Industrie: Keine Scheu vor der Lehre

Karl Postl, seit fünf Jahren Lehrlingsausbildner bei Rosendahl in Pischelsdorf, im Gespräch mit WOCHE-Chefredakteurin Anneliese Grabenhofer. | Foto: Alle Bilder: ALDRIAN
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  • Karl Postl, seit fünf Jahren Lehrlingsausbildner bei Rosendahl in Pischelsdorf, im Gespräch mit WOCHE-Chefredakteurin Anneliese Grabenhofer.
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Die steirische Industrie investiert massiv in die Zukunft. In einem regionalen Industriegespräch ging es deshalb um das Thema Lehre.

Die Ausbildungssituation und die Bedeutung der Lehre in oststeirischen Unternehmen waren die Schwerpunkte der aktuellen Veranstaltung. Karl Postl, Ausbildner von Rosendahl/Pischelsdorf, Peter Steinbauer von Knill/Mosdorfer aus Weiz, die Lehrlinge Lisa Knoll und Kevin Gussmagg und Alexandra Leopold, verantwortlich für Personalangelegenheiten in der Firma Knill, sowie Georg Knill als Industriesprecher der Region Oststeiermark nahmen daran teil.
Fakt sei, dass sich die Lehre sehr verändert habe, das die Bezeichnung „Lehre“ vielleicht nicht mehr zeitgemäß sei, betonten die Diskutanten. „Für mich ist eine Industrielehre mit einem HTL-Techniker gleichzusetzen“, so Peter Steinbauer. Viele Lehrlinge würden außerdem zusätzlich zu ihrer Lehrlingsausbildung die Matura oder andere Zusatzausbildungen machen.
Berufe zutrauen
Auf die Frage hin, ob sich ein weiblicher Lehrling in einer männerdominierten Industrie benachteiligt fühlen könne, widerspricht man klar. Peter Steinbauer, der Lisa Knoll als Maschinenbautechnikerin, ausbildet, nennt einige Möglichkeiten, wie speziell Frauen unterstützt werden.
„Weibliche Lehrlinge stehen durchaus ihren
Mann. Körperliche Unterschiede sind kein Thema mehr, da etwa beim Heben entsprechende Maschinen verwendet werden. Die Arbeit an einer CNC- Maschine spielt sich im Kopf ab. Ich meine, Eltern sollten ihren Töchtern anspruchsvolle, technische Berufe zutrauen und sie auf diesem Weg unterstützen“, sagt Karl Postl und betont, dass die Lehre an großer Wertigkeit gewonnen habe.
Fokus Schnuppertage
Großes Augenmerk legen die Ausbildner auf die Schnuppertage. Wie gibt sich der Jugendliche dort, wie stellt er sich an?
Die Pischelsdorfer Firma Rosendahl geht außerdem jährlich in die Schulen, um das Unternehmen und seine Philosophie vorzustellen.
Auch in der Firma Knill/Mosdorfer lädt man immer wieder zu Schnuppertagen ein. „Wenn bei der Arbeit keine Freude aufkommt, ist es nicht gut, eine solche Berufsausbildung anzupeilen. Mit Freude ist das Ergebnis hingegen gleich besser. Vor einer Lehre braucht man absolut keine Scheu zu haben. Ich würde einen Lehrberuf sogar viel höher einstufen. Denn in der Lehre erhält man praktisches Wissen gepaart mit einer theoretischen Ausbildung“, bringt es Peter Steinbauer, der seit mehr als zwei Jahren für die Lehrlingsausbildung verantwortlich zeichnet, auf den Punkt. Als zusätzliche positive Nebeneffekte gelten im Industriebereich die durchschnittlich höheren Löhne.
Klar sei, dass die Politik gefordert sei, für Weiterbildungsmöglichkeiten und Förderprogramme zu sorgen, bringen es die Teilnehmer des Industriegesprächs auf den Punkt.

Lehrlingsausbildner der Zukunft
Welche grundsätzlichen Eigenschaften sollte nun ein Lehrlingsausbildner mitbringen?
„Flexibilität und die Fähigkeit, sich auf die jungen Menschen einzustellen, sind für einen Ausbildner wichtige Faktoren“, betont Peter Steinbauer. „Man muss das Bedürfnis haben, gerne mit Jugendlichen zu arbeiten, und man muss eine Vertrauensbasis schaffen können. Wichtig ist es, die jungen Leute auf diesem Stück Lebensweg positiv mit pädagogischem Denken zu begleiten“, sind sich die Ausbildner Peter Steinbauer und Karl Postl einig. Wenn sich der Erfolg einstellt, erfülle einen das mit Stolz.
Als nicht unwichtig bezeichnet Alexandra Leopold (Personalverantwortliche bei Knill/Mosdorfer) die Kontakte zum Elternhaus und das dahinterstehende Engagement der Erziehungsberechtigten.

Aufgaben einer Pflichtschule
Als unbestritten gilt der Reformbedarf im österreichischen
Bildungssystem.

Obwohl 45 Prozent der Jugendlichen betroffen sind, droht bei all diesen Debatten das Erfolgsmodell Lehre als duales Ausbildungssystem unter die Räder zu kommen.
Denn in der Bildungsdiskussion schaut es aus, als ob es ohnehin nur mehr das Thema Neue Mittelschule gebe. Doch die Lehre spielt in der Zukunft eine wesentliche Rolle. Immerhin werden dabei die hochwertigen Fachkräfte von morgen ausgebildet, die die Wirtschaft so dringend benötigt. Schlimm sei es aber, wenn angehende Lehrlinge nicht einmal die Grundrechnungsarten beherrschen. „Das muss in der Grundschule passieren, das sind Aufgaben einer Pflichtschule“, betont Georg Knill.

Kevin Gussmagg, Pischelsdorf, hat seine Lehre bei Rosendahl vor zwei Tagen abgeschlossen: Abwechslungsreich
"Ich hatte die Möglichkeit, vor meiner Lehre in vielen Bereichen zu schnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Für den Beruf des Maschinenbautechnikers habe ich mich entschieden, weil dieser sehr abwechslungsreich ist. Meine Lehre habe ich vor zwei Tagen abgeschlossen. Man sollte jener Arbeit nachgehen, die man gerne tut, das kann ich nur empfehlen.“

Lisa Knoll, Thannhausen, 2. Lehrjahr bei Knill/Mosdorfer in Weiz:
Nicht benachteiligt
Meine Berufsentscheidung traf ich in Folge meiner Schnuppertage. Mir bereitet die Arbeit total Spaß, ob es das Drehen oder die Arbeit direkt an den Maschinen ist. Alle Kolleginnen und Kollegen sind sehr hilfsbereit und man fühlt sich als weiblicher Lehrling überhaupt nicht benachteiligt. Ich finde, man sollte erst eine Lehre machen, dann weitere Ausbildungen.“

Georg Knill, Vorsitzender der CEO, Industriesprecher der Region Oststeiermark: Weg von alten Bildern
"Ein Lehrberuf in der Industrie ist eine spannende, interessante Herausforderung. Man muss dabei von alten Bildern wegkommen. Die Industrie hat heute kaum mehr mit Schmutz und immensem Lärm zu tun. Natürlich ist die Arbeit mit den Händen gefragt. Ich empfehle allen jungen Menschen, interessiert, engagiert und neugierig zu sein. Wichtig ist, von sich überzeugt zu sein, das nötige Zahlenwissen und Hausverstand mitzubringen."

Fakten:
Industriebeschäftigung und Lehre in der Steiermark – Zahlen und Fakten:
• Arbeitsmarkt
Veränderung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2010:
Steiermark: – 10,9 %
Österreich: – 3,7 %
Wien: + 1,5 %
• Jugendliche und Lehrlinge
Veränderungen seit dem Jahr 2000:
Zahl der 15-Jährigen in der Steiermark: – 10,1 %
Zahl der Industrielehrlinge in der Steiermark: + 12,1 %
Zahl aller Lehrlinge in der Steiermark: – 4,3 %
• Lehrlingsaufnahme Steiermark 2010:
Industrielehrlinge im ersten Lehrjahr: 735
Im Vergleich zu 2009: + 6,2 %
• Behaltequote in der Industrie
5. Jahr nach der Lehrabschlussprüfung: mehr als 80 %
• Investitionen für die Lehrlingsausbildung in der Industrie: rund 90.000 Euro pro Lehrling

Lehrberufe
Die häufigsten 10 Lehrberufe in der steirischen Industrie
1. Maschinenbautechnik 602
2. Zerspanungstechnik 274
3. Mechatronik 216
4. Metalltechnik (Schwerpunkte) 199
5. Elektrobetriebstechnik 156
6. Werkzeugbautechnik 143
7. Industriekaufmann/-frau 109
8. Produktionstechniker/-in 108
9. Elektromaschinentechnik 80
10. Elektrobetriebstechnik mit dem
Schwerpunkt Prozessleittechnik 77

Rund 700 offene Lehrstellen gibt es in der Industrie steiermarkweit. Auf www.woche.at finden Sie den Link zur Lehrlingsdatenbank – geben Sie im Such-Fenster die Webkennzahl 32820 ein.

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