Trofaiacher Stimmungsbilder
Jacqueline Juri: "Etwas Sinnvolles gemeinsam mit den interviewten Menschen geschaffen"

Jacqueline Juri als Weltenbummlerin vor der Coronakrise. | Foto: zVg
  • Jacqueline Juri als Weltenbummlerin vor der Coronakrise.
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Zum Abschluss der "Trofaiacher Stimmungsbilder" kommt Jacqueline Juri, die sieben Wochen lang in Form von Telefoninterviews Trofaiacherinnen und Trofaiacher befragt hat, selbst zu Wort.

Am Ende wird der Spieß nun umgedreht. Nachdem sie von Jacqueline Juri sieben Wochen lang interviewt wurden, bitten ihr Mann Herbert und Sohn Simon nun sie selbst zum Interview. Jeder von ihnen hat sich zwei Fragen überlegt, die sie, wie sie es bei ihren Interviewpartnerinnen praktiziert hat, zuvor nicht wissen darf.

Herbert Scherübel startet: Liebe Jacqueline, welche Eindrücke und Erfahrungen konntest du in sieben Wochen Telefoninterviews sammeln?
JACQUELINE JURI:
Heute habe ich das letzte Interview nach sieben Wochen transkriviert und bin im Moment noch voll mit all den Gedanken meiner Gesprächspartner. Bevor ich auf deine Frage näher eingehe, möchte ich mich bedanken. Mein Dank geht an alle Interviewpartnerinnen, vor allem aber an jene elf Personen, die sich Woche für Woche meinen Fragen gestellt haben. Dazu gehört nicht nur Mut, da sie ihre Vorstellungen, Eindrücke und Emotionen einer breiten Öffentlichkeit offenbarten und uns auch ein Stück weit an ihrem Leben teilhaben ließen, sondern auch Ausdauer, eine ordentliche Portion Spontanität und Disziplin. Sie standen alle nicht nur mit ihrem Wort ein, sondern auch mit ihrem Bild. Den Vertrauensvorschuss, den ich von all diesen Menschen bekommen habe, die mir über die Wochen hinweg sehr vertraut wurden, war beeindruckend!

Ich liebe es unverfälscht und ehrlich mit Menschen arbeiten zu können, ohne dass man im Vorhinein schon genau weiß, wie das Ende sein wird. Da spürt man die Menschen, weil man den Nerv frei legt. Sich selbst spürt man auch ganz gut, weil Herausforderungen an jeder Ecke warten. Wie schon beim vorangegangenen Projekt zum Frauenwahlrecht im letzten Jahr, gilt meine Bewunderung diesen Menschen, die sich auf den Prozess mit mir eingelassen haben.

Ein weiterer Dank geht an Wolfgang Gaube mit dem Team der WOCHE. Was soll ich dazu sagen? Sieben lange Wochen erhielten wir eine Plattform, in der Print- und in der Onlineausgabe – Weltklasse! Weltklasse auch deshalb, weil meiner Intention für dieses Projekt Genüge getan wurde. Was war die Ursprungsidee? Es ging darum ein Stimmungsbild in der Stadt in der ich lebe einzufangen, in einer angstmachenden aber auch bedrohlich wirkenden Zeit, ein für uns alle absolutes Novum. Schlussendlich ging es um das Leben, um unser eigenes Leben! Da wollte ich meine Suppe nicht alleine löffeln. Ich bin unendlich dankbar im Gedankenaustausch mit diesen Menschen während der Zeit, gestanden zu sein! Wenn wir nicht die Veröffentlichung über die Zeitung gehabt hätten, dann wären diese Aufzeichnungen für das Archiv, was sie jetzt auch sind, allerdings mit dem Unterschied, dass sie zuvor vielleicht Menschen, die diese Interviews gelesen haben, inspiriert oder getröstet haben. Wenn es dann auch noch gelungen ist, in dieser herausfordernden Zeit, den einen oder anderen Leser ein Lächeln zu entlocken, dann, ja dann ist das ein Geschenk.

Darüber hinaus haben wir ein Zeitdokument geschaffen. Da bin ich ehrlich stolz drauf, denn das was wir im Heute geschaffen haben, wird im Laufe der Zeit an Gewicht gewinnen. Last but not least ein Dankeschön an meine zwei selbstorganisierten „Mannsbilder“ zu Hause, die mich vorwiegend zwischen Kaffeemaschine und Arbeitszimmer zu Gesicht bekamen und mich in meinem Vorhaben toll unterstützten! Den wöchentlichen Einkauf erledigten sie mit Bravour. Das all abendliche Gassigehen mit dem Hund übernahmen sie sehr zögerlich und das dauerte nicht länger als zehn Minuten. Mittlerweile ist es zu einer Stunde ausgeufert und über den immer höher werdenden Haufen der Bügelwäsche verloren sie kein Wort.

Nun zu deiner Frage. Ich habe räumlich betrachtet sehr viel Zeit mit mir selbst und alleine zugebracht. Ich habe mich quasi kaserniert in meinem mir sehr lieb gewonnen Arbeitszimmer, mit Blick auf die Berge. Nach sieben Wochen ziehe ich das Resümee auf „Du und Du“ mit mir zu sein. Denken, schreiben und telefonieren, macht man größtenteils ohne fremdes Zutun. Ich war zwar für mich alleine, hatte allerdings intensiven Kontakt via Telefon nach außen. Diese Zeit mit genau diesen Menschen war auf jeden Fall ein Geschenk für mich!
Für mich ist diese Situation mit dir Herbert, als Interviewer insofern interessant, da es mich nachspüren lässt, was es für meine Gesprächspartner bedeutet haben muss. Auf jeden Fall ist es keine einfache Situation ohne Vorbereitung und spontan auf Fragen zu antworten, ein wenig Aufregung ist bei mir auch dabei. So gesehen ist es eine coole Idee von dir Herbert, den Spieß einmal umzudrehen. Für mich sind die sieben Wochen sehr schnell vergangen, da ich intensiv beschäftigt war. Die Arbeit und der Austausch mit den Menschen war spannend, interessant, berührend, lustig, hin und wieder auch ein wenig irritierend. Es gab eine Bandbreite an Emotionen und Eindrücken in diesen Wochen, die ich erst jetzt beginnen werde aufzuarbeiten. Die letzten zwei Tage empfand ich als etwas mühsam, einfach weil ich müde geworden bin. Da erging es mir ähnlich wie meinen Interviewpartnern, da war die Luft draußen.

Hast du dir Gedanken darüber gemacht bevor du das Projekt gestartet hast, was das an Aufwand oder Zeit bedeuten könnte? Erkläre vielleicht auch dein Arbeitspensum oder versuche es aufzuschlüsseln.
JACQUELINE JURI:
Nein, ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, zumindest nicht bis zur letzten Konsequenz. Ich konnte mir das wirklich nicht im Entferntesten ausmalen, was da auf mich aber auch auf die Interviewpartner sowohl vom zeitlichen Faktor, als auch von der gesamten Komplexität und dem Durchhaltevermögen auf uns warten würde. Ein Abbruch oder ein Ausstieg war für niemanden ein Thema, Gott sei Dank! Wobei mir sehr wohl bewusst war, dass das nicht immer und für jede Person ein angenehmer Spaziergang war.
Herbert, deine Befürchtung, dass elf oder zwölf Personen pro Woche vielleicht etwas viel sein könnte, habe ich erfolgreich in den Wind geschlagen. Jede einzelne Person war wichtig, wertvoll und hätte gefehlt!

Was so den Arbeitsablauf anbelangt habe ich am Sonntag mit den Interviews begonnen und versucht diese am Dienstag abschließen zu können. Den Mittwoch habe ich für das Schreiben freigehalten. Natürlich war es notwendig, die Tage zuvor ebenfalls zu schreiben, sonst hätte ich es nie geschafft die transkrivierten Interviews am Donnerstag Wolfgang Gaube per Mail zu übermitteln. Am Freitag überlegte ich mir die Fragen für die kommende Woche und bemühte mich um einen zusätzlichen Gast, der dann wiederum aus seiner beruflichen Branche berichten konnte. So ging es eigentlich sehr strukturiert voran. In Zahlen ausgedrückt bedeutet es über 200 Stunden rein aufgezeichnete und archivierte Interviewzeit, ohne die Gespräche die man vor oder nach den Interviews geführt hat.

Wenn ich mich jetzt richtig erinnere habe ich insgesamt 20 Personen interviewt. Geschriebene Seiten werden es an die hundert sein, da kommen jetzt meine verschriftlichten Gedanken für die sieben Wochen noch dazu. Die Zeit für das Schreiben kann ich schwer abschätzen, aber Nachtschichten waren schon dabei. Beschäftigt hat mich dieses Projekt eigentlich die ganze Woche und ich bin sehr froh, dass ich es machen durfte, auch wenn es sich gegen Ende ein „bissal“ wie ein Marathon angefühlt hat.

Jetzt ist die Interviewreihe abgeschlossen, was hast du mit diesen Aufzeichnungen vor?
JACQUELINE JURI: Es stand für mich von Anfang an fest, ein Buch daraus machen zu wollen. Ich habe das auch meinen Interviewpartnerinnen gegenüber angekündigt und so wird es hoffentlich auch sein. Das Skriptum sollte in den kommenden vierzehn Tagen fertig werden. Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Es wird top! Nein, besser noch „hammermässig“, würde Marlies, eine meiner Interviewpartnerinnen jetzt wohl sagen. Von ihr lernte ich die wunderbarsten Wortkreationen! Es wird deswegen „hammermässig“, weil jede einzelne Person, die ich befragen durfte, so viel unfassbar Gescheites zu erzählen hatte, dass ich, wenn ich daran denke, „Ganslhaut“ bekomme! Die Audiodateien werden einerseits archiviert und vielleicht einmal in das Archiv des Trofaiacher Stadtmuseums wandern, was mich als Obfrau des Museumsvereins sehr freuen würde. Andererseits wird es mit den Audiodateien eine Kunstinstallation im öffentlichen Raum geben. Dazu gibt es schon ganz konkrete Vorstellungen. Immerhin sollte es ja darum gehen, es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wie gesagt, es ist ein Zeitdokument.

Jacqueline Juris Sohn Simon und interviewt seine Mutter: Was nimmst du aus diesem Projekt für dich persönlich mit?
JACQUELINE JURI: Im Moment bin ich noch voll mit all den Gedanken, Ideen und Meinungen meiner Interviewpartner. Was ich aber mit Sicherheit mitnehme, sind die ganz, ganz vielen positiven, wunderbaren und herzerwärmenden Gespräche. Außerdem lernte ich im Zuge dieses Projektes interessante Menschen und deren Lebensweisen näher kennen, wurde inspiriert und bereichert und ich habe das gute Gefühl etwas Sinnvolles gemeinsam mit diesen Menschen geschaffen zu haben.

Gibt es aus dieser Zeit Erkenntnisse, die du neu gewonnen hast?
JACQUELINE JURI:
Ja, dass es mir persönlich ein gutes Gefühl gibt, einer sinnstiftenden Arbeit nachgegangen zu sein. Im Grunde erleben wir ein historisches Ereignis. Etwas in dieser Art hat es zuvor noch nicht gegeben mit all den Auswirkungen die das Coronavirus mit sich bringt. Ich bin mir sicher, dass diese Zeit Einzug in die Geschichtsbücher halten wird. Jetzt kann ich mich zurücklehnen und ich spüre eine tiefe Zufriedenheit und Ruhe in mir, weil ich das Gefühl habe, gemeinsam mit diesen Menschen etwas Wertvolles erschaffen zu haben, was wirklich Bestand hat. Es ist ein Zeitdokument, welches in vielen, vielen Jahren, wenn es mich gar nicht mehr geben wird, eine neue Generation Mensch in der Hand halten kann. Dadurch gewinnt dieses Corona-Tagebuch an Bedeutung.

Es gibt bestimmt noch mehr Erkenntnisse, die mir im Moment nicht einfallen. Ich habe mich bewusst nicht über die Ausgangsbeschränkungen geäußert, da ich diese Zeit für mich jetzt erst nach den Interviews reflektieren und niederschreiben werde.

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