Premiere im Theater Oberzeiring
Katharina Blum, 50 Jahre später
Mit dünnem Orgelton läuft im Hintergrund die Melodie „Am Rosenmontag bin ich geboren..." - Genau am Aschermittwoch hob mit der ausverkauften und begeistert akklamierten Premiere das Theater Oberzeiring „Die verlorene Ehre der Katharina Blum" in den Spielplan.
OBERZEIRING. Regisseur Peter Faßhuber über das neue Stück im Theater Oberzeiring: „Wir haben das Stück ausgewählt, weil der deutsche Literaturpreisträger Heinrich Böll diese Erzählung vor genau 50 Jahren geschrieben hat, und und sie nichts von ihrer traurigen Aktualität verloren hat. Es wirkt, als wäre sie heute geschrieben!" Faßhuber beließ das Stück im Jahr 1974 „und wir haben es gerade dadurch ins Heute getragen, wo es für Vieles steht!" - aber nichts Gutes. Am ehesten als Mahnung gegen Sensationsgier, Tatsachenverdrehung, Meinungsmache, Vorverurteilung, Hass.
Peter Faßhuber lässt den Abend mit dem Ende beginnen. Es knallt ein paarmal. Schemenhaft, hinter einem Vorhang, hat die in allen Facetten von Julia Faßhuber großartig dargestellte 27jährige Wirtschafterin Katharina Blum auf den fiesen Journalisten Werner Tödges - Christian Krall spielt ihn - abgedrückt. Ute Veronika Olschnegger, ebenfalls in mehreren Rollen überzeugend, führt in die Erzählung ein. Katharina Blum hat sich einem Kriminalassistenten gestellt. Und leise läuft im Hintergrund die Melodie: Am Rosenmontag bin ich geboren...
Heinrich Bölls Erzählung
Heinrich Bölls damals nicht ganz unumstrittene Erzählung: Katharina Blum hat sich auf einer Karnevalsfeier in den eines Bankraubes und eines Mordes verdächtigen, bereits überwachten Ludwig Götten verliebt. Mord allerdings hat er keinen begangen. Sie verbringen die Nacht in ihrer Wohnung. Als die Polizei am Morgen vor Katharina Blums Tür steht, ist er weg. Beihilfeleistung zur Flucht eines gesuchten Terroristen wird ihr vorgeworfen. Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen sie in die Mangel. Werner Halbedl fasziniert als Vernehmender - Katharina Blum wird verhört, gedemütigt. „Die Zeitung" als meinungsmachendes Boulevardblatt stellt den Verdacht gegen Götten als Tatsache hin und sie als „Terroristenbraut" an den Pranger. Sie bekommt hasserfüllte, bedrohliche, entwürdigende, obszöne Anrufe und Zuschriften. Aus der erfolgreichen jungen Frau wird eine verachtete Außenseiterin. Ihre Chefin - Sigrid Sattler spielt u. a. auch diese Architektin - hält vorerst noch zu ihr, bekommt dadurch massiven Druck. Reporter Tödges verdreht bewußt Aussagen der Nachbarn, macht aus kühl „eiskalt" und aus klug „berechnend". Er verfälscht Antworten ihrer im Krankenhaus liegenden Mutter, die er mit den Vorwürfen gegen die Tochter konfrontiert hat, die Mutter stirbt am nächsten Tag. Katharina Blum lockt daraufhin Reporter Tödges mit der Aussicht auf ein Interview zu einem Treffen. Er will sofort zudringlich werden. Aber es ist sein letzter Weg...Die Gewalt von Worten
In einem Interview stellte Heinrich Böll 1974 fest: „Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen." Heute, 50 Jahre später, gibt es das Netz, gibt es Trollfabriken. In unvorstellbarer Geschwindigkeit und Wucht bedrohen Shitstorms, Hass und Drohungen die Gesellschaft, es wird diffamiert, Existenzen werden vernichtet. Das THEO legt mit diesem Stück den Finger in die Wunde. Gibt es Heilung?
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