Zeitgeschichte
Wer war Burghard Breitner? Straße soll umbenannt werden.

Burghard Breitner war 1951 Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. In Innsbruck ist eine Straße nach ihm benannt.
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  • hochgeladen von Georg Herrmann

INNSBRUCK. "Das Forschungsprojekt zu den Erbgesundheitsgerichten/Zwangssterilisationen in Tirol-Vorarlberg, in dem es u.a. auch um Burghard Breitner geht, ist abgeschlossen. Wir werden demnächst die Ergebnisse auf unserer Website veröffentlichen.", teilt das Institut für Zeitgeschichte der Stadtblatt Redaktion auf Anfrage mit. Burghard Breitern wird aber bereits in der kommenden Gemeinderatssitzung eine große Rolle spiel.

Umgestaltung

Im Beitrag "Der Chirurg Burghard Breitner" schreibt Ina Friedmann,wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte: "Burghard Breitner (1884–1956) – Chirurg und „Engel von Sibirien“, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes 1950 sowie Bundespräsidentschaftskandidat 1951, Rektor der Universität Innsbruck 1952/53 und Schriftsteller. Die Benennung einer Straße nach ihm im Innsbrucker Stadtteil Reichenau anlässlich seines 10. Todestages 1966 sollte die Erinnerung an einen angesehenen und hoch geschätzten Arzt aufrechterhalten. Mehr als 50 Jahre später muss aber gefragt werden: Will und kann man Burghard Breitner nach wie vor auf diese Art gedenken? Dem prominenten Mediziner, der als Klinikvorstand von 1932 bis 1955 zu den an der Innsbrucker Universitätsklinik für Chirurgie zwischen 1940 und 1945 durchgeführten Zwangssterilisationen offiziell „ermächtigt“ und damit für diese verantwortlich war? In Zusammenhang mit aktuellen Forschungen zur Kooperation der Universität Innsbruck mit den regionalen Erbgesundheitsgerichten kam es durch die Stadt Innsbruck zu einer Neubewertung der (Un-)Angemessenheit der Benennung einer Straße nach Burghard Breitner. Die abschließende Entscheidung, wie damit umzugehen ist, wird nach Vorlage des Projektberichts im Frühjahr 2020 erfolgen. Auch an der Medizinischen Universität Innsbruck ist eine Umgestaltung jener Stellen im Gebäude der Universitätsklinik für Chirurgie in Planung, an denen Büsten oder Bilder an Burghard Breitner erinnern."

Autor, Hochschullehrer, Chirurg

Burghard Breitner wurde 1884 in Mattsee geboren. Er war Autor, Hochschullehrer und Chirurg. Er studierte Medizin in Graz, Kiel und Wien und erlernte das Handwerk der Kriegschirurgie im ersten Balkankrieg 1912/13 sowie auf eigenes Bestreben hin auch an der der Ostfront im ersten Weltkrieg. 1914 geriet er schließlich in russische Gefangenschaft. Da er nach Ende des Krieges aus freien Stücken bis 1920 bei den Kriegsgefangenen in Sibirien verweilte, wurde er nach seiner Rückkehr der „Engel von Sibirien“ genannt.

Recherche

"Breitner mag zweifellos ein fähiger Chirurg gewesen sein, doch er war ein noch inbrünstigerer Deutschnationalist und Nazi. Bereits als Schüler verteidigte er einen Lehrer, der vom Direkter wegen seiner deutschnationalen Äußerungen eine Rüge kassierte. Und gleich zu Beginn seines Studiums trat er der deutschnationalen Verbindung ´Vandalia´ bei." fasst Irene Laber ihre Recherchenergebnisse auf der Internetseite der Alternativen Liste Innsbruck zusammen. In seiner Autobiographie schreibt Breitner dazu folgendes: „Das Corps war gerade damals suspendiert worden, weil einige Mitglieder nach einem Trunkenheitsexzeß einen Wachmann mißhandelt hatten. Die Diffamierung der Verbindung wegen dieser in meinen Augen ,studentischen Heldentat` hatte meinen Eintritt in das Corps zur Folge. Ich habe diesen Schritt nie bereut."

NSDAP-Beitritt

1932 bekam Burghard Breitner eine Professur sowie die Leitung der chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck übertragen. Im selben Jahr trat er laut Personalakt der Universität Innsbruck mit einer niedrigen Mitgliedsnummer zum ersten Mal der NSDAP bei. Nachdem der österreichische Ständestaat die NSDAP verboten hatte, trat Breitner aus ebendieser Partei vorübergehend wieder aus. 1938 wollte er schließlich wieder beitreten, doch es gab Komplikationen mit dem Ariernachweis, da die Herkunft seiner Großmutter nicht restlos geklärt werden konnte. Nachdem jedoch ein direkter Führerbefehl den Chirurgen in zivilen als auch militärischen Belangen einem Arier gleichstellte, wurde Breitner im Dezember 1939 offiziell wieder in die NSDAP aufgenommen.

Aktenvermerk

"In das Jahr 1932 fällt auch laut Personalnachrichten der Universität Innsbruck Breitners Eintritt in die NSDAΡ. Diese Personalnachricht erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg besondere Bedeutung für Breitner, da mit diesem Dokument seine NSDAP-Mitgliedschaftnachgewiesen werden sollte. Breitner selbst behauptete, niemals der Partei beigetreten zusein. An dem Akt, so Breitner, seien nachträglich Radierungen vorgenommen worden. Auch die Tatsache, daß die Mitgliedsnummer Breitners mit 7.292.580 weit über denen der„frühen Kämpfer" lag, spricht gegen eine Mitgliedschaft Breitners in der NSDAP seit1932 und das Documents Center OMGUS wies Breitner erst seit 1. 12. 1939 als Parteiangehörigen aus. Allerdings besteht die Möglichkeit, daß Breitner tatsächlich 1932 Parteimitglied wurde, nach dem Verbot in Österreich die NSDAP verließ, am 1. 12. 1939 wieder beitrat und eine neue Mitgliedsnummer erhielt. Dafür spricht ein Aktenvermerk des Bundesministeriums des Inneren, wo es heißt: „Dr. Burkhardt [sic!] Breitner war nach einem, bei der Universität Innsbruck erliegenden Personalakt von 1932 bis zum Parteiverbot Mitglied der NSDAP und trat nach 1938 der Partei wieder bei. Er erhielt die Mitgl.Nr.7.292.580." Allerdings ist seine Mitgliedschaft bis heute nicht geklärt. Auch der von dem DocumentsCenter OMGUS nachgewiesene Parteieintritt mit 1. 12. 1939 kann in Frage gestelltwerden; nach Aussagen Breitners und seiner Haushälterin organisierte der Assistent Breitners –Georg Hans Bartsch – 1939 den Parteieintritt seines Professors und fälschte auch die Personalnachricht der Universität Innsbruck. Auch wenn Breitners NSDAP-Mitgliedschaft bis heute eine offene Frage ist, so steht jedoch die deutschnationale Einstellung Breitners außer Zweifel." (Der Teilnachlaß von Univ.-Prof. Dr. med. Burghard BREITNER, Mag. Margret Handler).

Erbgesundheitsgerichte

1940 übernahm Österreich das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das in Deutschland bereits 1934 zur Anwendung kam. Erbgesundheitsgerichte entschieden schließlich darüber, wer sich fortpflanzen darf und wer nicht, damit der „Volkskörper“ keinen Schaden nehme. An der Innsbrucker Klinik gab es vier „ermächtigte Ärzte“, die darüber entschieden, wer einer Zwangssterilisierung zugeführt werden müsse. Das waren die Gynäkologen Siegfried Tapfer und Tassillo Antoine der Radiologe Ernst Ruckensteiner sowie der Chirurg und Klinikvorstand Burghard Breitner. Von den 284 durchgeführten Zwangssterilisationen im Gau Tirol-Vorarlberg entfielen 69 auf die Innsbrucker Klinik (36 an der Chirurgie, 33 an der Gynäkologie). Betroffen waren hauptsächlich Personen, die homosexuell waren, eine psychische Erkrankung oder eine Behinderung hatten. Für den Leiter des Instituts für Zeitgeschichte Dirk Rupnow steht es durch Analyse eines Briefwechsels außer Frage, dass Breitner von den Vorgängen gewusst hatte. Inwiefern er dabei selbst chirurgisch tätig war ist Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung, deren Ergebnisbericht leider überfällig ist.

Österr. Rotes Kreuz

1950 wurde Breitner zum Präsidenten des Österreichischen Roten Kreuzes ernannt. 1951 trat er für den 1949 gegründeten Verband der Unabhängigen VdU (Vorgängerorganisation der FPÖ) als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten an, wobei er als Drittplatzierter scheiterte. 1956 verstarb Breitner in Innsbruck

GR-Antrag

Die Alternative Liste Innsbrucks brachte im Junigemeinderat 2020 einen Antrag zur Umbenennung der Burghard-Breitner-Strasse in der Reichenau ein. Schon lange gibt es Bestrebungen, dass historisch negativ belastetete Straßennamen aberkannt werden, doch bei der Burghard-Breitner-Strasse wurde bislang noch nicht gehandelt. "Wir denken, es ist höchste Zeit, dass dieser Straßenzug umbenannt wird und wir hoffen, dass der Antrag dann im Juli, wenn er zur Verhandlung gelangt, bei allen Gemeinderatsfraktionen Anklang finden wird" hält die ALI fest.

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