Auf dem Weg der Herbergssuche

Für viele Alkoholkranke erweisen sich gerade die Weihnachtsfeiertage als besonders schwierige Zeit. Treffen der Anonymen Alkoholiker helfen dabei, diese Zeit leichter zu überstehen und gegen die Krankheit anzukämpfen. | Foto: lassedesignen/Fotolia
  • Für viele Alkoholkranke erweisen sich gerade die Weihnachtsfeiertage als besonders schwierige Zeit. Treffen der Anonymen Alkoholiker helfen dabei, diese Zeit leichter zu überstehen und gegen die Krankheit anzukämpfen.
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Etwa jeder 20. Österreicher ist alkoholkrank. Besonders die Weihnachtsfeiertage erweisen sich dabei als problematisch. Treffen der Anonymen Alkoholiker können helfen, diese Tage zu überstehen und gegen die Krankheit anzukämpfen, wie eine Betroffene berichtet.

Treffen der Anonymen Alkoholiker

Ende August kam ich nach jahrelangem, täglichem Trinken das erste Mal zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Menschen in diesem ersten Meeting waren fröhlich und vermittelten mir die Hoffnung, dass auch ich trocken werden könnte. Ich begriff ebenso, dass es Spaß machen könnte, trocken, mit allen wachen Sinnen weiterzuleben. Sie stellten fest, dass Alkoholismus eine Krankheit sei – da wurde mir gleich wohler, denn ich hatte meine Art zu trinken für Willensschwäche, für einen Charaktermangel gehalten. Sie erzählten, dass ich mich nicht damit abfinden müsste, nie wieder in meinem Leben Alkohol zu trinken. Ich bräuchte nur für heute das erste Glas Alkohol nicht anzurühren, dann würde auch mein Verlangen sich vermindern. Der Vergleich, dass einen auf einem Bahnübergang die Lokomotive niederfahren würde und nicht der siebente Wagon schien mir logisch.

Der Schalter im Hirn

Mit dem ersten Glas legte sich offenbar in meinem Hirn ein Schalter um und ich musste weiter Alkohol zu mir nehmen. Ich ging also voller Hoffnung heim und versuchte 24 Stunden nicht zu trinken. Das war extrem schwierig, ich konnte nicht mehr lesen, konnte mich aufs Fernsehen auch nicht konzentrieren, also starrte ich mal die Uhr an, machte alle fünf Minuten einen Strich auf den Zeitungsrand, der sechste strich die ersten fünf durch und paarweise geordnet sammelte ich Stunde um Stunde, bis ich auf 24 war und wieder ins Meeting gehen konnte. Ich zählte die einzelnen Tage und konnte es kaum fassen, dass ich bald wirklich sieben Tage, dann 25 und schließlich 100 Tage trocken war. Das hatte ich die letzten Jahre nicht einmal einen Tag lang geschafft. Ein Wunder war geschehen, auch wenn ich mich mehrmals täglich ermahnen und mich daran erinnern musste, jetzt nicht das erste Glas anzurühren.

Alle Jahre wieder

Renate, eine Freundin aus meinem Stammmeeting, hatte noch nie im Leben, soweit sie sich zurück erinnern konnte, einen normalen, trockenen 23. Dezember erlebt. Sie war entweder betrunken oder in der Entzugsklinik (zehnmal). Nun war sie fast zehn Monate trocken und fürchtete den 23. Dezember wie der Teufel das Weihwasser. Weihnachten ist wohl die Zeit der großen Emotionen, die Familien kommen zusammen, ob sie wollen oder nicht, es wird viel gegessen und getrunken, viele kommen in Stress, weil sie sich selber die Ziele zu hoch setzen, zu viel von sich selber erwarten.
An diesem 23. Dezember wachte ich in der Früh auf und musste sofort an Renate denken. Also rief ich schon um 8 Uhr an, um zu fragen, wie es ihr ginge. Um 9 Uhr wollte ich ihr einfach sagen, dass ich an sie denken würde, um halb elf wollte ich wissen, ob sie schon beim Kochen sei. Um 12 Uhr musste ich ihr mitteilen, dass ich Ruhe geben würde, falls sie ein Mittagsschlaferl machen wollte. Um 14 Uhr wollte ich erfahren, ob sie schon alles für Weihnachten bereit habe und um halb vier erfuhr sie , dass ich ihr Licht und Liebe schicken würde, damit es ihr leichter fallen würde, diesen Tag hinter sich zu bringen. Diese Telefonfrequenz hielt ist bis 22 Uhr aufrecht. Um halb elf rief sie dann an, um mir zu sagen, sie würde jetzt schlafen gehen und ich brauchte nicht mehr anzurufen.

Süßer die Glocken nie klingen

Sie hatte ihren ersten trockenen 23. Dezember erlebt und ich den ersten Tag in meiner Trockenheit, wo ich nicht an mein erstes Glas denken musste. Für uns beide schien das ein Weihnachtswunder zu sein. Wir rufen einander übrigens immer noch am 23. Dezember an und freuen uns an unserer Freundschaft.

Hilfe für Betroffene

In der Obersteiermark finden regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholiker statt:
Bruck an der Mur, Montag 18.30 Uhr, Herzog-Ernst-Gasse 26a 1. Stock
Leoben, Dienstag 18.30 Uhr, Martin-Luther-Kai 2, Evangelische Pfarrheim
Mürzzuschlag, Freitag 19.00 Uhr, Kirchengasse 1, Haus der Begegnung
Bei keiner Gruppe ist eine Voranmeldung nötig. Zusätzliche Informationen gibt es auf der Homepage der Anonymen Alkoholiker.
Außerdem steht das Krisentelefon der Anonymen Alkoholiker unter der Nummer 0316/574740 täglich von 18 bis 21Uhr bereit.

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