Erste gemeinsame Gedenkveranstaltung
Kranzniederlegung am Mahnmal Reichenau

Erste gemeinsame Kranzniederlegung von Stadt Innsbruck, ÖVP-Kameradschaft und Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen am Internationalen Tag des Gedenkens am Mahnmal Reichenau.  | Foto: Pock
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Erste gemeinsame Kranzniederlegung von Stadt Innsbruck, ÖVP-Kameradschaft und Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen am Internationalen Tag des Gedenkens am Mahnmal Reichenau. Innsbruck will neue Wege der Erinnerung und des Gedenkens bestreiten. 

INNSBRUCK. Die Stadt Innsbruck organisiert am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, erstmals gemeinsam mit der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und dem Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen die Kranzniederlegung vor dem Mahnmal für die Opfer des Arbeitserziehungslagers Reichenau. In den Jahren zuvor hatten die beiden Erinnerungs- und Opferverbände den Gedenkakt zusammen gestaltet. Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi, Gemeinderätin Irene Heisz (Vorsitzende Kulturausschuss), Gemeinderat und Landtagsabgeordneter Christoph Appler, Gemeinderat Mag. Benjamin Plach, Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl, BA (Sozialdemokratische FreiheitskämpferInnen), Landesobmann Clemens Hornich (ÖVP-Kameradschaft), Präsident Günter Lieder (Israelitische Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg) und Dr. Horst Schreiber von der Plattform _erinnern.at_ nehmen am gemeinsamen Gedenkakt teil.

Bürgermeister Georg Willi (3. v. l.) Präsident Günter Lieder (m.) Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl (2.v.r), Landesobmann Clemens Hornich (2.v.r), Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Christoph Appler (r.) und Gemeinderat Benjamin Plach (l.) vor dem Mahnmal Reichenau. | Foto: IKM
  • Bürgermeister Georg Willi (3. v. l.) Präsident Günter Lieder (m.) Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl (2.v.r), Landesobmann Clemens Hornich (2.v.r), Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Christoph Appler (r.) und Gemeinderat Benjamin Plach (l.) vor dem Mahnmal Reichenau.
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Kollektive Verantwortung

„Nie wieder darf ein Weltbild toleriert werden, das Menschen die Menschlichkeit nimmt und in der kollektiven Grausamkeit des industrialisierten Massenmordes mündet. Niemand von uns ist dafür verantwortlich, was im Lager Reichenau geschehen ist. Aber jeder von uns ist dafür verantwortlich, dass so etwas nie wieder geschehen wird. Das ist die Verantwortung, der wir uns alle stellen und die wir alle tragen müssen. Gedenkakte wie die heutige Kranzniederlegung erinnern uns daran“, betont Bürgermeister Georg Willi.

Bürgermeister Georg Willi betont die Verantwortung in der Erinnerung. | Foto: IKM
  • Bürgermeister Georg Willi betont die Verantwortung in der Erinnerung.
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Neue Wege

„Die zeitliche Distanz zu den historischen Ereignissen wächst, Zeitzeugen gibt es bald keine mehr.

Wir müssen neue Formen des Erinnerns an historische Gräueltaten und der Wachsamkeit gegenüber aktuellen Formen des Rassismus und totalitärer Tendenzen finden. Der Innsbrucker Gemeinderat hat deshalb eine ExpertInnenkommission beauftragt, die Geschichte des AEL Reichenau aufzuarbeiten und Empfehlungen für eine Neugestaltung des Gedenkens vorzulegen.

Wir werden diese Empfehlungen im Februar beschließen und hoffentlich sehr bald mit der Umsetzung eines neuen Gedenkortes beginnen können“, erläutert Gemeinderätin Irene Heisz, Vorsitzende des Kulturausschusses und Leiterin der Kommission.

Blick von Süden auf Teile des Konzentrationslagers in der Reichenau (Rossau). Zu sehen sind Baracken und Holzhäuser. Aufnahme vermutlich nach 1945, zur Zeit als das Lager als Flüchtlingslager diente. Vermutlich 1945-1947. | Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
  • Blick von Süden auf Teile des Konzentrationslagers in der Reichenau (Rossau). Zu sehen sind Baracken und Holzhäuser. Aufnahme vermutlich nach 1945, zur Zeit als das Lager als Flüchtlingslager diente. Vermutlich 1945-1947.
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Beitrag zum Arbeitslager Reichenau, Bezirksblätter Innsbruck

Wertvolle Arbeit

Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Christoph Appler erinnert an die wichtige Rolle der Opferverbände: „Kranzniederlegungen sind wichtig für das Erinnern, aber sie erreichen oft die Herzen der Menschen nicht mehr.

Dafür brauchen wir Persönlichkeiten und Organisationen, die, u.a. durch das Erzählen von Einzelschicksalen, die grauenhaften Verbrechen des NS-Regimes den Menschen näherbringen. Daher ist die Arbeit, welche die Organisationen wie die Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen und die ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten leisten, unschätzbar wertvoll.

Sie sind lebende Bollwerke gegen das Vergessen. Die Erinnerungskultur muss auch einen größeren Teil in der politischen Bildung einnehmen. ‚Nie wieder‘ hat durch Putins Angriffskrieg leider auch eine neue Bedeutung bekommen. Es zeigt, dass auch in unserer Zeit die Demokratie und die Menschenrechte durch totalitäre Regime ständig in Gefahr sind und wir diese Werte täglich aufs Neue schützen müssen.“ „Wir danken der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen für ihre wichtige Arbeit, der wir uns als Stadt anschließen. Die heutige Kranzniederlegung steht symbolisch als Mahnung für uns, das Unrecht niemals zu vergessen – und es niemals wieder zuzulassen“, pflichtet Gemeinderat Benjamin Plach bei.

Präsident Günter Lieder von der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg.  | Foto: IKM
  • Präsident Günter Lieder von der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg.
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Historischer Hintergrund

„Hinter den unfassbaren Opferzahlen stecken unzählige Einzelschicksale.

Die Menschen in den Lagern wurden abstrahiert, auf Ziffern reduziert und grausam ermordet. Deshalb ist es umso wichtiger, ihnen die Menschlichkeit in der Erinnerung wiederzugeben. Uns der Menschen, die hier und anderswo gelitten haben, bewusst zu werden, die Namen hinter den Nummern zu nennen und ihre Lebenswege zu beleuchten“,

erinnert Präsident Günter Lieder von der Israelitischen Kultusgemeinde Tirol und Vorarlberg im Rahmen der Kranzniederlegung. „Erinnern bedeutet, aktiv gegen das Vergessen zu kämpfen. Sich stets in Erinnerung zu behalten, welche Verbrechen im Namen der NS-Ideologie auch hier in Tirol begangen wurden und wer darunter leiden musste. Erinnern bedeutet, in diesem Bewusstsein zu denken und danach zu handeln“, erklärt Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl von den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen. 

Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl von den Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen.
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„Wir legen heute gemeinsam den Kranz nieder für alle, die unter dem Unrecht der NS-Diktatur gelitten haben. Wir dürfen die grausamen Verbrechen und das unbeschreibliche Leid der Opfer niemals vergessen. Im Lager Reichenau und an vielen anderen Orten wurden unschuldige Menschen inhaftiert, gefoltert und ermordet. Wir haben die Pflicht, ihr Andenken für alle Zeit zu bewahren“, unterstreicht Landesobmann Clemens Hornich von der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten. 

 Landesobmann Clemens Hornich von der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten. | Foto: IKM
  • Landesobmann Clemens Hornich von der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten.
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Der Historiker Horst Schreiber von _erinnern.at_ mahnt: „Aufarbeitung und Erinnerung sind Prozesse, die jede Generation aktiv von Grund auf durchmachen muss.

Bürgermeister Georg Willi (l.) und Präsident Günter Lieder (l.) bei der gemeinsamen Kranzniederlegung.  | Foto: IKM
  • Bürgermeister Georg Willi (l.) und Präsident Günter Lieder (l.) bei der gemeinsamen Kranzniederlegung.
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Gelebte Erinnerungskultur bedeutet, Mahnmäler und Gedenkakte in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext der Erinnerung einzubetten – dazu braucht es stets historische Auseinandersetzung mit den Verbrechen, angemessene Erinnerung an die Opfer, und ein Bewusstsein für die Verantwortung, dieses Unrecht nie wieder geschehen zu lassen.“

Kindergarten Reichenau. Bürgermeister Dr. Anton Melzer und Begleiter besuchen den Baracken-Kindergarten Reichenauer Lager, die Kinder sind gerade beim Jausnen, im Hintergrund ist die Nordkette. 1946. | Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
  • Kindergarten Reichenau. Bürgermeister Dr. Anton Melzer und Begleiter besuchen den Baracken-Kindergarten Reichenauer Lager, die Kinder sind gerade beim Jausnen, im Hintergrund ist die Nordkette. 1946.
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Lager Reichenau

Im „Arbeitserziehungslager Reichenau“ wurden zwischen 1941 und 1945 circa 8500 Menschen, darunter zahlreiche politische Gefangene, inhaftiert, gefoltert und zur Zwangsarbeit verpflichtet, 130 Menschen wurden dort nachweislich ermordet. Ein 1972 auf dem ehemaligen Gelände des Lagers in der Roßaugasse errichteter Gedenkstein erinnert als Mahnmal an die Opfer. In ihrem Gedenken findet dort die jährliche Kranzniederlegung der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und der Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen statt, die heuer erstmals gemeinsam mit der Stadt Innsbruck organisiert wird. Im Auftrag des städtischen Kulturausschusses wurde eine international besetzte Kommission aus Fachleuten damit betraut, die Geschichte des Lagers aufzuarbeiten und die Ausschreibung einer neuen Gedenkstätte vorzubereiten. Der im Jänner 2023 vorgelegte Abschlussbericht der Kommission dient als Basis für künftige Erinnerungsarbeit.

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