Das Geheimnis der Weihnacht - Kinderaugen sehen mehr

WEIHNACHTEN 1962  .  Mein neues Dreirad, der Christbaum und ich.
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"Ich wünsche Dir, Bischof Hermann, Kinder… die dich vom Schreibtisch holen und segnen," war bei der Bischofsweihe ein besonderer Wunsch von Bischof Manfred an seinen Nachfolger Hermann in der Predigt.----

Ich wünsche Dir, Kinder… die dich vom Schreibtisch holen und segnen.
Ein Kind lässt uns an die eigenen Wurzeln denken, an unsere Kindheit.
Ein Kind weckt in uns Gefühle - nach Gutsein, nach Frieden.
Ein Kind weckt in uns eine Sehnsucht nach Geborgenheit
Ja, Weihnachten hätte längst seinen Reiz für die Erwachsenen verloren, wenn es nicht verbunden wäre mit den eigenen Kindheitserinnerungen.
Irgendwie sind es diese alten Bilder, die ein Leben lang den Zauber der
Weihnacht ausmachen.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen heute einmal von meinen Erinnerungen an das Weihnachten meiner Kindheit erzählen.
Ich denke, dabei werden auch bei Ihnen Bilder wach.
Weihnachten dämmerte schon bald in die Jahreszeit herein und hatte seine Vorboten.
Wenn im Spätherbst das Abendrot am Himmel zu sehen war,
dann wurde uns erklärt:
Die Engel im Himmel schüren jetzt schon den Backofen an und beginnen langsam
mit dem Keks-Backen fürs Christkind.
Wunschzettel ans Christkind schreiben mit ganzen Listen von erträumten Geschenken kannten wir nicht. Aber einen Wunsch legten wir als Kinder immer hinaus aufs Fensterbrett:
Und natürlich hat das Christkind den schön gestalteten Zettel immer abgeholt.
Natürlich wollte ich im Advent ganz besonders brav sein.
Das gelang mal mehr mal weniger.
Fleißig mit dem Vater auf den Feldern war ich immer.
Die glitzernden Adventskalender hatten es mir mit ihren Türchen und Bildchen dahinter angetan. Aber das Warten war ja so schwer und so linste ich schon immer hinter die Türchen der nächsten Tage. Die Zeit verging aber deswegen nicht schneller.
Die Zeit des Plätzchenbackens kam. Ich bekam eine Schürze meiner Mutter um, wurde auf einen Stuhl gehoben, bekam die Ausstechformen und den bunten Streuzucker anvertraut und los ging die Fabrikation von Buttergebackenem: Vögel und Rehe, Sterne und Herzen, Weihnachtsbäume und Glocken entstanden.
Dann endlich war Heiliger Abend. Wie oft ging der Blick vom Hof aus zum Stubenfenster. Drinnen hinter dem Vorhang war zwar schon Licht, aber das Fenster war immer noch nicht gekippt, dass das Christkind hereinfliegen konnte. Wie es dunkel wurde gingen wir nicht in die Kindermette – die gabs damals im Sortiment der Kirche noch nicht.
Unser Papa packte uns zwei ins Auto und wir besuchten mit ihm noch einmal das Grab unseres verstorbenen Bruders auf dem Friedhof, um für ihn das Weihnachtslicht
anzuzünden. Welch herrliche Ruhe rund um die kleine evangelische Kirche, in deren Vorhalle mich als Kind schon das Fresko der heiligen Notburga faszinierte – ein Kunstwerk aus der katholischen Zeit dieser Dorfkirche.
Durchgefroren und ungeduldig kamen wir heim. Mutter hatte das Stubenfenster geöffnet. Das Christkind war da.
Das Glöckchen klingelte geheimnisvoll. Die Stubentür war offen. Die Stube roch nach frischem Bohnerwachs. Mit glänzenden Augen standen wir vor dem Christbaum mit echten Kerzen und den fein säuberlich aufgehängten silbernen Lamettafäden. Wir standen immer eine Weile still davor und dann stimmten meine Eltern mit ihren schönen Stimmen „Stille Nacht“ an.

Geschenke, die ich nie vergesse

Ein Geschenk aus der frühen Kindheit ist mir besonders in Erinnerung: Es war ein kleiner Dampfer, den mir mein – heuer verstorbener - Cousin Helmut, ein Matrose - geschenkt hatte. Den Dampfer hat man aufziehen müssen, er ist ein paar Meter gefahren und hat dabei Feuer aus dem Schornstein gespuckt. Der wurde an diesem Abend zu Tode gequält.
Ein ersehntes und sofort in Dienst genommenes Geschenk war das schmissige Dreirad, das kurz vor meinem dritten Geburtstag unter dem Weihnachtsbaum stand. Die Schrammen, die ich damit an den Wohnzimmertisch fuhr zeugen bis heute von meinen Rennfahrerqualitäten, die meine Eltern an diesem Heiligen Abend zwar erkannten, aber nicht sehr zu schätzen wussten. Also auch nicht förderten. Mit ein Grund, warum ich hier sitze und nicht im Formel 1 –Circus.
Ein wichtiges Geschenk war der Mantel mit der passenden Kappe, die mir meine Tante Anni für meinen frierenden Teddy im Jahr 1965 strickt hat. Tante Anni war die verrufenste in der Verwandtschaft. Drei Kinder von verschiedenen Männern. Nach der Flucht aus der alten Heimat und der verbotenen Liebe zu einem Slowaken hatte sie irgendwie nie mehr ganz das Gleichgewicht gefunden. Darum war sie wohl auch so aufmerksam und sensibel.
Im Sommer 1965 verließ unsere Familie die kindliche Idylle des oberhessischen Landlebens und wir zogen in die weit entfernte Stadt Reinheim, der Arbeit und unserer Zukunft wegen.
Mein Teddybär vermisste die Kühe und Schweine, die Hühner und Enten, die Schafe, Hasen und Zwerghühner ganz offenbar genauso wie ich. Auch der freie Auslauf und das Mitarbeiten mit dem Vater auf dem Feld waren nicht mehr möglich. Einmal war ich als Vierjähriger stundenlang dem Sämann gefolgt, der händisch die Saat ausstreute. All das gab es in der Stadt nicht und mein Teddybär hatte mir in den abendlichen Gesprächen im Bett anvertraut, dass er friert, ganz furchtbar friert. Meiner Tante Anni hab ich das zuerst erzählt und dem Christkind später geschrieben. Nur etwas zum Anziehen für den Teddy wollte ich haben – nichts für mich persönlich - und so setzte ich ihn in die Stube am Heiligen Abend.
Gott sei Dank legte das Christkind dem kleinen Steiff-Bären einen Strampelanzug an…
und von Tante Anni, die das Frieren meines Teddybär wohl aus der eigenen Lebens- und Verlustgeschichte kannte , von dieser Tante bekam er eine blaue Mütze und einen dunkelblauen Mantel. Nach der Bescherung mussten wir ins Bett und schlafen. Erst mit 9 Jahren durfte ich das erste Mal – als kleiner Ministrant – mit zur Christmette.
Die fand zu meiner Kinderzeit immer um Mitternacht statt und barg ein großes Geheimnis – dass mir jedes Mal mit einem bestimmten heimatlichen Weihnachtslied mit Gänsehaut bewusst wurde:
"Heiligste Nacht! Heiligste Nacht!
Finsternis weichet, es strahlet hienieden
lieblich und prächtig vom Himmel ein Licht.
Engel erscheinen, verkünden den Frieden,
Frieden den Menschen, wer freuet sich nicht?
Kommet, ihr Christen, o kommet geschwind,
Seht da die Hirten, wie eilig sie sind!
Eilt mit nach Davids Stadt!
Den Gott verheißen hat,
Liegt dort als Kind."

Weihnachten spricht von der Würde des Menschen

Ja es ist schon ein Stück Wahrheit dran: Irgendwie sind es diese Erinnerungen,
die ein Leben lang den Zauber der Weihnacht ausmachen.
Vielleicht sind auch Ihnen in diesen Minuten so manche Gedanken an die Kindheit in den Sinn gekommen.
"Ich wünsche Dir, Kinder… die dich vom Schreibtisch holen und segnen!"
wünschte der alte Bischof dem kommenden am Beginn dieses Advents,
Gott hat uns gewürdigt und ist Kind geworden.
Davon hängt unsere Würde ab.
Besonders die Würde der Kleinen und Armen
Wenn wir den Nächsten ebenso würdigen wie Gott uns,
haben wir die Botschaft der Menschwerdung verstanden.
Dann können wir Weihnachten feiern mit allen guten und schweren Erinnerungen
und mit dem Mut und der Gewissheit zur Zukunft.
Unser Blick richtet sich auf das Kind in dieser Nacht -
auf das göttliche Kind in der Krippe – auf alle Kinder dieser Welt -
und auf das verletzliche, suchende, freudige und ängstliche Kind in uns…
Gott ist mit uns!
Frohe, gesegnete Weihnacht!stage

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