Vielen Dank, liebste Julia
Trauer um Grand Dame des Tiroler Schauspiels

Julia Gschnitzer beim Gespräch in der Alten Gerberei im Jahr 2018. | Foto: Kogler
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Mehr als sechs Jahrzehnte lang stand Julia Gschnitzer in vielen Rollen auf der Bühne oder in TV-Spielfilmen und -Serien hinter der Kamera. Julia Gschnitzer begeisterte dasPublikum. 1989 wurde Julia Gschnitzer zur Kammerschauspielerin ernannt. 2014 erhielt sie den Tiroler Landespreis für Kunst.

INNSBRUCK. In einer Innsbrucker Professoren-Familie aufgewachsen genießt Julia Gschnitzer mit ihren Geschwistern eine traumhafte Kindheit. Wie ein kleiner Lausbub klettert sie gerne mit ihren Brüdern auf Bäume, angelt, wandert und zeltet. Die dunklen Schatten der Kriegszeit bekommt das Mädchen erst in der Volksschulzeit mit, nachdem sie ein riesiges Bombadement der Tiroler Hauptstadt mit viel Glück überlebt. Doch Kinder kümmern sich wenig um Krieg. Schon in der Volksschule verliebt sich Julia in einen Jungen so sehr, dass die gemeinsame Zukunft mit Heiraten und Kinderkriegen zum wichtigsten Gesprächsthema wird.
„Meine erste Liebe hieß Tassilo Ehrenstreiter. Er verehrte mich und hat mir oft das Kostbarste angeboten, was er damals besaß: seine 'Maggi-Würfel', die er als 'Bonbons' selbst gerne lutschte. Meinerseits hasste ich diese und spuckte sie immer heimlich aus, um seine Gefühle nicht zu verletzen", erinnert sich die Schauspielerin im Jahr 2018 im BezirksBlätter-Gespräch.

Land Tirol trauert um Julia Gschnitzer


Märchenphase...

Gleich nach dem Krieg beginnt für Julia ihre „Märchenphase.“ Sie spielt im Jugendtheater, meistens Prinzessinnen, hauptsächlich Hauptrollen. Ohne das Schauspielhandwerk erlernt zu haben, spielt die Teenagerin einfach aus Freude und ihrem Temperament heraus. Die Theaterbühne verzaubert sie und bestimmt von da an ihr weiteres Leben. Ihre Eltern lassen ihrer selbstbewussten Tochter die Freiheit der beruflichen Wahl, bestehen aber dennoch darauf, dass das Mädchen vorerst ein „g'scheites“ Handwerk erlernt. „Es war für mich später Gold wert, dass ich Schneiderin lernte; man musste sich in der Nachkriegszeit oft selbst Bühnenkostüme nähen“, so die dankbare Tochter.

Ihr Werdegang

Julia Gschnitzer wurde am 21. Dezember 1931 in Innsbruck geboren. Sie begann ihre schauspielerische Laufbahn am Tiroler Landestheater und war Mitglied des Ensembles am Wiener Volkstheater sowie am Salzburger Landestheater. Über 30 Jahre verkörperte Julia Gschnitzer große Frauenrollen, unter anderem Frau Flamm in Gerhard Hauptmanns „Rose Bernd“ (1979/80), Marthe Rull in Kleists „Zerbrochenem Krug“ (1980/81), Mrs Peachum in der „Dreigroschenoper“ (1987/88), Maria in Turrinis „Josef und Maria“ (1991/92), die Mutter in „Mutter Courage“ von George Tabori (1995/96), die Großmutter in Horvaths „Geschichten aus dem Wienerwald“ (2000) und die Mutter in Thomas Bernhards „Am Ziel“ (2002). Bekanntheit erlangte sie auch durch ihre Film- und Fernsehauftritte: Als Franziska Jägerstätter in Axel Cortis Film „Jägerstätter“, als Frau Vejvoda in „Ein echter Wiener geht nicht unter“, als alte „Nanne“ in Peter Ruzowitzkys „Siebtelbauern“ und in vielen weiteren Rollen.

Ehrenzeichenträgerin

Julia Gschnitzer wurde 1989 zur Kammerschauspielerin ernannt und ist Trägerin des Silbernen Ehrenzeichens der Stadt Wien, des Karl-Skraup-Preises, des Ehrenzeichens des Landes Tirol, des Ehrenzeichens für Kunst und Kultur der Stadt Innsbruck, des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien und des Ehrenbechers der Stadt Salzburg.

Julia Gschnitzer im "Tiroler Frauenpower"-Interview der BezirksBlätter Tirol im Jahr 2017.  | Foto: Krabichler
  • Julia Gschnitzer im "Tiroler Frauenpower"-Interview der BezirksBlätter Tirol im Jahr 2017.
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Das Debüt

Mit 20 Jahren debütiert sie am Tiroler Landestheater, und binnen drei Jahren etabliert sie sich in der deutschsprachigen Theaterszene als hochtalentierte Darstellerin. Über Bregenz und die Schweiz bringen die Berufswege die inzwischen bekannte Julia Gschnitzer nach Wien. Dort, im Volkstheater, entfaltet sie sich in ihren unglaublich authentisch realisierten Frauenrollen. „Ich hatte in meinem Bühnenleben mehr Glück als Verstand! Man hat mich spielen sehen, und daraufhin wurde ich angesprochen, und aufs Neue engagiert. Ich musste nie vorsprechen und mich bewerben oder behaupten. Ich versetzte mich in die Rollen der von mir gespielten Personen so stark hinein, dass für mein eigenes Leben mit Familie und Kindern gar kein Platz mehr übrig blieb. Mein Leben gehörte nur meinem Job, der mich beflügelte und glücklich machte, der Rest war mir egal", erzählte mit funkelnden Augen die Spielbesessene.

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„Hatten Sie keine Neider, die Ihnen das Leben schwer machten, wie es nicht selten in der Branche vorkommt?“

„Ich hatte eine unangenehme Phase nach dem Tod des ersten Theaterdirektors Leon Epp. Sein Nachfolger hatte seine Gattin in die erste Reihe vorgeschoben. Da wurden Stücke gesucht, die für seine Frau gut waren, und ich blieb plötzlich auf der zweiten Spur. Da stellte ich fest, wie vorteilhaft es sein kann, mit einem Regisseur oder Theaterdirektor verheiratet zu sein. Nichtsdestotrotz war ich noch gut besetzt, hatte aber mehr Zeit für Film- und TV- Produktionen. Da begann ich auch zu unterrichten und habe dabei meine eigene Schule nachgeholt, weil ich meinen Schülern das erklären musste, was ich selbst intuitiv machte und nie wirklich gelernt hatte“, so die Selfmade-Aktrice.

Adieu Wien

Nach 30 glanzvollen Jahren am Volkstheater sagt Julia „Adieu Wien!“ und geht nach Salzburg, ihre seit ihrer Kindheit seelenerwünschte Wahlheimat, wo ihre Großeltern bis zum Kriegsbeginn im Schloss Mirabell gewohnt hatten. Ehrenvoll am Salzburger Landestheater empfangen und engagiert, arbeitet Julia auch als freie Sprecherin und Schauspielerin für Hörfunk, Film und Fernsehen. So verkörpert sie Franziska Jägerstätter im Film “Der Fall Jägerstätter” von Axel Corti und die Alte Nane in “Die Siebtelbauern” von Stefan Ruzowitzky; in der Fernsehserie “Ein echter Wiener geht nicht unter“ stellt sie Frau Vejvoda dar.


„Was können Sie jungen Menschen anraten, die Schauspieler werden möchten?“
„Wenn das Theater und der Beruf für einen an erster Stelle stehen, da hat man gute Aussichten für eine gelungene Karriere. Ich möchte keinen Tag meines Leben missen, ich kann nur an keinem Kinderwagen vorbeikommen, ohne hineinzuschauen! Der Duft der Säuglinge ist herrlich“, so die berühmte mehrfache Tante einer großen Innsbrucker Familie, Julia Gschnitzer im Jahr 2018.

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