Unabhängigkeit
Energiegemeinschaft Stanz als Vorbild für ganz Europa

Bürgermeister Friedrich Pichler und "Riddle&Code" Geschäftsführer Kai Siefert leisten Pionierarbeit für die Zukunft der Energiewirtschaft. | Foto: Hofbauer
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  • Bürgermeister Friedrich Pichler und "Riddle&Code" Geschäftsführer Kai Siefert leisten Pionierarbeit für die Zukunft der Energiewirtschaft.
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Was alles möglich ist, wenn Bürgerinnen und Bürger sich zusammentun, kann man in der Stanz beobachten. Die Energiegemeinschaft geht in Europa einzigartige Wege und wurde von der EU als Leuchtturm-Projekt ausgewählt.

STANZ IM MÜRZTAL. "Die Energie geht vom Volk aus!", so lautete der Titel unter dem Mitte Mai das von der EU ausgewählte Vorzeigeprojekt "Stanz Token" präsentiert wurde. Dementsprechend groß war das Interesse der lokalen Journalistinnen und Journalisten sowie der anderen Projektwerberinnen und -werber beim diesjährigen „European Smart Villages Observatory Meeting" in Graz. 

"Wir haben uns für Stanz entschieden, weil die Gemeinde das fortschrittlichste Konzept und eine klare Vision davon hat, wohin sie mit sauberer Energie gelangen will. Und sie können als Beispiel für andere Gemeinden dienen", erklärt die EU-Projektkoordinatorin Edina Ocsko, ehe das Leuchtturm-Projekt vorgestellt wurde, mit dem sich die Stanz gegen 334 andere europäische Ortschaften durchsetzen konnte.

Die Menschen wollen selbst entscheiden

Konkret baut das in Europa einzigartige Projekt auf die bereits im Vorjahr gegründete "Energiegemeinschaft Stanzertal" auf. Knapp 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer produzieren darin bereits ihre eigene Energie. Nun wurde der nächste Schritt in die weitere Unabhängigkeit gesetzt, welcher den Eigenversorgungsgrad weiter erhöhen soll. „Das System ist denkbar einfach“ freut sich Bürgermeister Friedrich Pichler. „Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer können nun via App ihre Produktions- und Verbrauchsdaten in der Erneuerbaren Energiegemeinschaft (EEG) mitverfolgen, den eigenen Beitrag ablesen und ganz konkret in Echtzeit sehen, von wem sie oder er gerade Strom bezieht bzw. an wen gerade geliefert wird“, erklärt Pichler.

„Unsere Menschen in der Stanz wollen selbst entscheiden, wohin die Reise geht. Daher sind ihnen Unabhängigkeit, Datenhoheit und aktive Beteiligung sehr wichtig.“
Friedrich Pichler

"Wenn ich zehn Kilowatt produziert habe, aber nur fünf einspeisen konnte, musste ich den Rest zu wenig attraktiven Preisen an den Energiebetreiber abgeben. Wir wollen die Leistung aber selbst in der Gemeinde halten", erklärt Pichler das Ziel. Wenn künftig also kein direkter Abnehmer in der Gemeinschaft gefunden wird, erhalten die Mitglieder für ihre Energie virtuelle Token in einer virtuellen Geldbörse. Diese Token können wiederum gegen Gemeinschaftsenergie zu einem anderen Zeitpunkt eingetauscht werden, wenn zum Beispiel die eigene PV-Anlage gerade keinen Strom produziert. In weiterer Zukunft soll man sich damit aber auch zum Beispiel eine Kiste Bier in Trixi's Dorfladen kaufen können.

Bist du bereit dein eigenes Verhalten zu ändern, um die Energiewende voranzutreiben?

Die Demokratisierung der Energiegemeinschaft

"Bei einer Umfrage hat sich gezeigt, dass es den Mitgliedern der Energiegemeinschaft zwar auch ums Geld geht, aber die treibende Motivation die Unabhängigkeit ist. Damit schaffen wir eine in Europa einzigartige Lösung und ich hoffe, dass uns viele andere folgen. Das Projekt zeigt den Leuten, dass sie selbst in der Lage sind, Dinge zu ändern", so Pichler. 

Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt in der Bereitstellung der eigenen Energiedaten in Echtzeit. Möglich macht dies die dafür eigens entwickelte Soft- und Hardware "MYPWR" der Firma "Riddle&Code"

„Alle Energiegemeinschaften haben dasselbe Problem. Und zwar, dass sie zu wenig Daten bekommen und das zu spät. Was habe ich davon, wenn ich mit der Monats-Abrechnung die Information bekomme, dass ich am Dienstag vor vier Wochen mein Auto billig aufladen und mit dem Geschirrspüler billig waschen hätte können. MYPWR liefert diese Daten nicht nur genau, sondern auch in Echtzeit. Und wenn Sie wollen, dreht sie Ihnen sogar die Waschmaschine automatisch dann auf, wenn es gerade günstig ist", erklärt "Riddle&Code"-Geschäftsführer Kai Siefert. Die von ihm und seinem Team entwickelte Lösung basiert auf der aus der Finanzwelt bekannten Blockchain-Technologie. 

Dieses kleine "Kastl" ist der Schlüssel für das Projekt "Stanz Token". | Foto: Hofbauer
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"Es kann viel gespart werden, wenn Produktion und Verbrauch innerhalb der EEG aufeinander abgestimmt werden. Angebunden werden beispielsweise E-Autoladestellen, die Kühlhaussteuerung für Trixi’s Dorfladen und vieles andere mehr für Haushalte und Unternehmen", konkretisiert Siefert.

Das Projekt soll weiter wachsen

Die Grenzen des Projekts sind nach wie vor offen und lassen weiterhin viel Spielraum für Ideen.  So könnte der Energiehandel zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern weiter ausgebaut werden und weitere Anlagen mit Bürgerbeteiligung eingebunden werden. "Wir hatten von Anfang an die Vision eine demokratische Energielandschaft zu konzipieren. Die Stanz ist unser Pionierkunde", sagt Siefert. Auch Die EU sieht darin ein Leuchtturmprojekt und hat das Projekt bisher mit etwa 50.000 Euro gefördert. Die Stanz erhofft sich durch die bisherigen Entwicklungen bald in der ganz großen Liga der Energiewende mitzuspielen und künftig an die Fördertöpfe des EU Horizon Programms zu gelangen. Für die aktuelle Förderperiode bis 2027 liegt dort ein Budget von 95,5 Milliarden Euro bereit. 

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