Aus der Provinz an das Licht einer breiten Öffentlichkeit

Foto: Michael Freitag
2Bilder

LEOBEN. "Obwohl Mama Verdi und Puccini über alles liebt und keine Premiere in der Staatsoper versäumt, ist sie ein ausgemachtes Ekel. Mit einer entsetzlichen Stimme, der die leisen Töne fremd sind ...": So beginnt Günther Freitags neuer Roman "Die Entführung der Anna Netrebko".
Seit 35 Jahren versucht sich der Leobener Gymnasialprofessor als Schriftsteller. Mit großem Erfolg. Mittlerweile sind es zwölf Bücher, die er herausgegeben hat. Anfangs im Literaturverlag Droschl, seit 2006 ist er Autor für den Wieser Verlag. "Brendels Fantasie" (2009) wurde auf Englisch und sogar Japanisch übersetzt und hat Freitags Werke einem internationalen Leserkreis eröffnet.

Die Welt der Oper
Doch zurück zum neuen Buch, "Die Entführung der Anna Netrebko": Mama ist eine erfolgreiche Anwältin, die Politiker und Manager verteidigt, sie ist skrupellos, machtgierig und ebenso herrschsüchtig wie gefühlskalt. Kein Wunder, dass der Sohn der geborene Verlierer ist, erzogen von Gouvernanten und später im Internat bei den Benediktinern. Die erste ernstzunehmende Freundin hat Mama sofort in die Flucht geschlagen, und auch sonst lässt sie keine Gelegenheit aus, ihren Sohn zu demütigen.
Ich bin ein Virtuose in Niederlagen", sagt dieser von sich selbst. Jetzt ist er Mitte Vierzig und ebenfalls Anwalt in Mamas Kanzlei, zuständig für die kleinen, uninteressanten Fälle. Diesen Klienten widmet sich der Sohn mit großer Aufmerksamkeit und ist auch durch deren Verrücktheiten nicht aus der Fassung zu bringen. Wie Valentin Siebenklar, Architekt und Stadtbaumeister i.R., der sich in einer Provinzstadt um das Seelenleben von Gebäuden kümmert und daher zwangspensioniert wurde, oder dessen Neffe Jakob, ein Hypochonder, der einen musikalischen Pudel namens Karajan täglich spazieren führt und ihm im Kaffeehaus Sachertorte mit Schlagobers servieren lässt.

Flucht in eine Traumwelt
Es ist der scharfe Blick dieses Erniedrigten und Beleidigten auf seine skurrilen Klienten und der grimmige Humor, mit dem er sein Leben reflektiert, der bisweilen an Thomas Bernhard denken lässt.
Dieses Leben ändert sich an dem Tag, als seine Mutter durch einen Infarkt für längere Zeit im wahrsten Sinn des Wortes außer Gefecht gesetzt wird. Der Sohn ändert sein Outfit und sein Auftreten in der Kanzlei. Auch beschließt er, der Verehrung seiner Mutter für Tenöre wie Jonas Kaufmann einen Sopran entgegen zu setzen - und verliebt sich unsterblich in Anna Netrebko. Diese Liebe ist so heftig, dass unser Held mehr in seiner Traumwelt denn in der Realität lebt …
Der Autor Günther Freitag nimmt in diesem Roman nicht nur die Musikbesessenheit mancher Zeitgenossen gnadenlos aufs Korn, er liefert auch treffliche Psychogramme von Siegern und Verlierern, von Phantasten und von Idealisten – ebenso schräg und witzig wie berührend.
Ein großes (und treffendes) Kompliment kommt vom Kulturressort des Kölner Stadtanzeigers: "Günther Freitag verdient es, aus den Winkeln der steiermärkischen Provinz ans Licht einer breiten literarischen Öffentlichkeit geholt zu werden."
Günther Freitag: Die Entführung der Anna Netrebko, Wieser Verlag, 200 Seiten, ISBN: 978-3990291597

Foto: Michael Freitag
Foto: Wieser Verlag
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.