Faktencheck Stadtrechts-Novelle
Pflegeurlaub, Mitbestimung, Petitionen, Stadtrechnungshof

Der Landtag entscheidet nach jahrelangen Diskussionen über das Stadtrecht der Stadt Innsbruck. | Foto: BezirksBlätter
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Der Tiroler Landtag beschäftigt sich mit der Novelle zum Innsbrucker Stadtrecht. Damit geht eine jahrelange Diskussion in die Endphase. Die BezirksBlätter werfen einen Blick auf die geplante Änderungen im Gesetz.

INNSBRUCK. Das Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck von 1975 markiert einen wichtigen Meilenstein in der rechtlichen Entwicklung der Stadt. Es regelt eine Vielzahl von Angelegenheiten, darunter die städtische Verwaltung, die Rechte und Pflichten der Bürger, die kommunale Infrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklung. Es legt die Strukturen und Kompetenzen der städtischen Organe fest, darunter der Gemeinderat und der Bürgermeister, und definiert ihre Aufgaben und Zuständigkeiten. Die Ursprünge des Innsbrucker Stadtrechts reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, als die Stadt unter der Herrschaft der Grafen von Tirol stand. Im 15. Jahrhundert wurde das Innsbrucker Stadtrecht erstmals schriftlich festgehalten und kodifiziert. Die politischen Verantwortlichen haben sieben Jahre an der vorliegenden Novelle gearbeitet.

Demokratie

Durch die Abschaffung der Stadtteilausschüsse steht die Frage der demokratischen Mitbestimmung im neuen Stadtrecht im Fokus. Im Abschnitt "Volksbefragung, Bürgerinitiative, und Petitionen und dialogorientierte Bürgerbeteiligung" gibt es daher eine Vielzahl an Änderungen und Neuerungen. So kann jeder wahlberechtigter Gemeindebürger einen Antrag für eine Bürgerinitiative in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, die in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallen und nicht im § 43 Abs. 4 aufgezählt sind, einbringen. Der Antrag muss von mindestens so vielen wahlberechtigten Gemeindebürgern unterschrieben sein, als es der Wahlzahl nach § 73 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 bei der letzten Wahl des Gemeinderates entspricht. Ursprünglich wollten die Stadtverantwortlichen ein deutlich niedere Anzahl an Unterschriften für einen Antrag verankern. Haben sich der Bürgerinitiative innerhalb der vierwöchigen Frist nicht so viele wahlberechtigte Gemeindebürger angeschlossen als es der fünffachen Wahlzahl nach § 73 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 bei der letzten Wahl des Gemeinderates entspricht (geplant waren 2.000 Unterschriften), so hat der Bürgermeister binnen zwei Wochen die Bürgerinitiative unter Hinweis auf diesen Umstand mit schriftlichem Bescheid abzuweisen. 

Verfassungsbedenken

Aus verfassungsrechtlichen Gründen werden wesentliche Änderungen im Bereich der Bindungswirkung der Volksbefragung und der Abstimmung über die Bürgerinitiative vorgeschlagen: Teile im § 47 Abs. 4 und der gesamten § 48 Abs. 3 sollen ersatzlos gestrichen werden. Es "handelt sich tatsächlich um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Konzeption, welche die dem demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung innewohnende Bedeutung der repräsentativen Demokratie nicht hinreichend wahren dürfte". Der betroffene Abschnitt im § 47, Abs 4. lautet: "„Ist die der Volksbefragung zugrunde gelegte Frage von mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten gültig bejaht bzw. verneint worden, so hat der Gemeinderat in dieser Sitzung die zur Herstellung eines diesem Votum entsprechenden Rechtszustandes erforderlichen Beschlüsse zu fassen bzw. in die Wege zu leiten. Kommt der Gemeinderat dieser Verpflichtung in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der  Landesvollziehung nicht oder nicht in vollem Umfang nach, so hat die Landesregierung die Auflösung des Gemeinderates zu verfügen und es ist binnen drei Monaten eine Neuwahl durchzuführen. Das Ergebnis der betreffenden Volksbefragung bindet den neugewählten Gemeinderat nicht mehr. Für den Fall der Auflösung des Gemeinderates gelten die Bestimmungen des § 82 sinngemäß." § 48 Abs 3. lautet: "Hat eine Bürgerinitiative gültig die Unterstützung von mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten erreicht, so hat der Gemeinderat in dieser Sitzung (Abs. 2) die zur Herstellung eines diesem Votum entsprechenden Rechtszustandes erforderlichen Beschlüsse zu fassen bzw. in die Wege zu leiten. Für den Fall, daß der Gemeinderat dieser Verpflichtung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, gilt § 47 Abs. 4 sinngemäß."

Die Stadtrechts-Novelle bringt zahlreiche Änderungen. | Foto: Kubanda
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Petitionen

Eine neue Mitbestimmungsmöglichkeit sind Petitionen, die bestimmte Kriterien erfüllen und insbesondere von einer signifikanten Anzahl von wahlberechtigten Gemeinderatsmitgliedern unterstützt werden (mindestens so viele wie die Wahlzahl bei der letzten Gemeinderatswahl), spätestens in der übernächsten Sitzung des Gemeinderats nach ihrer Einbringung behandelt werden können. Solche unterstützten Petitionen sollen im Gemeinderat wie Anträge eines Mitglieds behandelt werden. Ursprünglich plante die Stadt, Petitionen bereits ab der Hälfte der Wahlzahl zuzulassen.

Aktuelles aus der Stadtpolitik im Polit-Ticker der BezirksBlätter

Neue Bestimmungen

Die Kontrollabteilung soll in Stadtrechnungshof umbenannt werden, dies erfordert zahlreiche terminologische Anpassungen. Der Abschnitt soll ergänzt werden, ergänzt werden, dass der Bürgermeister, die Bürgermeister-Stellvertreter sowie die amtsführenden Stadträte dem Kontrollausschuss weder als Mitglied noch als Ersatzmitglied angehören können. Die Bestimmung "Jede Katastralgemeinde bildet einen Stadtteil." wird aus dem Gesetz genommen. Über die Führung des Stadtwappens entscheidet künftig der Stadtsenat und nicht mehr der Gemeinderat. Neu eingeführt wird der Passus: "Unter Führung des Stadtwappens im Sinn dieses Gesetzes ist jeder Gebrauch des Stadtwappens in einer Weise zu verstehen, die geeignet ist, den Eindruck einer öffentlichen Stellung, Berechtigung oder Auszeichnung zu erwecken." Geändert wird die Bestimmung zur Auflösung des Gemeinderates: Der Gemeinderat bei Anwesenheit kann von mindestens (bisher drei Vierteln) jetzt neu mit zwei Dritteln seiner Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder seine Auflösung beschließen (Selbstauflösung). Nicht geändert wird die Anzahl der Stadtsenatsmitglieder von mindestens sieben und höchsten neun Mitgliedern. Das Misstrauensvotum gegenüber dem Bürgermeister wird geändert: "Das Misstrauensvotum kommt nur über schriftlichen, begründeten Antrag von wenigstens einem Viertel der Mitglieder des Gemeinderates zustande, wenn diesem Antrag bei Anwesenheit von mindestens (bisher drei Vierteln) neu zwei Dritteln seiner Mitglieder eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder zustimmt." Zum Thema Störung der Gemeinderatssitzung wird neu festgelegt: "Wird die Beratung des Gemeinderates von den Zuhörern gestört, so kann der Bürgermeister die Ruhestörer nach vorheriger erfolgloser Ermahnung aus dem Sitzungssaal entfernen oder den Zuhörerraum räumen lassen. Falls andauernde Störungen eine geordnete Beratung unmöglich machen, kann der Bürgermeister die Sitzung auf bestimmte Zeit unterbrechen oder schließen." Kleine Änderungen gibt es zur Aktuellen Stunden und zur Abhaltung von Enqueten sowie zur Beschlussfähigkeit: "Ist der Gemeinderat bei einem Tagesordnungspunkt nicht beschlussfähig, so ist dieser Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung zu setzen." Die gleiche Vorgangsweise gibt es auch im Stadtsenat: "Ist der Stadtsenat bei einem Tagesordnungspunkt nicht beschlussfähig, so ist dieser Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung der nächsten Stadtsenatssitzung zu setzen." Neu geregelt wird der Umgang mit unerledigten Anträgen nach einer Periode. Zum Thema Akteneinsicht wird im Stadtrecht neu aufgenommen: "Jeder Klub kann zur Unterstützung der Gemeinderatsmitglieder Personen namhaft machen, die in die Geschäftsstücke, die aufgrund der bekanntgegebenen Tagesordnung dem Gemeinderat, dem Stadtsenat oder einem Ausschuss vorliegen, Einsicht nehmen dürfen. Diese Personen müssen bei einem Klub des Gemeinderates beschäftigt sein. Die Personen sind dem Bürgermeister bekannt zu geben. Diese Personen haben entsprechende Verschwiegenheitserklärungen zu unterfertigen." Die Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern bei Abstimmungen wird ausführlich, analog dem Landesgesetz, definiert. Die Genehmigung von Sonderverträgen für Vertragsbedienstete wird künftig im Stadtsenat getroffen. "Die Geschäftseinteilung sowie die Geschäftsordnung ist auf Antrag des Bürgermeisters durch den Stadtsenat zu beschließen. Abweichend davon ist es auf schriftlichen, begründeten Antrag zweier Mitglieder des Stadtsenates möglich, eine Änderung der Geschäftseinteilung sowie der Geschäftsordnung zu beantragen, welche im darauffolgenden Gemeinderat, in nicht öffentlicher Sitzung, zu behandeln ist. Ein solcher Antrag ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Gemeinderates zu beschließen." Für die Fassung von Beschlüssen im Hinblick auf Änderungsvorschläge betreffend das Innsbrucker Stadtrecht 1975 an die Landesregierung soll künftig die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der  Gemeinderatsmitglieder ausreichend sein.

"Pflegeurlaub"

Mit einem eigenen Paragrafen wird das Thema Geburt und Adoption sowie die Pflege nachstehende Personen geregelt.
§ 16b
Vorübergehender Verzicht auf die Ausübung des Mandates aus bestimmten Gründen
(1) Ein Gemeinderatsmitglied kann aus Anlass der Geburt oder Adoption eines Kindes vorübergehend auf die Ausübung des Mandates zur Betreuung dieses Kindes verzichten:
a) ein Gemeinderatsmitglied, das ein Kind erwartet, für einen Zeitraum von frühestens acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung und wenn es mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, bis längstens zum Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes,
b) ein Gemeinderatsmitglied für den Zeitraum von der Geburt bis zum Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes, wenn es mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt und der andere Elternteil nicht gleichzeitig Karenzurlaub in Anspruch nimmt,
c) ein Gemeinderatsmitglied für den Zeitraum von der Adoption eines Kindes bis zum Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes, wenn das Gemeinderatsmitglied mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt und der andere Elternteil nicht gleichzeitig Karenzurlaub in Anspruch nimmt.
(2) Ein Gemeinderatsmitglied kann für die Dauer von höchstens zwölf Monaten zur Pflege von nahestehenden Personen vorübergehend auf die Ausübung des Mandates verzichten.

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