Tag der Arbeit
Fachkräftemangel bleibt auch in Corona-Zeit akut
„Steiermark, wir haben ein Problem“, warnt WKO Präsident Josef Herk angesichts der neu vorliegenden Daten aus dem steirischen Fachkräfteradar. Dieses weist vielen Branchen – trotz Corona – einen akuten Mangel an Fachkräften aus. „Für den bevorstehenden Aufschwung könnte das zum Flaschenhals werden“, befürchtet Herk. Vor allem mittel- und langfristig, denn die Demographie mache die Sicherung von genügend Fachkräften zu einer der größten Herausforderung für den Wirtschaftsstandort überhaupt.
BEZIRK LEIBNITZ. Durch die demographische Entwicklung rollt eine enorme Pensionierungswelle auf unser Land zu. Innerhalb von nur 15 Jahren hat sich der Anteil der über 50-jährigen unselbständig Beschäftigten in der Steiermark von 68.893 (2005) auf 146.401 (2020) mehr als verdoppelt. Der Anteil der unter 25-Jährigen in den steirischen Firmen hat dagegen im selben Zeitraum von 71.959 auf 59.767 rapide abgenommen. „Man muss kein großer Mathematiker sein, um die Folgen abschätzen zu können. Wir werden in den kommenden Jahren vor der enormen Herausforderung stehen, Fachkräfte im großen Stil nachzubesetzen“, mahnt Regionalstellenobmann KommR Lampl. Denn schon jetzt sei das Thema virulent. Viele Branchen klagen – trotz Corona und der damit verbunden hohen Zahl an Arbeitslosen – über zu wenig Fachkräfte.
Branchenspezifische Unterschiede
Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen des aktuellen Fachkräfteradars der WKO für den Zeitraum März 2020 bis Februar 2021, also dem Jahr der Corona-Pandemie, wider. Hierbei wird die Zahl der Arbeitslosen (ab Lehre) pro offener Stelle als Indikator herangezogen, das Ergebnis daraus ist die sogenannte Stellenandrangsziffer. In der Steiermark lag diese bei qualifizierten Jobs im Jahr 2020 bei durchschnittlich 1,51 und damit nur geringfügig über dem Wert von 2019 mit 1,35. Werte unter 1,5 werden von den Experten der WKO grundsätzlich als Mangel eingestuft, wobei es hier zum Teil massive Unterschiede je nach Branche und Region gibt. In Wien zum Beispiel liegt die durchschnittliche Stellenandrangsziffer bei 3,46 – es stehen also mehr als doppelt so viele Bewerber pro freier Fachkraftstelle zur Verfügung wie in der Steiermark. In einzelnen Branchen stellt sich die Situation sogar noch dramatischer dar: So kommen auf einen arbeitslosen Rohrinstallateur im Raum Gleisdorf zum Beispiel mehr als acht (gemeldete!) offene Stellen (0,12). In Wien dagegen gibt es hier mit einem Wert von 1,98 knapp zwei Bewerber für eine offene Rohrinstallateurstelle. Ähnliches gilt für Techniker mit höherer Ausbildung für Maschinenbau. Hier warten im Raum Graz auf jeden Bewerber aktuell mehr als drei offene Stellen (0,28), im Burgenland dagegen ist die Situation mit einem Stellenandrang von 3,24 genau umgekehrt. Durch das Fachkräfteradar können diese regionalen und branchenspezifischen Unterschiede sichtbar gemacht werden.
Das waren im Corona-Jahr die Top-8 Mangelberufe in Leibnitz:
- Öffentliche Sicherheitsorgane (m./w.) 0,37
- Rohrinstallateur(e)innen, -monteur(e)innen 0,50
- Betonbauer/innen 0,52
- Bautischler/innen 0,65
- Schweißer/innen, Schneidbrenner/innen 0,97
- Dipl. Krankenpfleger, -schwestern 0,97
- Elektroinstallateur(e)innen, -monteur(e)innen 1,29
- Platten-, Fliesenleger/innen 1,36
Es besteht Handlungsbedarf
Für Obmann Lampl besteht angesichts dieser Schieflage akuter Handlungsbedarf: „Keine Frage, die allgemeine Situation am Arbeitsmarkt ist coronabedingt angespannt. Umso mehr müssen wir uns die Frage stellen, wie es gleichzeitig zu einem solchen Mangel kommen kann und wie man das bestehende Potential für diesen Bedarf besser nutzen kann. Hier braucht es eine offene Debatte, wie man soziale Hilfen noch stärker von der Qualifizierungsbereitschaft der Unterstützungsempfänger abhängig macht und wie man nicht zuletzt auch die innerösterreichische Vermittlung am Arbeitsmarkt stärkt – wohlgemerkt nach der Pandemie. Sonst wird der zu erwartende Aufschwung sehr schnell an personelle Grenzen stoßen.“ Darüber hinaus müssen man die Bildung stärken und alle Hebel in Bewegung setzen, die schwindende „Ressource“ Jugend bestmöglich zum Einsatz zu bringen. „Als WKO Steiermark waren und sind wir hier mit unseren Investitionen Talentcenter, Center of Excellence und EuroSkills2020 sowie unserem breit gefächerten Angebot vom WIFI bis zur FH Campus 02 echte Vorreiter“, so Lampl. Derzeit stelle man aber fest, dass an den Schulen vergleichsweise viele Jugendliche durchgewinkt werden, was sich in einem akuten Mangel an Lehrstellenbewerbern manifestiert. „Dadurch droht sich die Fachkräfte-Situation weiter zu verschärfen“, betont Lampl. Nicht zuletzt daher steht für die Wirtschaftskammer außer Zweifel: Ohne qualifizierte Zuwanderung wird es nach Corona nicht gehen.
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