Über den Tellerrand schauen
"Innsbruck muss kontroverse Diskussionen führen"

Bürgermeisterkandidat Florian Tursky und Bundesminister Martin Kocher | Foto: BezirksBlätter
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Im BezirksBlätter-Interview mit Bundesminister Martin Kocher und Bürgermeisterkandidat Florian Tursky ging es unter anderem um die Themen Tourismus, Fachkräftemangel, Wohnbau und die Zukunft des Hofgarten-Cafés. 

INNSBRUCK. Vor kurzem waren Bundesminister Martin Kocher und Bürgermeisterkandidat Florian Tursky zu Besuch in der BezirksBlätter-Redaktion. Dabei wurde über die Themen Tourismus, Fachkräftemangel, Wohnbau und das Hofgarten-Café diskutiert. Ziel: Fachkräfte ausbilden und anziehen, Qualitätstourismus fördern, Wohnungspreise stabilisieren und Jugendangebote schaffen.

"Ich habe über zehn Jahre in Innsbruck gelebt und festgestellt, dass sich die Stadt ständig weiterentwickelt hat. Einige Dinge, die damals kontrovers diskutiert wurden, sind heute völlig akzeptiert", erzählt BM Martin Kocher (links) beim Interview. | Foto: BezirksBlätter
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BEZIRKSBLÄTTER Innsbruck:Herr Minister, welche Bedeutung haben die Veränderungen und Verbesserungen der Rot-Weiß-Rot-Karte für den Arbeitsmarkt?

BUNDESMINISTER MARTIN KOCHER: Wir haben die Rot-Weiß-Rot-Karte im Herbst 2022 reformiert und haben gesehen, dass die Ziele – eine Beschleunigung des Verfahrens und ein leichterer Zugang – seit der Reform gut erreicht wurden. Im ersten Jahr konnte eine Steigerung bei den ausgestellten Rot-Weiß-Rot-Karten von fast 50 % erzielt werden. Aber es gibt immer Verbesserungspotential, vor allem bei den Abläufen. Deshalb veranstalteten wir vor kurzem den ersten Strategieausschuss zu internationalen Fachkräften, dabei ging es darum zu schauen: Wie schaffen wir es, noch schneller zu werden – Ziel ist es in einem Jahr die Dauer der Verfahren beim AMS um die Hälfte zu reduzieren und die Zahl der Karten in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Es geht neben der Hebung des inländischen Potenzials auch darum, qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten nach Österreich zu bringen.

FLORIAN TURSKY: Für die Digitalisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte haben wir eng zusammengearbeitet, weil das natürlich ein großer Faktor für die Barrierefreiheit und die Attraktivität der Karte ist. Für Innsbruck und Tirol im Speziellen sind zwei Bereiche relevant, einerseits die Pflegeberufe und auf der anderen Seite touristische Fachkräfte. 

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass der Tourismus in Tirol bei der Bevölkerung nicht allzu beliebt ist?

FLORIAN TURSKY: Am deutlichsten hat man das bei der Befragung zum Thema olympische Winterspiele 2026 im Jahre 2017 gesehen: Viele haben sich klar gegen eine derartige mit touristischer Außenwirkung verbundenen Großveranstaltung ausgesprochen. Tourismus ist ein unglaublich wichtiger Wirtschaftsfaktor. Was uns wieder mehr gelingen muss, ist qualitätsvollen Tourismus vor allem auch in Innsbruck anzuziehen, um den Menschen zu zeigen, wie stark die Möglichkeiten der Wertschöpfung durch den Tourismus im urbanen Raum sind und welche Infrastruktur es nicht gäbe ohne den Tourismus. Wir haben in Innsbruck im Vergleich zu anderen Städten internationale Marken nicht mehr vertreten und kein 5-Stern-Haus mehr und das zeigt, dass wir beim Qualitätstourismus abgenommen haben. Auch die Flughafensituation ist zu erwähnen: Wenn alles eintrifft, haben wir möglicherweise bald nur mehr zwei Linienflüge pro Tag. Das wäre für den Tourismus und insbesondere für den Kongresstourismus eine Katastrophe. 

BM MARTIN KOCHER: Ich darf ergänzen, dass die Tourismusakzeptanz in Österreich generell hoch ist und die Unterschiede zwischen den Bundesländern gering sind. Und Tirol das Land war, wo die Akzeptanz kürzlich gestiegen ist. Beim Tourismusforum in Wien wurde ein neues österreichweites Förderprogramm vorgestellt, bei dem es darum geht, Touristenströme zu entzerren und Konzepte zu entwickeln, damit Tourismus akzeptiert wird. 

Bei dem Thema Hofgarten-Cafe waren sich Tursky und Kocher einig: Es muss etwas getan werden, und zwar möglichst schnell. | Foto: BezirksBlätter
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Stichwort Hofgarten und Hofgarten Café: Gibt es Neuigkeiten zu dieser Thematik?

BM MARTIN KOCHER: Meines Wissens gibt es Planungen für den Aufbau des Hofgarten-Cafés. Mir ist es wichtig, dass das jetzt rasch passiert, denn lange Verzögerungen wären nicht gut. Soweit ich weiß, sind die Pläne aber auf Schiene und es geht darum, ein gutes Angebot zu schaffen. Und ich glaube da sind wir beide uns einig, dass ein breites Angebot geschaffen werden muss, das auch junge Menschen mit einschließt. Wir sind mit der zuständigen Burghauptmannschaft in gutem Austausch. 

FLORIAN TURSKY: Wir müssen wieder Räume für die Jugend schaffen. Unser Plan ist im Oberhammer-Areal einen neuen Hafen für Innsbruck entstehen zu lassen und wir freuen uns alle darauf, wenn der Hofgarten wieder das Hofgarten-Café bekommt und ich arbeite sehr in diese Richtung, dass es auch am Abend etwas länger geöffnet hat, damit nicht nur das Café-Trinken und Kuchen-Essen am Nachmittag im Fokus steht, sondern dass das Areal auch Abends bespielt werden kann.  

Herr Minister, sie haben ja eine Zeit lang in Innsbruck gelebt. Wie sehr hat sich Innsbruck seit Ihrer Zeit an der Universität verändert?

BM MARTIN KOCHER: Natürlich ist Innsbruck gewachsen, und die Infrastruktur wurde verbessert, insbesondere der öffentliche Verkehr. Ich habe über zehn Jahre in Innsbruck gelebt und festgestellt, dass sich die Stadt ständig weiterentwickelt hat. Einige Dinge, die damals kontrovers diskutiert wurden, sind heute völlig akzeptiert. Es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch visionäre Ideen umzusetzen. Das erfordert eine gute Politik, und ich bin überzeugt, dass dafür Florian Tursky der Richtige ist.

FLORIAN TURSKY: Innsbruck muss wieder kontroverse Diskussionen führen, wie es früher der Fall war. Damals gab es harte Diskussionen, es wurden Entscheidungen getroffen, mit denen nicht immer alle einverstanden waren, die schlussendlich aber für die Stadtentwicklung wichtig waren. Es wird nicht immer Einigkeit herrschen, aber wir müssen handeln, um die Stadt weiterzuentwickeln. Innsbruck sollte wieder mehr Weltstadt werden, wie es Hilde Zach damals gesagt hat.

Wo sind die Jobaussichten besser: Mit einer Lehre oder einem Studium?

BM MARTIN KOCHER: Ich denke, es ist wichtig, dass jede oder jeder den Bildungsweg wählt, der am besten zu ihr oder ihm passt. Ich unterstütze Menschen, die sich für eine Lehre entscheiden, aber auch danach weiter qualifizieren möchten. Wir haben mit der höheren beruflichen Bildung kürzlich ein großes Paket beschlossen, das Weiterqualifizierungsmöglichkeiten nach der Lehre bietet. Es ist wichtig sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen über den Pflichtschulabschluss hinauskommen, unabhängig von der gewählten Ausbildungsrichtung. Die Arbeitslosenquote unter den Personen, die nur den Pflichtschulabschluss haben, ist dreimal so hoch wie die unter denjenigen, die eine Lehre oder eine andere Ausbildung absolviert haben. Daher ist Bildung von entscheidender Bedeutung, unabhängig von der Form.

FLORIAN TURSKY: Ich möchte betonen, dass es wichtig ist, dass jeder den Bildungsweg wählen sollte, der seinen Interessen entspricht. Jeder sollte das tun, wofür er sich am meisten begeistert, sei es eine Lehre oder ein Studium. Es ist fantastisch, dass es so viele Möglichkeiten gibt, sich weiterzuentwickeln, sei es in der beruflichen Ausbildung oder auf akademischer Ebene. Wir müssen sicherstellen, dass den Menschen alle Chancen aufgezeigt werden, und gleichzeitig müssen wir die Bedeutung von Handwerk und beruflicher Bildung betonen. Wir werden in Zukunft in vielen Bereichen mehr Fachkräfte brauchen, zum Beispiel im Bereich der Cybersicherheit.

Es besteht hoher Bedarf an Fachkräften für die sogenannten MINT-Fächer. Hängt der Fachkräftemangel mit dem Ausbildungsangebot zusammen oder mit dem fehlenden Interesse für diesen Bereich?

BM MARTIN KOCHER: Da spielt sicher beides eine Rolle. Es bedarf noch viel Anstrengung, dass vor allem junge Mädchen sich für diesen Bereich entscheiden – oft ist das Interesse vorhanden, Eltern und Lehrpersonen sollten das Interesse aber auch unterstützen. Es geht natürlich auch um die Schulen und zum Beispiel die HTL ist ein einzigartiges Ausbildungsangebot, das es sonst in dieser Form nirgendwo auf der Welt gibt. Je mehr HTLs es gibt, desto mehr qualitativ hochwertige Fachkräfte werden ausgebildet. Dabei gilt es mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, da die Nachfrage sehr groß ist.

FLORIAN TURSKY: Die HTLs in Innsbruck gehen einen fantastischen Weg vor allem im Bereich der Digitalisierung. Dort werden die dringend benötigten Fachkräfte für die Zukunft ausgebildet, die danach die besten Jobmöglichkeiten haben.

Zum Thema Bauwirtschaft: Welche Rolle spielt der Wohnbau in Tirol und Innsbruck?

BM MARTIN KOCHER: Dieser Wirtschaftszweig spielt eine große Rolle, und viele Unternehmen sind nicht nur in Österreich, sondern auch in den Nachbarländern aktiv. Daher war es wichtig, ein Paket für den Wohnbau zu beschließen, um die Auftragslage zu verbessern und die Gewerbebetriebe und Handwerkerbetriebe zu unterstützen. Dies hilft auch dabei, die Konjunktur insgesamt anzukurbeln sowie Wohnungspreise nicht noch weiter steigen zu lassen.

FLORIAN TURSKY: Ich bin dagegen, den Innsbruckerinnen und Innsbruckern zu versprechen, dass das Wohnen günstiger wird. Das wurde zu oft gemacht und ist deshalb nicht mehr glaubhaft. Zwei dringende Anliegen gilt es zu bewältigen: Druck durch das studentische Wohnen vom klassischen Arbeitsmarkt nehmen – das bedeutet, Studentenheime müssen massiv ausgebaut werden. Das zweite ist der Leerstand. Wohnen und Wohnungen dürfen kein Spekulationsobjekt sein. Es gibt genug Möglichkeiten in Dinge zu investierten, aber bitte nicht in Wohnen. Da muss die Politik ganz klar bei der Leerstandsabgabe massive Maßnahmen setzen.

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