Wirtschaftskammer Landeck
Michael Gitterle: "Die Lehre hat Zukunft"

Michael Gitterle, Obmann Wirtschaftskammer-Bezirksstelle Landeck, nimmt zu aktuellen Fragen der Lehre im Interview Stellung. | Foto: Die Fotografen
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BEZIRK LANDECK. Michael Gitterle, Bezirksobmann der Wirtschaftskammer Landeck, spricht im BEZIRKSBLÄTTER-Interview über das Thema Lehre. Im Bezirk Landeck gibt es aktuell 667 Lehrlinge in 243 Lehrbetrieben.

Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel

Wie sieht die Arbeitsmarktsituation im Bezirk Landeck aus, wo fehlen die meisten Arbeitskräfte?
MICHAEL GITTERLE: "Die Erholung der Wirtschaft ist deutlich sichtbar. Die Arbeitslosenzahlen im Juli und August 2021 sind wieder auf dem Niveau vor der Krise. Ende August waren 548 Arbeitslose im Bezirk Landeck gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang von 44,3 Prozent zu verzeichnen. Wir blicken optimistisch in eine gute wirtschaftliche Zukunft. Der Personal- und Fachkräftemangel ist mittlerweile in allen Branchen und Sparten präsent. Dies wird für uns alle eine sehr große Herausforderung. Um die Frage zu beantworten, muss man natürlich auf unseren wichtigen und sehr geschätzten Tourismus hinweisen. 42,4 Prozent der Betriebe im Bezirk Landeck sind direkt in der Tourismusbranche tätig. Alleine dieser Prozentsatz beantwortet die Frage, wo uns derzeit die meisten Fachkräfte fehlen."

Kann man mit einer weiteren Attraktivierung der Lehre dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

"Wir arbeiten laufend an Qualitätsverbesserungen, um die Lehre noch attraktiver zu machen. Die duale Ausbildung – also die Kombination von Theorie und Praxis - ist in den letzten Jahren zu einem bunten Mosaik an Möglichkeiten geworden. Das Model „Lehre und Matura“ bietet begabten Jugendlichen die Möglichkeit, sich zu hochqualifizierten Facharbeitern auszubilden. Die Lehre ist als besonders dynamische Ausbildung stets im Wandel. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass eine Lehre nach wie vor die beste und attraktivste Möglichkeit ist, in das Berufsleben einzusteigen. Die Lehre wird jedenfalls auch in den nächsten Jahren ein wertvoller Pfeiler zur Deckung des Fachkräftebedarfs sein."

Welche Berufe/Sparten sind gefragt, welche weniger?

"Das hängt ganz von den Neigungen der Jugendlichen ab. Die meisten Lehrlinge werden derzeit im Bezirk Landeck im Gewerbe und Handwerk (382), im Handel (122) und im Tourismus (95) ausgebildet. Das hängt aber auch damit zusammen, dass es hier sehr viele Lehrbetriebe und Lehrstellen gibt."

Michael Gitterle: ""Nachwuchsarbeit ist eine Investition in die Zukunft. Daran ändert auch Corona nichts." | Foto: Gabriel Kollreider
  • Michael Gitterle: ""Nachwuchsarbeit ist eine Investition in die Zukunft. Daran ändert auch Corona nichts."
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Traditionelle Rollen werden aufgebrochen

Sind geschlechterspezifische Berufe noch zeitgemäß bzw. nachgefragt?
"Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Aktuell erlernen im Bezirk Landeck 37 Mädchen einen typischen Männerberuf. Malerinnen sind beispielsweise keine Minderheit mehr in ihrem Berufsstand – im Gegenteil – in unserem Bezirk erlernen derzeit 13 Mädchen und 10 Burschen diesen Lehrberuf. Der Bereich Elektrotechnik wird auch immer beliebter bei unseren Mädchen. Weiters werden derzeit im Bezirk Landeck einige Mädchen in den Lehrberufen Metalltechnik, Seilbahntechnik, Glasbautechnik, Installations- und Gebäudetechnik sowie Fleischverarbeitung, Tischlerei und Tapezierer ausgebildet. Der 'GirlsDay' ist hier eine durchaus wichtige Initiative. Klassisch bleiben die Lehrberufe Einzelhandel und Friseurin bei den Mädchen bzw. Elektro-, Installations- und Gebäude- sowie Kraftfahrzeugtechnik bei den Burschen."

Gibt es viele Lehrabbrecher pro Jahr?
"Der Anteil der Lehrabbrecher ist in Tirol mit ca. 16 Prozent relativ gering. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich zu einem guten Teil um sehr junge Berufseinsteiger handelt."

Die Wirtschaftskammer Landeck setzt sich seit Jahren für eine Attraktivierung der Lehre ein. | Foto: Othmar Kolp
  • Die Wirtschaftskammer Landeck setzt sich seit Jahren für eine Attraktivierung der Lehre ein.
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Erfolgreiche Lehrlingsinitiativen

Was unternimmt die Landecker Wirtschaftskammer in Sachen Lehrlingsausbildung?
"Unsere erfolgreichen Initiativen:

  • Erlebniswelt Baustelle für Volksschüler, wo die Schüler und Schülerinnen die Berufe der Baubranche kennenlernen, um so das Interesse daran zu wecken hier später einmal eine Lehre zu absolvieren.
  • Unser Berufsfestival, wo mehr als 400 SchülerInnen der achten Schulstufe aus dem ganzen Bezirk Landeck die Möglichkeiten der Lehre präsentiert wird.
  • Die Lehrberufsmesse, wo Eltern sich mit ihren Kindern direkt bei den Unternehmern und Unternehmerinnen über die Vorteile der Lehre informieren können.
  • Das Angebot, die Lehre mit Matura zu absolvieren.
  • Die Talend-Card – die Potentialanalyse für Jugendliche – zur Berufsorientierung mit Beratung von Jugendlichen und Eltern.
  • Aktuelle Kampagne – Träume leben – die Lehre macht’s möglich.

Es muss ein Ziel sein seinen Traumberuf zu verwirklichen, denn damit erreicht man ein erfülltes und qualitativ hochwertiges Leben. Wir fordern die Kinder und Jugendlichen auf, ihre Träume nicht über Bord zu werfen. Sie sollen ihre Träume verwirklichen. Wir sagen deshalb: 'träum weiter und verwirkliche deine Träume', ein Motto unseres Präsidenten, das es auch für mich auf den Punkt bringt."

Auswirkungen der Corona-Krise

Wie hat sich Corona auf die Ausbildung von Lehrlingen ausgewirkt?
"Die Gesamtzahl der Lehrlinge ist im Bezirk Landeck aktuell um 6,7 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang hat natürlich vor allem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu tun. Praxis- und Schnuppertage konnten nicht durchgeführt werden. In schwer getroffenen Branchen bleiben Stellen derzeit unbesetzt und Anmeldungen der Lehrverträge verzögern sich. Die Ausbildungsbetriebe kämpfen um jeden Lehrling. Gerade in der Krise ist es wichtig, nach vorne zu schauen und die Weichen für die Zeit danach zu stellen. Nachwuchsarbeit ist eine Investition in die Zukunft. Daran ändert auch Corona nichts."

Sind die heimischen Unternehmen für die Zukunft gerüstet, wie viel investiert man in die Ausbildung im Hause?
"Ja, um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen stets am neuesten Stand der Technik sein. Das kommt natürlich auch der Lehrlingsausbildung zu Gute. Die heimischen Unternehmen wissen sehr gut, dass der Fachkräftemangel am besten durch im eigenen Betrieb maßgeschneidert ausgebildete junge Fachleute gedeckt werden kann. Die Investitionen in diesem Bereich sind daher entsprechend hoch bis hin zu eigenen Lehrwerkstätten."

Michael Gitterle, Obmann Wirtschaftskammer-Bezirksstelle Landeck, nimmt zu aktuellen Fragen der Lehre im Interview Stellung. | Foto: Die Fotografen
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Asylwerber und Lehre

Sollte man auch Asylwerbern eine Lehre ermöglichen? Sollen Lehrlinge mit einem negativen Asylbescheid abgeschoben werden?
"Die Wirtschaftskammer Tirol hat sich hier sehr klar für eine sinnvolle Beschäftigung von Asylwerbern ausgesprochen und ist mehrfach gegen ein Abschieben während und nach der Ausbildung aufgetreten."

Was kann die öffentliche Hand dazu beitragen, um das Thema Lehre zu forcieren.
"Hier wird schon sehr viel unternommen, um auf die Attraktivität und die guten Berufs- und Verdienstmöglichkeiten mit einem Facharbeiterabschluss hinzuweisen – z.B. Tag der Lehre, Intensivierung der Berufsorientierung an den Pflichtschulen, Lehrling des Monats/Jahres, Ausgezeichneter Tiroler Lehrbetrieb usw. Trotzdem ist auch hier noch Luft nach oben, gerade auch was die Förderung von Weiterbildungsschienen für Lehrabsolventen (Meister- bzw. Befähigungsprüfung) betrifft."

667 Lehrlinge in 243 Lehrbetrieben


Gibt es konkrete Zahlen für den Bezirk Landeck?

"In Landeck haben wir aktuell 667 Lehrlinge in 243 Lehrbetrieben. Mit Stichtag 31. August 2021 sind 207 Lehrlinge im 1. Lehrjahr tätig. Es bestätigt sich immer wieder, dass die Lehre Zukunft hat. Junge Leute haben mit einem erfolgreichen Lehrabschluss die Möglichkeit, eine große Karriere zu starten. Die Besten der Besten kommen regelmäßig aus unserem Bezirk, wenn wir bei der Abschlussfeier der Tyrol Skills mehrfache Landessieger, zweite und dritte Plätze sowie jede Menge an Leistungsabzeichen verleihen. Darauf sind wir besonders stolz und es ist eine Tatsache, dass die Lehre goldenen Boden hat."

Das Interview führte Othmar Kolp

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