denkst du noch oder grübelst du schon? Klar ist, dass wir bei Herausforderungen nachdenken, um zu Lösungen zu kommen. Oft gelingt das aber nicht, weil wir in unseren negativen Denkmustern feststecken. Wir sind in unseren Gedankenkreisen gefangen und finden keinen Ausweg. Dann könnte es sich um Grübeln handeln.
Was ist Grübeln nun eigentlich? Grübeln ist langes, unruhiges, belastendes Nachdenken über Ereignisse aus der Vergangenheit, über die Zukunft oder den Sinn des Lebens. Oder wir grübeln darüber: Wer bin ich? Warum bin ich unglücklich und unzufrieden? Oder wir grübeln über das Unrecht, das uns angetan wurde: Warum gerade mir? Warum gelingt mir das nicht? Andauernde Selbstkritik ist eine besondere Form des Grübelns.
Diese Warum-Fragen stellen wir aus einer Opferrolle heraus. Besser ist es, Fragen zu stellen, die mit Was oder Wie beginnen. Was kann ich tun, damit ich mich besser fühle? Wie wird mir das gelingen?
Grübeln ist oft nicht leicht zu erkennen. Ein Zwei-Minuten-Test kann darauf Antwort geben. Denken Sie zwei Minuten über eine Ihrer Fragen nach. Dann stellen Sie sich drei Fragen:
• Bin ich einer Lösung nähergekommen?
• Habe ich etwas verstanden, was ich vorher nicht wusste?
• Geht es mir nun besser?
Wenn auf diese Fragen kein Ja kommt, dann Grübeln Sie höchst wahrscheinlich.
Was sind nun die Hintergründe des Grübelns? Hier können wir als erstes mangelndes Selbstwertgefühl und Unsicherheit über die eigene Person auflisten. Das ist oft verbunden mit Perfektionismus alles gut zu machen und nicht zufrieden zu sein. Solche Grübeleien haben natürlich auch eine gute Absicht. Sie wollen uns vermeintliche Sicherheit geben und uns orientieren. Und das Gehirn lernt nun zu grübeln. Denn es macht das, was es am besten kann: Verbindungen herzustellen, auch wenn sie nicht zielführend sind. Und das pflanzt sich einfach fort, Grübeln wird zur Gewohnheit. Deswegen kommen wir da auch schwer wieder heraus. Doch es lässt sich ändern. Sie können Unsicherheiten überwinden, erlittenen Kränkungen verarbeiten und Selbstvertrauen entwickeln, anstatt das Heil in negativen Gedanken, Gefühlen und Depressionen zu suchen. Denn eines ist sicher: Sie können Ihre Gedanken kontrollieren und auch ändern.
• Seien Sie achtsam und erkennen Sie, dass Sie grübeln. Machen Sie den Test.
• Verurteilen Sie sich dann nicht. Seien Sie nachsichtig und mitfühlend sich selbst gegenüber.
• Wenn dann doch wieder das Grübeln hochkommt, sagen Sie einfach: Stopp, ich höre jetzt auf. Atmen Sie drei Mal ein und aus. Das unterbricht Ihr Grübel-Muster.
• Wenn Sie doch wieder ins Grübeln hineinfallen, dann lenken Sie sich ab: Mit einem Hobby, das Sie fasziniert, einem Ausflug in die Natur, Laufen, guten Gesprächen, etc. Nicht so gut ist es, sich mit Alkohol oder Ähnlichem abzulenken.
• Grübeln Sie bewusst. Nehmen Sie sich am Tag fünf oder zehn Minuten Zeit, um über alles Mögliche nachzugrübeln. Und suchen Sie sich dafür auch ein Grübelplatz.
• Suchen Sie auch Kontakt mit anderen Menschen, denen Sie vertrauen, und sprechen Sie mit ihnen darüber.
• Üben Sie sich in Dankbarkeit dafür, was Ihnen das Leben alles geboten hat und was alles möglich ist.
• Bemerken Sie das Positive. Etwa indem Sie jeden Abend in einem Tagebuch drei Dinge aufschreiben, die positiv waren.
• Bemerken Sie die kleinen Erfolge und bleiben Sie dran. Es ist nicht so, dass es nicht gelingt, sondern dass es noch nicht gelingt.
• Sehen Sie das große Ganze und vertrauen Sie darauf, dass es auch für Sie eine Zukunft gibt.
So kommen Sie Schritt für Schritt von belastenden Gedanken, die Sie fangen, zu neuen Möglichkeiten, die Sie befreien.
Der Experte
Dr. Streit Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das auch jetzt für Sie unter 0316/77 43 44 da ist.
Web: http://www.ikjf.at/
Haben Sie Fragen, wie sie ihr Leben gestalten sollen, brauchen Sie Rat? Ihre Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@woche.at
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