Erinnerungskultur im Landhaus
"Was einmal geschehen ist, kann wieder geschen"

Ausstellungsbereich im ehemaligen "Gauleiterzimmer".  | Foto: Die Fotografen
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  • Ausstellungsbereich im ehemaligen "Gauleiterzimmer".
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„Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ ist eine kostenlos zugängliche Ausstellung, die vom 5. Oktober 2023 bis 4. Mai 2024 im Landhaus 1 zugänglich ist. Ein Veranstaltungsprogramm mit Vorträgen, Diskussionen, Lesung und Theaterstück begleitet die Ausstellung. Aktuelle Informationen und Termin-Buchungsmöglichkeiten unter www.tirol.gv.at/erinnern

INNSBRUCK. "Wir sind Nachfahren von Mitläufern, Nachfahren von Tätern, von Opfern, von Oppositionellen. Wir sollten nicht mit einem schweren Rucksack von Bedrücktheit von hier gehen, sondern wir sollten uns bewusst machen, dass, was einmal geschehen ist, wieder geschehen könnte", hält Günter Lieder, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, fest.

Zeitdokumente in der Ausstellung | Foto: BezirksBlätter
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NS-Bau

Der größte noch bestehende NS-Bau in Tirol ist das Neue Landhaus in Innsbruck, das 1938/39 als Gauhaus für Parteidienststellen errichtet wurde. Im Machtzentrum des Nationalsozialismus für Tirol und Vorarlberg wurde der menschenverachtende NS-Terror geplant und bürokratisch in die Wege geleitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz der Besatzungsmächte, zog 1955 die Tiroler Landesregierung in das Gebäude ein. Die NS-Hintergründe wurden verleugnet und verdrängt. „Die Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen, aber es liegt in unserer Verantwortung, wie wir unsere Zukunft gestalten. Dafür braucht es Bewusstsein und kritische Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln unserer Geschichte. Mit der Ausstellung ‚Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte‘ wollen wir auf vermittelnde Art und Weise einen lange verschwiegenen Täterort der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, informierte LH Anton Mattle. Gemeinsam mit der Kuratorin Hilde Strobl und Kurator Christian Mathies sowie Günter Lieder, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, Horst Schreiber, Leiter von ERINNERN:AT Tirol, sowie Landesamtsdirektor Herbert Forster wurde die Ausstellung vorgestellt.

"Wir brauchen einen sehr offenen Zugang zu Erinnerungskultur, eine konstruktive Auseinandersetzung, damit wir Wahrnehmungen  aus dieser Zeit sehen und in das Jetzt projizieren können. Und gerade das Jetzt scheint mir so wichtig zu sein, weil nur dann, wenn man das erkennt, warum es passiert ist,  dann kann man sich solchen Entwicklungen entgegensetzen", erklärt LH Anton Mattle.

LH Anton Mattle, Kurator Christian Mathies, Günter Lieder (Präsident der Isrealitischen Kultusgemeinde Tirol und Vorarlberg), Kuratorin Hilde Strobl, Autor Horst Schreiber und Landesamtsdirektor Herbert Forster. | Foto: Die Fotografen
  • LH Anton Mattle, Kurator Christian Mathies, Günter Lieder (Präsident der Isrealitischen Kultusgemeinde Tirol und Vorarlberg), Kuratorin Hilde Strobl, Autor Horst Schreiber und Landesamtsdirektor Herbert Forster.
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Ausstellung

Die Ausstellung ist eine Kooperation des Landes Tirol und der Tiroler Landesmuseen. Die Veranstaltungsreihe im Rahmen der Ausstellung ist eine Kooperation mit ERINNERN:AT, dem Programm des OeAD (Agentur für Bildung und Internationalisierung) zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust, dem Archiv für Bau.Kunst.Geschichte und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Alle Informationen zur Ausstellung finden sich unter www.tirol.gv.at/erinnern.

Der Eduard-Wallnöfer-Platz ist mit dem Pogromdenkmal, dem von der französischen Militärregierung errichteten Befreiungsdenkmal und dem ehemaligen Gauhaus ein Ort der Erinnerungskultur. Mit der Ausstellung im früheren Büro und Sitzungssaal des damaligen Gauleiters im ersten Stock des Landhauses 1 wird die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit im Gebäude selbst verortet. Die kostenfrei zugängliche Ausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus“ im Landhaus 1 ist von 5. Oktober 2023 bis 4. Mai 2024 täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, ausgenommen an Sonn- und Feiertagen.

Für Günter Lieder, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, steht fest: „Das Erinnern ist im Zusammenhang mit den Verbrechen des NS-Regimes zentral – und zwar deshalb, weil erinnern in vielen Fällen auch ‚nicht vergessen‘ und ‚nicht verdrängen‘ bedeutet. Die Ausstellung im Landhaus trägt zu diesem Erinnern bei und hat daher eine sehr wertvolle Funktion auch gegenüber der heutigen Bevölkerung.“

Drei Räume geben Einblicke

Hilde Strobl und Christian Mathies, die der Publikation „Vom Gauhaus zum Landhaus“, zum Konzept: „Die Ausstellung thematisiert in drei ehemaligen Räumen der Gauleitung die NS-Vergangenheit des Landhausareals. Sie schildert den Bau des Gebäudes und den Alltag im regionalen NS-Machtzentrum. Dabei bieten ausgewählte Geschichten von Menschen, die mit diesem Gebäude in Verbindung standen und von heutigen Bediensteten des Landes erzählt werden, Einblicke in die Verwaltungsstrukturen und den Umfang der Verbrechen. Diese Biografien machen den Nationalsozialismus als System greifbar, das keine Unbeteiligten kennt.

LH Anton Mattle zur Ausstellung

Zahlreiche Veranstaltungen

Die begleitenden, kostenfrei zugänglichen Veranstaltungen von 20. Oktober 2023 bis 4. Mai 2024 vertiefen darüber hinausgehende Themenbereiche zur NS-Zeit in Tirol. Die Veranstaltungsreihe nimmt auch Bezug auf Forschungen, die das Land finanziell unterstützt hat. Den Auftakt macht beispielsweise die Veranstaltung „‘Idee des auffliegenden Adlers‘. Die Architektur des Landhauses“ am 20. Oktober. Horst Schreiber als Leiter von ERINNERN:AT Tirol ist ein wichtiger Partner dieser Ausstellung: „Bei der Vermittlung der Geschichte des Landhauses benötigt es verschiedene Zugänge, um ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Mit der Ausstellung, den Führungen und dem Rahmenprogramm erreicht man die allgemein interessierte Öffentlichkeit und vor allem die Jugend. Damit wird der Maßnahmenkatalog der vor Jahren eingesetzten HistorikerInnenkommission erfüllt. Weitere Vermittlungsangebote von ERINNERN:AT für Jugendliche stellen den Gegenwartsbezug her: ein Theaterstück über Krieg und Begegnungen mit einer Holocaust-Überlebenden sowie einem ehemaligen Flüchtling.“

Günter Lieder zur Ausstellung

Werte leben

„Heute werden im Landhaus jene Werte gelebt, die der Nationalsozialismus mit Füßen getreten hat: Demokratie, Bürgerrechte, Rechtsstaat und Pluralismus. Gerade in der jüngeren Generation ist das schreckliche Ausmaß der Gräueltaten des Nationalsozialismus oftmals nicht mehr so präsent. Die in Kooperation mit den Tiroler Landesmuseen entstandene Ausstellung im Landhaus richtet sich deshalb wider das Vergessen und das Schweigen. Dass die Ausstellung in enger Abstimmung mit den beiden KuratorInnen handwerklich großteils durch die Fachabteilungen im Haus umgesetzt wurde, schafft eine besonders enge Identifikation der Ausstellung zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, ergänzte Landesamtsdirektor Forster. LH Mattle stellte abschließend fest: „Diese Ausstellung ist eine einmalige Chance, die Geschichte unseres Landhauses einem breiten Publikum niederschwellig und professionell begleitet zugänglich zu machen und einen Teil unserer Geschichte zu reflektieren, der sich niemals wiederholen darf. Das ist die gesellschaftliche Verantwortung, der wir alle gerecht werden müssen.“

Ausstellung zur NS-Geschichte des Landhauses ab Oktober

Informationen

Öffnungszeiten: 5. Oktober 2023 bis 4. Mai 2024 täglich von 9 bis 17 Uhr kostenfrei zugänglich, ausgenommen sind Sonn- und Feiertage!
Ort: Landhaus 1, Eduard-Wallnöfer-Platz 3, 1. Stock.
Das Landhaus 1 ist über den Haupteingang Eduard-Wallnöfer-Platz barrierefrei zugänglich: Im Gebäude selbst, das über barrierefreie WC-Räume verfügt, sind die Gebäudetrakte barrierefrei erschlossen.
Terminvereinbarung Gruppenbesuche: Um Wartezeiten zu vermeiden, ist für Gruppenbesuche eine Terminvereinbarung über das Online-Anmeldesystem des Landes notwendig – über die Webseite www.tirol.gv.at/erinnern.
Das jeweils aktuelle begleitende Veranstaltungsprogramm (kostenfrei zugängliche Führungen, Vorträge, Diskussionen, Lesung, Theaterstück) sowie aktuelle Informationen zur Ausstellung sind über die Webseite www.tirol.gv.at/erinnern abrufbar. Für Schulkassen werden eigene Veranstaltungen angeboten.

Ausstellung im Landhaus | Foto: BezirksBlätter
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