Finanzpolitik
Die "Weisung" des Bürgermeisters

Rudi Federspiel und Markus Lassenberger kündigen Aufsichtsbeschwerde gegen Georg Willi an. | Foto: Stadtblatt
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INNSBRUCK. In einem Aktenvermerk wird das Vorgehen von Bürgermeister Georg Willi in seiner Funktion als Finanzreferent als "nicht rechtskonform und äußerst kritisch" beurteilt. "Der Budgetbeschluß vom 22. November 2019 wurde unter Umständen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen von der Koalition herbeigeführt." Die FPÖ Innsbruck sieht einen Amtsmißbrauch von Georg Willi. Eine Aufsichtsbeschwerde beim Land soll Licht ins Dunkel bringen. GR Depaoli fordert eine Verschiebung der Budgetsitzung. "Der Vertrauensbruch gegenüber dem höchsten politischen Gremium ist unfassbar," zeigt sich Julia Seidl, GR NEOS Innsbruck, entsetzt. Bürgermeister Georg Willi antwortet in einer ausführlichen Stellungnahme an die Stadtblatt-Redaktion auf die Vorwürfe: "Es hat keine Weisung gegeben."

Aktenvermerk

Ein Aktenvermerk sorgt für Aufsehen. Auch in den Gemeinderatssitzungen wurde ein Nachtragskreditansuchen in Zusammenhang mit den städtischen Mitarbeiter kritisch hinterfragt. Jetzt wird in einem Aktenvermerk zur Vorbesprechung des gemeinderätlichen Finanzausschusses vom 13. Oktober festgehalten: "Im Rahmen der Vorbesprechung zum Ausschuss für Finanzen, Subventionen und Beteiligungen hat der Vorsitzende GR Stoll zum Tagesordnungspunkt 2.13 Nachtragskredit des Amtes für Personalwesen kritisch hinterfragt, warum innerhalb weniger Monate schon der zweite Nachtrag für Personal in Millionenhöhe (€ 2.390.300.-) gestellt wird. In einer Gesamtschau liegen dann die Personalkosten um rund € 7,7 Mio. über den Werten des Voranschlages 2020, die wir im Budgetgemeinderat beschlossen haben. Er stelle sich berechtigt die Frage, wie das bei einer geordneten Finanzplanung der Personalkosten möglich sei. Der Finanzreferent BGM Willi antwortet und gibt zu, dass es im Amt Personalwesen derzeit große Probleme gebe und sowohl fachlich als auch personell ein Nachholbedarf bestehe. Er setze auf die neue Personalchefin Bonauer diese Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Er bestätigt, dass er im Rahmen der Budgeterstellung zum Voranschlag 2020 den vom Personalamt ermittelten und berechnete Ansatz für die Personalkosten ganz bewusst um EUR 4.000.000.- gekürzt hat, um den Personalamtsleiter anzuspornen diesen Betrag im laufenden Jahr einzusparen. Leider habe sich gezeigt, dass das nicht möglich war und durch die Corona-Krise noch zusätzliche Mitarbeiterinnen eingestellt werden mussten. Deshalb sind die Mehrkosten von insgesamt über EUR 7 Mio. im Nachtragswege zu bedecken."

Kritik

Im Aktenvermerk wird folgende rechtliche und fachliche Beurteilung abgegeben:
"Die vom Finanzreferenten BGM Willi verfügte Budgetkürzung halte ich aus mehreren Gründen für nicht rechtskonform und äußerst kritisch:

  1. Es handelt sich hierbei eindeutig um einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht. Verletzung der Budgetgrundsätze laut Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung wie Vollständigkeit und Gesamtdeckungsprinzip;
  2. Der Budgetbeschluss im Gemeinderat vom 22. November 2019 wurde unter Umständen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen von der Koalition herbeigeführt.
  3. Auch bei der Mittelfristigen Finanzplanung 2020 bis 2024 wurde bereits im ersten Jahr die Berechnungsbasis um E 4.000.000 zu wenig angesetzt und für die Folgejahre hochgerechnet. Das führt auch bei der Budgetierung für 2021 zu erheblichen Problemen und entsprechendem Anpassungsbedarf.

Im Rahmen eines persönlichen Gespräches hat mir der damals amtierende Finanzdirektor Armin Tschurtschenthaler versichert, dass er diese Vorgangsweise auch befremdlich sehe, aber auf Weisung des BGM Willi gehandelt habe."

Aufsichtsbeschwerde

Stadtrat Rudi Federspiel und GR Markus Lassenberger haben den Aktenvermerk und ihre Einschätzungen im Rahmen der Pressekonferenz vorgestellt. "Aus rechtlicher Sicht ist anzuführen, dass Bürgermeister Willi gemäß § 54 Abs. 6 IStR verpflichtet ist den Dienstpostenplan und den Stellenplan dem Voranschlag beizugeben. Aus diesem ergeben sich die Personalstände für das kommende Jahr nach welchem das Budget für das Personal zu erstellen ist (unabhängig COVID-19). Aufgrund dessen ergibt sich klar, dass die Personalkosten für das Jahr 2020 im Voranschlag anzuführen sind (§ 7 Abs. 1 Rechtsvorschrift für Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015)", erklärt Markus Lassenberger die Rechtssituation.

Rücktrittsreif

Weiters kommt hinzu, dass ein Nachtragskredit, genau in diesem Fall, eine missbräuchliche Anwendung wäre. Aus dem Wortlaut des § 61 Abs. 2 IStR, wo klar angeführt ist, dass dieses Instrument auf Fälle beschränkt ist, die aus Erkenntnissen im Lauf des Finanzjahres resultieren, ist abzuleiten, dass es für besagten Fall nicht angewendet werden kann. Bereits am 29.10.2019 war dem Bürgermeister klar, dass ein Finanzierungsdelta von 4,8 Mio Euro besteht und es am Ende des Tages einen Nettomehraufwand von 4 Mio. bedarf, führen die freiheitlichen Politiker weiter aus.  "Ein, wie im Aktenvermerk zur Finanzausschuss-Vorbesprechung festgehaltenen, den zuständigen Dienststellenleiter zu Einsparungen "anspornen" wollen wir nicht gelten lassen, da dies nicht zu den Grundsätzen einer Budgeterstellung gehört und nicht der Rechtslage entspricht. Hierbei kann es sich höchstens um einen Wunsch des Bürgermeisters aber nicht um eine rechtliche Vorgabe handeln", erklärt Stadtrat Rudi Federspiel und fasst zusammen: "Dieses Vorgehen muß geprüft werden, es steht die Frage des Amtsmißbrauch im Raum. Wie lange will die Koalition dieses Vorgehen von Georg Willi noch akzeptieren. Georg Willi ist rücktrittsreif!"

Prüfung

"Willi hat klar gegen den § 7 Abs. 1 der Rechtsvorschrift für Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 des Finanzministers verstoßen da dieser normiert: "Im Voranschlag sind sämtliche im folgenden Finanzjahr zu erwartenden Mittelverwendungen und zu erwartenden Mittelaufbringungen voneinander getrennt und in voller Höhe (brutto) aufzunehmen. Aufgrund dessen werden wir gem. § 75 Abs.1 IStR eine Aufsichtsbeschwerde beim Land einbringen um besagten Fall prüfen zu lassen. Es wird überdies interessant sein ob es sich  um einen strafrechtlichen Tatbestand handelt", informieren Federspiel und Lassenberger über die weiteren Schritte.

Enzsetzen

Die NEOS Innsbruck sind entsetzt über die Vorgehensweise des Bürgermeisters bei der Budgeterstellung 2020. "Sollten dem Gemeinderat unrealistische, fiktive, falsche Budgetzahlen beim Personal vorgelegt worden sein, handelt es sich meiner Meinung nach um eine grobe Täuschung des Gemeinderats! Der Vertrauensbruch gegenüber dem höchsten politischen Gremium ist unfassbar," zeigt sich Seidl Julia, GRin NEOS Innsbruck entsetzt, über die Vorgänge rund um die Budgeterstellung 2020.

Nicht tragbar

"Man kann Bürgermeister Willi durch die dokumentierte Aktennotiz als Rückmeldung auf die Weisung zumindest eine 'Bestimmung oder Auftrag zum Amtsmissbrauch bzw. eine Aufforderung zur Pflichtverletzung' an die ausführenden Mitarbeiter unterstellen. Diese mussten offensichtlich falschen Personalkosten eintragen. Laut Berechnungen der Personalabteilung wären die laufenden Kosten mehr als 4 Mio € höher gewesen! So etwas dann auch noch in der Finanzausschusssitzung zu verteidigen, ist ein Zeichen für totale Ahnungslosigkeit über die Arbeit als Bürgermeister und der geltenden Gesetze," ist Seidl Julia erschüttert, "derartiges Vorgehen ist für die Würdes des Amtes nicht tragbar - Bgm. Willi soll sich überlegen, ob er für dieses Amt wirklich geeignet ist!"

Aufsichtsbesschwerde

"Das Budget für Personal ist eine der am besten berechenbaren Zahlen im Rahmen einer Budgeterstellung. Es gibt einen Dienstpostenplan, es gibt Gehälter, Vorrückungen etc. das ist alles sehr genau berechenbar. Beim Personal kann man nicht einfach mit dem Rotstift 5 % kürzen! Ich weiß nicht, wie sich der Bürgermeister das vorstellt?! Mitarbeiter einfach kündigen? Vermutlich sind ihm Abläufe im Magistrat, im Dienst- und Arbeitsrecht völlig fremd," kritisiert Seidl das Stadtoberhaupt. "Dem Gemeinderat ist ein realistisches Budget vorzulegen - da ist die VRV Verordnung eindeutig! Nicht irgendwelche Phantasiezahlen, die man gerne hätte. Dass es durch die Vorlage von geschönten Zahlen zu Nachtragskrediten kommen wird müssen, überrascht mich daher nicht . Eine Stadt zu führen, ist doch keine Lehrhof für Azubis! Ich bin wirklich fassungslos. Damit bewegt sich Bürgermeister Willi auf verdammt dünnem Eis und eine Aufsichtsbeschwerde unterstützen wird zu 100% - die solle alle damit verbundenen möglichen Gesetzesverstöße und Folgen prüfen," findet Seidl scharfe Worte für den Bürgermeister. "Für mein Dafürhalten handelt es sich eindeutig um eine Bruch des IBK Stadtrechts §50 indem die Verordnung zur VRV nicht eingehalten wurde. Das muss vom Land Tirol eingehend geprüft und Konsequenzen gefordert werden," fordert Seidl eine rasche Prüfung durch die Gemeindeaufsicht.

Verschiebung

„Als erste Konsequenz dieses offensichtlich möglicherweise bewusst herbeigeführten Finanzskandals durch Georg Willi fordert das Gerechte Innsbruck die Verschiebung der für November angesetzten Budgetsitzung des Innsbrucker Gemeinderates auf den Dezember, um den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten die zeitliche Möglichkeit zu geben, den Budgetvoranschlag 2021 auf mögliche weitere Budgetschwindeleien durch den Bürgermeister und Finanzreferenten Georg Willi der Stadt Innsbruck überprüfen zu können!“, so GR Gerald Depaoli, welcher daran erinnert, dass die Budgetsitzung des Innsbrucker Gemeinderates 2018 noch im Dezember stattgefunden hat, und seltsamerweise das vermeintliche „Schwindelbudget 2020“ des Georg Willi im Jahr 2019 bereits im November des Vorjahres verhandelt wurde.

Reaktion Bgm. Willi

"Im Jahr 2019 hat die Stadt für aktives Personal 89 Mio. €, für Pensionen 34 Mio. € ausgegeben – also in Summe 123 Mio. € für Personal. Das sind rund 30 % des Budgets. Tendenz stark steigend. Es ist also ein Gebot der Stunde, auch beim Personal kostendämpfende Maßnahme zu setzen.
Die zusätzliche Anmeldung des Personalamtes von 4 Mio. kam erst am 29. Oktober 2019 (!), also 3 Wochen vor dem Budgetgemeinderat. Um auch im Personalbereich den Spardruck aufrechtzuerhalten, habe ich in Abstimmung mit dem früheren Finanzdirektor den Personalamtsleiter ersucht, alles zu unternehmen, um ohne diese 4 Mio. € auszukommen. Es wurde laut Aktenvermerk vereinbart, dass ein tatsächlicher Mehraufwand bis zum Sommer 2020 als überplanmäßige Ausgabe einzureichen sei", schildert Bürgermeister Georg Willi in einer Stellungnahme an die Stadtblatt-Redaktion den Vorgang.

Zu den Vorwürfen

Zum Vorwurf, die angesprochene Budgetkürzung sei nicht rechtskonform gewesen:
Es handelte sich hier nicht um eine Budgetkürzung, sondern eine sehr späte Anmeldung seitens des Personalamts (siehe oben), der ich nicht mehr stattgegeben habe, um den Spardruck auch beim Personalbudget aufrecht zu erhalten.
Zum Vorwurf, man habe Beamten per Weisung untersagt, die Summe ins Budget aufzunehmen:
Es hat keine Weisung gegeben, es wurde lediglich – in Absprache mit dem damaligen FD – dem Wunsch des Personalamts nicht stattgegeben.
Zum Vorwurf, der dann notwendige Nachtragskredit sei missbräuchlich:
Siehe oben und: Nachtragskredite werden im Rahmen jedes Budgets und jedes Jahr notwendig. In diesem Fall wurde er notwendig, weil das Amt das Sparziel nicht erreicht hat.

"Wenn die FPÖ meint, mich anpatzen zu müssen, dann gehört das leider zum politischen Spiel – oder besser zum politischen Spiel der FPÖ. Aber ich verwehre mich entschieden dagegen, dass Mitarbeiter des Magistrats – egal aus welcher Abteilung – in der Öffentlichkeit derart behandelt werden. Das ist einfach nur letztklassig",
hält Bürgermeister Georg Willi abschließend fest.

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