Stadt in Bewegung
Beim Schach war Graz gar nicht matt
Von Autor Kurt Jungwirth
Vom Traum des WM-Duells bis zur Gründung eines Verbandes: Graz hat die Geschichte des Schachs mitgeprägt.
Die historischen Spuren des Grazer Schachsports gehen im Wesentlichen auf Johann Nepomuk Berger (1845–1933) zurück – einen Meisterspieler und Schachtheoretiker, der besonders in der schachbegeisterten Sowjetunion ein Begriff war. Als 1972 die Studenten-Weltmeisterschaft in Graz mit einem gewissen Anatoli Karpow (späterer Weltmeister) stattfand, wurde der Autor dieses Textes sofort von der sowjetischen Delegation auf Berger angesprochen. Der vergessene Grazer Schachpionier erhielt später eine Gedenktafel im Foyer der Grazer Handelsakademie, an deren Neubau er als Direktor maßgeblich mitgewirkt hatte. Die Studenten-Weltmeisterschaft war indes der Startschuss für Graz, sich an der weiteren positiven Entwicklung des Schachsports zu beteiligen.
Kein WM-Glück
Weltpolitische Spannungen inmitten des Kalten Krieges motivierten die Landeshauptstadt, als Brückenbauer im Weltschach zu fungieren. Man reichte beim Weltschachverband FIDE eine Kandidatur für die Austragung des WM-Duells 1978 zwischen Victor Kortschnoi und Karpow ein.
Trotz des ausdrücklichen Wunsches von Kortschnoi erhielt man den Zuschlag nicht, der Titelkampf wurde auf den Philippinen ausgetragen und Karpow siegte nach 32 Partien. Aber: Graz hatte sich durch seine Kandidatur im Weltschach endgültig einen Namen gemacht. Das Retourmatch ging drei Jahre später, 1981, in Meran über die Bühne. Unter der Leitung der Grazer Schiedsrichterin Gertrude Wagner, der ersten Frau überhaupt, die ein WM-Duell der Herren leitete, konnte Karpow seinen Titel souverän verteidigen.
Als Kasparow in Graz war
Im selben Jahr sollte die Stadt abermals frühe Zeugin eines kommenden Weltmeisters werden: Bei der Junioren-Teamweltmeisterschaft in der steirischen Hauptstadt führte kein Geringerer als Garri Kasparow die sowjetische Auswahl als Kapitän an.
1985 trug die Landeshauptstadt den 56. FIDE-Kongress aus. 124 Länder nahmen daran teil. Es war eine turbulente Zeit in der Schachwelt, da sich einige Probleme anhäuften. Unter anderem das Zerwürfnis zwischen der FIDE und dem neuen Weltmeister Kasparow, woraufhin dieser einen eigenen Verband, die „Professional Chess Association“, gründete.
Schachcomputer waren am Zug
Um europäische Interessen in der FIDE besser vertreten zu können, wurde schließlich in Graz am 30. August 1985 die „European Chess Union“ ins Leben gerufen, der nach dem Zerfall der Sowjetunion auch deren Teilstaaten beitraten. Es entwickelte sich der europäische Vereinscup, an dem der 13-fache Vereinsstaatsmeister "Merkur Graz" unter der Leitung von Manager Peter Detter regelmäßig teilnahm. Auch der Sport der Könige musste sich weiterentwickeln, sodass im Kulturhauptstadtjahr 2003 in Graz eine Schachcomputerweltmeisterschaft stattfand. Der Verfasser dieser Zeilen durfte bis 2017 als Präsident des Österreichischen Schachverbandes fungieren und blickt auf eine wunderschöne Zeit zurück.
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