Soziale Phobie oder "banale Schüchternheit"?

Vor zirka zwei Wochen las ich in einer sehr auflagenstarken österreichischen Tageszeitung einen Artikel, der als Kernaussage das Thema hatte, dass Psychiater und Psychologen die Menschen, die sich ihnen anvertrauen und um Unterstützung bitten, erst durch ihre Diagnosestellung "krank" machen würden. Dies sei der Grund, weshalb so viele Menschen Psychopharmaka nehmen würden.

Das ganze wurde so dargestellt, dass man als Mensch, der sich mit bestimmten Schwierigkeiten konfrontiert sieht, sich nicht ernst genommen fühlt. Im Fokus des Artikels stand der "böse Psychiater/Psychologe", der nur des Profites wegen Diagnosen verteilt.
Ich war einerseits verärgert über diesen Beitrag, andererseits auch traurig, da ich an einen speziellen Klienten von mir dachte, der an einer sozialen Phobie leidet. Diesem Herrn fiel es extrem schwer, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten, er bekam Schweißausbrüche, Herzrasen, hyperventilierte und hatte panische Angst vor sozialen Situationen, in denen er von anderen Menschen hätte "bewertet" werden können. Diese Panikattacken haben sein Leben so sehr beeinträchtigt, dass er seine Ausbildung abgebrochen hat und nur mehr zu Hause sein konnte. Ein Einkauf im Supermarkt oder eine Besorgung in einem Geschäft waren eine schier unüberwindbare Hürde.
Hätte ich diesem Herrn damals gesagt, er solle sich nicht so anstellen, eine "banale Schüchternheit" (wie es in dem Zeitungsartikel geheißen hat) haben viele andere auch, würde er wahrscheinlich heute noch nur zu Hause sitzen und sich von seinen Eltern versorgen lassen.
Er hat sich aber auf eine gemeinsame Arbeit an seinen Themen eingelassen, wurde in seinem Anliegen ernst genommen und wertgeschätzt, und konnte Schritt für Schritt wieder lernen, seine Lebensqualität zu erhöhen und viele soziale Situationen zu meistern- und das auch ohne Psychopharmaka!
Mir ist es unverständlich, warum der Grund im Ansteigen psychischer Störungen in wirtschaftlichen Interessen (Profit) gesucht wird? Wahrscheinlich ist es einfacher zu akzeptieren und man fühlt sich nicht so handlungsunfähig, als wenn man als Ursache unsere gesellschaftliche Entwicklung in Betracht zieht ...
In unserer hektischen Zeit, wo der Druck schon im Kindesalter enorm auf den Schultern lastet, wo materielle Bedürfnisse vorgegaukelt werden und unser Normen- und Wertesystem aus der Spur gelangt, ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Zahl an psychischen Störungen in der Bevölkerung wächst. Wird man als Betroffener dann auch noch nicht erst genommen, kann man schon mal "durchdrehen" ...

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