Tirol und die EU
"Tirol ist laut und das ist gut so."

Landtagsvizepräsidentin und Tirols EU-Spitzenkandidatin Sophia Kircher und Bundesministerin Karoline Edtstadler zu Besuch bei den BezirksBlättern. | Foto: BezirksBlätter
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Reformbedarf, Transitproblem, Erfolge und die EU-Wahl. Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler und Landtagsvizepräsidentin und Tiroler Spitzenkandidatin für die EU-Wahl Sophia Kircher im BezirksBlätter-Interview zur EU und Tirol.

INNSBRUCK. Am 12. Juni 1994 fand die Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union statt. Der Beschluss des Beitrittsvertrages durch den Nationalrat fand am 11.11. und Zustimmung des Bundesrates am 17.11. statt. Der EU-Beitritt Österreichs erfolgte am 1.1.1995. Am 9. Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt.

Das Stimmungsbild

EU-Ministerin Karoline Edtstadler blickt auf die Stimmung in Österreich zur Europäischen Union: „Wenn man dem Eurobarometer glaubt, dann ist die Stimmung der Österreicher gegenüber der Europäischen Union relativ kritisch. Genau deshalb ist es ja so wichtig, jetzt, wenige Monate vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, auch für die Europäische Union zu werben, die Menschen zu involvieren, einzubinden und auch zu betonen, welche Vorteile diese Europäische Union uns allen bereits gebracht hat. Oft nehmen wir diese Vorteile als selbstverständlich hin. Nachdem wir jetzt ein extrem starkes, auch junges Team für die Wahlen zum Europäischen Parlament haben, freue ich mich ganz besonders, dass ich hier auch Sophia Kircher unterstützen kann.Es ist wichtig, den weiblichen und männlichen Blick auf die Dinge zu haben. Es geht um eine Richtungsentscheidung, wie es in der Europäischen Union weitergeht.“  Landtagsvizepräsidentin Sophia Kircher über die Stimmung in Tirol: „Tirol ist definitiv einigen Themen belastet, die nur auf europäischer Ebene gelöst werden können, wie beispielsweise das Thema Transitverkehr. Da bringen wir uns auf europäischer Ebene ein. Ich bin der Meinung, dass die Vorteile der EU überwiegen, das erleben wir auch in Tirol. Und darum gilt es, die Zukunft der Europäischen Union jetzt und aktiv zu gestalten.“

Lösungen für Krisen

Österreich habe markant dazu beigetragen, für Krisen innerhalb der Europäischen Union Lösungen anzubieten und aktiv zu gestalten, ist Edtstadler überzeugt. Ein Beispiel ist die Bekämpfung der illegalen Migration: „Ja, das war ein Aufschrei beim Schengen-Veto, der durch die Europäische Union gegangen ist. Aber wir haben es geschafft, auch klarzumachen, warum es das braucht, um auch das Thema illegale Migration wieder ganz oben auf die Tagesordnung zu bringen“, erinnert sie an einen langen Diskussionsprozess. „Beim Thema Transit muss man ganz offen sagen: Es ist nicht zielführend, wenn von italienischer Seite auf eine Klage hingearbeitet wird“, geht die Ministerin auf ein aktuelles Tiroler Problem ein.

"Wir stehen hier ganz klar hinter Tirol, auch weil es eine Belastung ist, die die Menschen hier vor Ort trifft. Und das ist nicht etwas, was sich jetzt gerade in den letzten Wochen oder Monaten herauskristallisiert hat, sondern schon sehr lange. Die Europäische Union kann nicht funktionieren, in dem jeder nur seine Partikularinteressen durchsetzen will. Ich setze trotzdem auf den Dialog, auf das Aufzeigen der Problemfelder um hoffentlich auch Lösungen zu finden, bis dann der Brenner Basistunnel verwirklicht ist.

Der Landeshauptmann geht den konstruktiven Weg mit Gesprächen, und ich glaube, das ist unser Weg. Denn wir, das Land Tirol und die Bundesregierung, führen Gespräche, bis wir eine Lösung für die Menschen in unserem Land haben. Und wenn jemand glaubt, sie müssten klagen, dann werden wir mit Gesprächen antworten.“

Faszination Europa

„Ich bin im gleichen Jahr geboren, in dem die Abstimmung zum EU-Beitritt stattfand. Ich war aber schon immer fasziniert von den Vorteilen, die uns Europa bietet“, erklärt Tirols Spitzenkandidatin Sophia Kircher.

„Persönlich finde ich es bedauerlich, dass die Kritik an der Europäischen Union momentan so stark ist. Diese Kritik ist zwar zum Teil berechtigt, und es besteht Reformbedarf, aber ich bin davon überzeugt, dass es gerade uns jungen Menschen liegt, die Europäische Union dorthin zu bringen, wo wir sie auch sehen wollen: als ein Projekt, das einen Leuchtturmcharakter in der ganzen Welt hat und uns Frieden sichert. Ich glaube, dass dies gerade in Zeiten wie diesen von existenzieller Bedeutung ist.“

Karoline Edtstadler über die junge Kandidatin: „Sophia Kircher ist für mich ein Paradebeispiel. Sie zeigt, dass man Herausforderungen annehmen und Ja sagen kann, auch wenn man sich in ungewohnten Situationen befindet. Das sollte ein Zeichen für junge Menschen und insbesondere jungen Frauen in Österreich sein, dass sie große Ziele erreichen können, wenn sie sich engagieren. Ich unterstütze Sophia voll und ganz."

Florian Haun und Georg Herrmann (BezirksBlätter Redakteure) im Gespräch mit BM Karoline Edtstadler und LTVp. Sophia Kircher. | Foto: BezirksBlätter
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Tirols Stellenwert

„Barbara Thaler ist eine sehr ernst genommene Stimme, und genau auf solche starken Stimmen kommt es an. Dass man nicht auf Brüssel schimpft, weil das die leichtere Variante ist, sondern dass man einfach einen direkten Draht hat und ernst genommen wird“, betont Kircher. „Wir sehen uns als verlässlicher Partner innerhalb der Europäischen Union. Wir sind Vorreiter in manchen Bereichen. Wir haben getreu dem Motto: Europa fängt in der Gemeinde an, die Europa-Gemeinderäte etabliert. Über 1.600 in ganz Österreich dienen als Brücke von dem angeblich weit entfernten Brüssel und Straßburg hin zur Gemeindeebene, wo die Leute Probleme haben und auch von der Europäischen Union Antworten erwarten. Und insofern wird Tirol ganz sicher gehört“, erklärt die Ministerin.

Über die persönliche Sicht

Meine erste Erinnerung an die Europäische Union ist eigentlich der Beitritt Österreichs, während meiner Schulzeit in der Mittelschule. Wir haben uns extrem gefreut, dass plötzlich möglich war, die Fremdsprache, für die wir uns mühsam auf der Schulbank gearbeitet haben, einfach ausprobieren zu können, ebenso Programme wie Erasmus machen zu können. Ich bin in Salzburg aufgewachsen, mit einer Grenze, wo auch streng kontrolliert wurde. Wir sind mit den Großeltern dort einkaufen gegangen, wo aber immer die Sorge bestand: Hat die Oma vielleicht zu viel eingekauft und werden wir jetzt an der Grenze verhaftet? Das sind so Kindheitserinnerungen“, blickt Karoline Edtstadler zurück. Für die EU-Ministerin ist die EU das größte Friedensprojekt aller Zeiten.

„Wir müssen uns vor Gefahren schützen, die man nicht erwartet hätte, dass sie noch im 20. Jahrhundert gibt. Und deshalb ist mein Appell wirklich, zur Wahl zu gehen, von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen, zu zeigen, dass man verstanden hat, worum es geht."

Die EU-Ministerin wird die Bedeutung der EU mit der Kampagne 100 Fakten über die Europäische Union unterstreichen. Sophia Kircher ist mit der EU aufgewachsen. „Ich bin mit all diesen Vorteilen aufgewachsen und habe während einem Auslandsjahr im Rahmen des Studiums in Nordamerika erkannt, welche Vorzüge die EU bietet und wie selbstverständlich sie für uns sind. Als ich in der Nähe von Toronto war, wurde mir bewusst, dass man innerhalb weniger Kilometer eine Reise-Registrierung benötigt, um in die USA zu gelangen, während wir in der EU solche Einschränkungen nicht haben.

Die Freiheit, ungehindert zu reisen, ist etwas, das wir als selbstverständlich ansehen. Und diese Freiheit gibt es innerhalb der EU auch in vielen anderen Bereichen."  

Das Dossier von MeinBezirk zur EU Wahl 2024 finden Sie hier

Reformbedarf

„Wir haben noch nicht alle Themen gelöst, die wir lösen müssen. Bei einigen Themen gibt es Lösungen, die aus unserer Sicht einfach unzureichend sind. Stichwort Lieferkettengesetz. Die große Herausforderung für die nächsten Jahre wird sein, eine geopolitische Sichtweise zu etablieren. Als Europäische Union müssen wir uns als globaler Player, insbesondere im Hinblick auf China, die USA, Indien und Saudi-Arabien positionieren. Dies birgt viele Herausforderungen, einschließlich der Notwendigkeit, interne Strukturen zu reformieren. Wenn wir von einer erweiterten Europäischen Union mit 33 Mitgliedern sprechen, einschließlich des Westbalkans sowie Ländern wie Georgien, der Ukraine und der Republik Moldau, sind Reformen erforderlich. Solche Prozesse dauern in der Regel etwa zehn Jahre, wie uns die Geschichte lehrt. Es ist höchste Zeit, damit zu beginnen, so die Europaministerin. “Ich glaube, dass es entscheidend ist, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Europa wieder an die Spitze zu bringen. Wir haben eine hervorragende Wissenschaft in Tirol und Österreich, die Wissenschaft, Forschung und Innovation können wir sehr gut für den Wirtschaftsstandort Europa nutzen“, blickt Kircher abschließend in die Zukunft.

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