Hintergründe
"New Work" – oder wie Arbeit wieder sinnvoll(er) wird

- Mit Blick auf "New Work": Gregor Karlinger und Manuela Grundner.
- Foto: Freiräume 2022
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Arbeit soll Spaß machen, Sinn stiften, Freizeit ermöglichen. Wie das alles unter einen Hut zu bringen ist, versucht man mit dem Begriff "new work" zu umschreiben. MeinBezirk.at hat genauer nachgefragt.
GRAZ. Manuela Grundner und Gregor Karlinger gelten mit ihren jährlich stattfindenden "Freiräume", eine (Un)Conference, wie sie es nennen, in Österreich als Pioniere für die Neuorganisation von Arbeit. Heuer werden sie auch gemeinsam mit der Stadt Graz dieses Thema in der Murmetropole vorantreiben. Im Interview mit Meinbezirk.at blicken sie aufs "neue Arbeit"-Jahr 2024.
Der Begriff "New Work" ist derzeit in der Arbeitswelt in aller Munde – wie könnte man den Begriff am besten erklären?
Gregor Karlinger (GK): Er drückt wohl ganz allgemein eine Sehnsucht der Menschen danach aus, dass Arbeit ganz anders aussehen könnte, als wir sie in vielen Unternehmen nach hundert Jahren Industrialisierung immer noch sehen und erleben. Und es gibt ein paar ganz konkrete Haltungen und Konzepte, die oft mit New Work in Verbindung gebracht werden.
Zum Beispiel?
Manuela Grundner (MG): Mehr Freiraum für die Ausgestaltung der eigenen Arbeit wie Selbst-Management und Autonomie, das Erleben von Sinn in der eigenen Tätigkeit – Wozu trage ich bei? Wofür ist meine Arbeit gut? – oder das Einbringen der eigenen Persönlichkeit in möglichst all ihren Facetten.

- Manuela Grundner (Freiräume)
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Warum bekommen neue Arbeits- und Organisationsformen immer größere Bedeutung?
MG: Viele Menschen können es immer weniger akzeptieren, die eigene Arbeit nur gegen (Schmerzens-)Geld auszutauschen. Sie möchten durch ihre Arbeit mehr “Gewinn” erzielen, beispielsweise das Erleben von Sinn, das die Wertschätzung der eigenen Arbeit durch die Rückmeldung von anderen zeigt. Oder anders ausgedrückt: Arbeit soll Freude machen! Und dafür braucht es Veränderung in unseren Unternehmen. Vieles ist aus der Idee der Industrialisierung so gestaltet, dass Menschen als austauschbare Ressource gesehen werden, so wie Schrauben und Zahnräder. Unsere Organisationen brauchen eine Umgestaltung hin zu menschengerechten Arbeitsplätzen. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir wollen uns mit unserer Individualität einbringen und gemeinsam mit anderen etwas schaffen?
Hat sich das Verhältnis der Menschen zur Arbeit geändert?
GK: Zumindest für einige Menschen, nämlich jene, die aus der Position einer gewissen wirtschaftlichen Stärke heraus auftreten können. Sie fordern von Arbeit mehr als den Umstand, am Ende des Monats genug Geld am Konto zu haben, um das Leben bestreiten zu können und vielleicht mit diesem Geld noch ihren wirklichen Interessen in Form von Hobbys nachgehen zu können. Sie wollen mit ihrer Arbeit einen sinnvollen Beitrag leisten, möchten das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun. Sie möchten in ihrer Arbeit ihre Talente und Stärken einsetzen und sich in ihr auch weiterentwickeln können. Und sie möchten gestalten können, Verantwortung übernehmen, eigene Ideen einbringen und umsetzen.
Was macht aus Ihrer Sicht einen "tollen Job" aus?
GK: Das kann nur jeder selbst für sich beantworten. Für mich ganz persönlich fällt die Antwort – viel zu kurz – so aus: Ich kann damit mir und meiner Familie ein gutes Auskommen und Leben ermöglichen. Ich sehe, wie meine Arbeit einen sinnvollen Beitrag für die Welt leistet. Zumindest meistens, auch kleine Dinge zählen. Ich bekomme Anerkennung von anderen für meine Leistung - sie wird auch von anderen wertgeschätzt. Ich habe viel Freiheit für die Art und Weise, wie ich meine Arbeit anlege und wie ich sie genau ausgestalte.
Fangen Sie mit dem Begriff work-life-Balance etwas an?
MG: Wenig. Ich kann verstehen, wie es zu diesem Begriff gekommen ist. Nämlich aus der Wahrnehmung heraus, dass Arbeit ein notwendiges Übel ist, das man halt für den Gelderwerb dulden muss, und dass dieses Übel nicht ausarten darf, also in Balance mit jenen Aktivitäten gebracht werden soll, die Freude machen, die Weiterentwicklung ermöglichen - wie z.B. Hobbys, oder ehrenamtliche Arbeit oder die Zeit mit Familie und Freunden. Sinnvoller erschiene mir allerdings, die Arbeit so zu verändern, dass sie selbst etwas ist, was Erfüllung bringt und so ein integraler Teil des Life wird.
Was raten Sie Menschen, die sich beruflich neu orientieren wollen?
GK: Ein Rat könnte sein: Sich die Frage stellen, was man “wirklich, wirklich will”. Das ist übrigens die Definition von New Work vom Schöpfer dieses Begriffs, dem Philosophen Frithjof Bergmann - im Leben und damit auch in der Arbeit. Das ist eine große Frage, zweifelsohne. Und trotzdem ist es lohnenswert, sich ihr zu widmen. Ein zweiter Rat wäre vielleicht: Habe den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Stelle dir die Frage: Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn ich den Job wechsle, und der neue Job erfüllt nicht die Erwartungen, die ich mir erhoffe? Ich erlebe bei vielen Menschen, dass sie lieber noch fünf Jahre in ihrem aktuellen Job unglücklich weiterwurschteln als einen Schritt der Veränderung zu wagen.

- "Was macht New Work aus?"Gregor Karlinger geht dem Thema auf die Spur.
- Foto: Freiräume 2022
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Wo kann man sich in Graz zu diesen Themen am besten informieren?
MG/GK: Die Freiräume (Un)Conference 2024 am 10. und 11. Juni in der Seifenfabrik ist ein zweitägiges Zusammenkommen von Menschen, die die Sehnsucht nach einem menschengerechten Arbeiten, nach “New Work” eint. Viele von Ihnen sind Suchende, die auf Gleichgesinnte treffen, um Fragen gemeinsam zu diskutieren und Anregungen zu erhalten. Viele können und wollen ihre Erfahrungen zu mutigen Schritten, die sie gemacht haben, mit anderen teilen. Es ist der ideale Ort, um New Work nicht nur erzählt zu bekommen, sondern zu erleben, zu begreifen. Einen kostenlosen Vorgeschmack bietet die Veranstaltung “Graz Geht Voraus x Freiräume” am 31. Jänner 2024 von 17-21 Uhr im Grazer Lendhafen. Wir werden dort das Leitthema der Freiräume 2024, “Freiraum schaffen durch weglassen” erkunden.
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