Einzigartige Tradition
Pestkerzenumzug erinnert an überstandene Plagen

Der jährliche Pestkerzenumzug in St. Benedikten stellt aus volkskultureller Sicht einen in der Steiermark einzigartigen Brauch dar.  | Foto: Graz Seckau
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  • Der jährliche Pestkerzenumzug in St. Benedikten stellt aus volkskultureller Sicht einen in der Steiermark einzigartigen Brauch dar.
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In St. Benedikten im Bezirk Murtal findet alljährlich der sogenannte Pestkerzenumzug statt, der an die Notzeiten während der Pest, der Heuschreckenplage und der Türkenbelagerung erinnert. Auch heute noch folgt diese jahrhundertealte und in der Steiermark einzigartige Tradition streng festgelegten Regeln. 

ST. MARGARETHEN. Vor rund 300 Jahren waren die Bewohnerinnen und Bewohner des Wallfahrtsorts St. Benedikten (Gemeinde St. Margarethen bei Knittelfeld) mit vielfachen Schwierigkeiten konfrontiert. Im Angesicht der wütenden Pest, der Heuschreckenplage und der Türkenbelagerung gelobte die Bevölkerung von St. Benedikten und Umgebung daher, der Kirche eine zentnerschwere Wachskerze zu stiften, wenn der Himmel sie nur von ihrem Leid befreien würde.

Der Pestkerzenumzug hat in St. Benedikten eine jahrhundertelange Tradition.  | Foto: Graz Seckau
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Not macht erfinderisch: Peststange statt Wachskerze 

Eine solch schwere Kerze konnte man sich aufgrund der herrschenden Armut aber nicht leisten, weshalb man sich stattdessen mit einer bescheideneren Ausführung begnügte. Anstelle der Kerze wurde eine ca. 15 Meter lange Stange mit grüngefärbten, dünnen Wachskerzen umwickelt. An die Spitze der Holzstange setzte man außerdem eine kleine Laterne.

Weil man sich keine Kerze in der gewünschten Dimension leisten konnte, entschied man sich stattdessen für eine Holzstange, die mit Wachskerzen umwickelt und mit einer Laterne an der Spitze versehen wurde. | Foto: Graz Seckau
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Auch der Grazer Historiker, Lehrer und Priester Richard Peinlich berichtet in seinem Geschichtswerk aus dem Jahre 1877/78 davon, dass in Zeiten der immer stärker um sich greifenden Pest eine "Pestkerze" angefertigt und neben den Altar gestellt worden sei. Erst danach sei die Seuche allmählich zurückgegangen. Zum Dank habe man deshalb, "als der letzte von der Pest Befallene genesen war", die Kerze bei einer großen Prozession herumgetragen. Ein Brauch, den der Historiker auch in seiner eigenen Lebenszeit im 19. Jahrhundert noch kennt. 

Pestkerzenumzug auch in diesem Jahr 

Doch nicht nur bis ins 19. Jahrhundert, sondern sogar bis in die Gegenwart hat sich der Brauch des Pestkerzenumzugs in St. Benedikten erhalten. Dieser findet traditionell am zweiten Sonntag nach Fronleichnam, am Herz-Jesu-Sonntag statt, der in diesem Jahr auf den 26. Juni fällt. 

Der feierliche Umzug, der anfangs am Fuß des Kirchhügels erfolgte, seit einigen Jahrzehnten aber wieder hinter den Hochanger hinter der Kirche verlegt wurde, folgt dabei einer genau festgelegten Ordnung: Die Pestkerze wird entsprechend der Überlieferung von Altar zu Altar getragen. Dabei bedarf es einer großen Geschicklichkeit der Träger, die Pestkerze ohne Zwischenfall auf dem unebenen Gelände zu tragen. Damit das funktioniert, erteilt ein Feststangen-Meister den Trägern die nötigen Anweisungen.

Genau festgelegte Zuständigkeiten 

Auch das Herrichten und Tragen der Pestkerze erfolgt nach vorgegebener Überlieferung: Für die Hauptstange und deren Schmuck ist der Besitzer "Klob" verantwortlich.

Genau festgelegte Zuständigkeiten: Die beteiligten Bauernfamilien sind für das Tragen und Schmücken der Stangen verantwortlich.  | Foto: Graz Seckau
  • Genau festgelegte Zuständigkeiten: Die beteiligten Bauernfamilien sind für das Tragen und Schmücken der Stangen verantwortlich.
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Die restlichen Aufgaben sind ebenso bestimmten Familien vorbehalten: Die vier Jochträger, die das Gewicht der Stange tragen müssen, sind Angehörige der Bauernhäuser Eberhard, Lenzmoar, Klob und Kielprein. Für die acht Stangen zum Einhalten des Gleichgewichts sind je drei Männer aus Benedikten und Gottsbach und zwei Männer aus Ritzendorf verantwortlich. Neben dem Tragen der Stangen sind die Bauern auch für das Schmücken mit bunten Bändern und Blumen zuständig. Hat sich im abgelaufenen Jahr ein Todesfall ereignet, verwendet die betroffene Familie statt Blumen einen Trauerflor.

Erloschene Kerzen und folgenschwerer Unfall 

Die akribisch verteilten Zuständigkeiten und die Anweisungen des Feststangen-Meisters haben vor allem eines zum Ziel, nämlich ein Erlöschen der Kerze in der Laterne unbedingt zu vermeiden. Geschieht das beim Aufstellen oder während des Prozessionsganges, stellt dies ein unheilvolles Zeichen dar. 

Nicht nur beim Tragen, sondern auch beim Aufstellen der Kerze ist Fingerspitzengefühl gefragt. Der Feststangen-Meister passt darauf auf, dass die Kerze nicht erlischt.  | Foto: Graz Seckau
  • Nicht nur beim Tragen, sondern auch beim Aufstellen der Kerze ist Fingerspitzengefühl gefragt. Der Feststangen-Meister passt darauf auf, dass die Kerze nicht erlischt.
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Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen kam es beim Umzug im Jahr 1902 zu einem folgenschweren Unfall. Die Träger konnten die Balance nicht halten, die Stange fiel um und verletzte eine Klosterschwester tödlich. Seit diesem tragischen Zwischenfall ist auch die Pestkerze um ein Stück kürzer. 

Der diesjährige Pestkerzenumzug findet am 26. Juni ab 9 Uhr statt. Anschließend wird zum Frühschoppen mit dem Musikverein Feistritz-St. Lorenzen und dem Heimatverein Stamm 1907 geladen. 

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