Stefan Kaineder (Grüne) im Interview
"Sollten jede Woche ein Windrad eröffnen"

Stefan Kaineder (Grüne) ist seit 2020 Landesrat für Umweltschutz, Wasserrecht und Lebensmittelaufsicht.  | Foto: fotokerschi.at
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Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) kritisiert die schwarz-blaue Landeskoalition, fordert mehr Tempo beim Ausbau der Windenergie und will eine PV-Pflicht auf allen Wohn-Neubauten. Energiesparen sei derzeit Bürgerpflicht.

Die Grünen fordern 100 zusätzliche Windräder in Oberösterreich. Der zuständige Landesrat, Markus Achleitner (ÖVP), will hingegen bestehende Windräder „hochrüsten“, um mehr Ertrag zu bekommen. Reicht Ihnen das?
Das wird niemals ausreichen. Wir brauchen 100 neue Windräder in Oberösterreich, denn wir sind in einer Situation, in der Vladimir Putin das Gas als Kriegswaffe einsetzt. Und der Ausbau erneuerbarer Energien ist die Lebensversicherung der oberösterreichischen Wirtschaft und Industrie. Schwarz-Blau ist sehr blockiert von diesem alten Denken, dass wir mit billigem Gas unseren Wohlstand sichern. Die Landeskoalition sollte uns also nicht jede Woche erklären, was alles nicht geht. Wir sollten vielmehr jede Woche ein Windrad eröffnen, ein Fernwärmenetz an industrielle Abwärme anschließen oder eine große PV-Anlage auf einem Parkplatz eröffnen. 

Es gibt den Einwand, dass Oberösterreich nicht so viel Wind hätte, wie östliche Bundesländer.
Das ist nicht richtig. Es gibt Berechnungen von der IG Windkraft, die von 200 zusätzlichen Windrädern sprechen – dann sag ich: zumindest 100 werden wir bauen können. Den Wind gibt es in Oberösterreich und dort, wo es ihn gibt, werden wir ihn ernten müssen. Ein Windrad wird in Zukunft nicht mehr als Störung im Landschaftsbild wahrgenommen, sondern als Symbol für Freiheit und Demokratie. Wir brauchen jedenfalls sehr rasch einen überarbeiteten Wind-Masterplan, das muss Landesrat Achleitner liefern. Wir müssen wissen, wo Windräder gebaut werden können, um dann rasch die Verfahren abzuwickeln.

Also Sie unterstellen ÖVP und FPÖ in Oberösterreich, dass sie mit weiter fließendem Russen-Gas rechnen und deshalb keine zusätzlichen Windräder bauen?
Dieses alte Denken blockiert die Landeskoalition, das ist das Problem. Man hat noch nicht reflektiert, was der Ukraine-Krieg für die heimische Wirtschaft bedeutet. Der Ausbau der erneuerbaren Energie ist die Lebensversicherung der heimischen Industrie. Große Unternehmen wissen das auch – die wollen mit Hochdruck in die Zukunft.

Steht die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler bei der Beschleunigung von Umwelt-Verfahren auf der Bremse? Das hört man immer wieder vom politischen Mitbewerber in Oberösterreich.
Ganz im Gegenteil. Die Ministerin hat jetzt in Aussicht gestellt, dass die Bewilligung von Windrädern stark beschleunigt werden soll. Das Problem in den letzten fünf Jahren war sicher nicht, dass die Behörden bei der Bewilligung sehr langsam gewesen wären, sondern, dass die Politik keine neuen Windräder wollte. Das ist die traurige Wahrheit in Oberösterreich. Wir waren Vorreiter bei der Energiewende und jetzt sind wir Schlusslicht. Das hat mit dem politischen Stillstand unter Schwarz-Blau in Oberösterreich zu tun.

Aber es gibt die Kritik nicht bei Windrädern, sondern bei Verfahren im Allgemeinen. Die werden oft von zig Einsprüchen in die Länge gezogen – das ist ja nicht zu leugnen. Beispiel Westring oder jedes andere Infrastrukturprojekt: Da explodieren die Planungszeiten, weil irgendwo ein Regenwürmchen oder ein spezieller Vogel gefunden und dann wieder ein Einspruch ermöglicht wird.
Mir fehlen da die Energiewende-Beispiele, es gibt einfach keine Windrad-Projekte. Es wird kritisiert, die Behörden oder die Bürger würden dieses oder jenes Projekt verlangsamen, aber derzeit kann das niemand verlangsamen, weil es keine Projekte gibt. Und das hat damit zu tun, dass Schwarz-Blau entschieden hat, dass in OÖ keine Windräder gebaut werden.

Foto: fotokerschi.at

Also Sie sehen bei der Verfahrensdauer von großen Infrastrukturprojekten, egal ob Windrad oder nicht, keinen Handlungsbedarf?
Überall dort, wo wir wichtige Projekte für die Energiewende beschleunigen können, werden wir das tun. Das ist gar keine Frage. Es gibt nur derzeit keine Projekte, weil Schwarz-Blau das so entschieden hat.

Es hat früher eine direkte Landesförderung für PV-Anlagen gegeben. Derzeit ist die Nachfrage ohnehin groß, aber bräuchte es, begleitend zur Bundesförderung, noch zusätzliche Landesgelder?
Nein, das braucht es nicht. Aber man muss Großprojekte politisch vorantreiben. Ein Beispiel: In Oberösterreich gibt es tausende Parkplätze und -flächen. Diese versiegelten Flächen könnten gleichzeitig Sonnenkraftwerke werden. Die Landesregierung müsste das Gespräch mit großen Unternehmen und großen Handelsbetrieben suchen, um zu erfragen, woran es scheitert, dass Parkplätze mit Photovoltaik überdacht werden. Diese Steine, die da im Weg liegen, gehören beseitigt. Leider passiert da gar nichts, es gibt keine Initiative des Landes, um den großflächigen Ausbau von PV-Anlagen auf versiegelten Flächen voranzutreiben.

Also Sie fordern für zukünftige Supermarkt-Plätze eine PV-Anlagenpflicht?
Ja, ganz genau.

Würde das Gleiche für den sozialen Wohnbau gelten?
Ja. Selbst Schwarz-Blau will 200.000 Dächer in OÖ mit PV bestücken und das einfachste ist, das bei einem Bau verpflichtend vorzusehen. Das ist auch finanziell kein Problem, da sich eine PV-Anlage ohnehin nach ein paar Jahren rechnet und man dann Geld damit verdient. Also, es sollte eine solche Verpflichtung eigentlich schon längst geben – aber dafür fehlt auch wieder der Mut.

Also Sie fordern im sozialen Wohnbau eine PV-Anlagenpflicht?
Bei jedem Gebäude, das in Oberösterreich neu gebaut wird, sollte verpflichtend eine PV-Anlage aufs Dach.

Also auch im privaten Wohnbau?
Ja.

Themenwechsel zum Gas: Ihre Energieministerin hüllt sich über die Gas-Notfallpläne und welche Firmen im Ernstfall vom Netz genommen würden, in Schweigen. Wissen Sie da besser Bescheid als der Rest der Bevölkerung?
Ich finde den Diskurs ein bisschen unseriös. Hunderte Parameter bedingen, wieviel Gas für welchen Zweig unserer Wohlstandsgesellschaft da ist. Das beginnt bei simplen Dingen, wie zum Beispiel ob viel oder wenig Wasser in der Donau ist. Daraus folgt, ob man viel oder wenig Gas für die Stromerzeugung braucht. Diese hunderten Parameter wirken sich wiederum auf die Energielenkung aus. Eines ist jedoch klar: Gas wird als Kriegswaffe verwendet und die Ministerin bereitet sich mit den zuständigen Behörden akribisch auf den Ernstfall vor. Das Gute ist: Die Regierung hat schon mit dem Gasbevorratungsgesetz die Grundlage für gefüllte Gasspeicher im Herbst geschaffen – und dass wir damit über den Winter kommen. Somit ist es unseriös von der Ministerin zu verlangen, dass sie für einen fiktiven Ernstfall genau sagen kann, welches Unternehmen wieviel Gas bekommt. Und bei vielen großen Unternehmen und Aktiengesellschaften ist es ohnehin besser nicht in der Öffentlichkeit darüber zu debattieren, wieviel Gas sie bekommen oder nicht. Denn da würde der Aktienkurs sofort darunter leiden.

In Deutschland hat Energieminister Robert Habeck (Grüne) schon die Gas-Warnstufe ausgerufen hat und spricht öffentlich von "schweren Zeiten", die auf das Land zukommen. In Österreich lautet die Devise offenbar: "Schau ma mal, dann seh ma schon." Ist es nicht unfair gegenüber der Bevölkerung, dass die österreichische Bundesregierung ihr keinen reinen Wein einschenkt?
Die Haltung der Ministerin ist sehr eindeutig und sie sagt in jedem Interview, dass Energiesparen jetzt Bürgerpflicht ist. Denn mit jedem Kubikmeter Gas, den wir nicht verbrauchen, können wir die Speicher für den Ernstfall füllen …

… aber Sie werden mitbekommen haben, dass die Diskussion in Deutschland viel massiver als in Österreich geführt wird. In Österreich tut die Regierung so, als sei alles in bester Ordnung.
Ich nehme die Ministerin, auch im persönlichen Gespräch, ganz anders wahr. Der Ernst der Lage ist allen bewusst und man bereitet sich akribisch auf einen Ernstfall vor. Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass die Förderbedingungen massiv verbessert wurden – wenn etwa jemand die Heizung austauscht, eine PV-Anlage baut, oder auch bei der Genehmigung von Windrädern. Und sogar Verbund-Chef Michael Strugl hat unlängst gesagt, dass die Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat und nun die Länder am Zug sind. In Oberösterreich haben wir das Problem, dass unter Schwarz-Blau die Energiewende nicht so vorangetrieben wird, wie das gebraucht würde. Denn das ist unser Ausweg aus der aktuellen Abhängigkeit.

Stefan Kaineder: "Tempo 100 auf Autobahnen steht derzeit nicht zur Debatte." | Foto: fotokerschi.at
  • Stefan Kaineder: "Tempo 100 auf Autobahnen steht derzeit nicht zur Debatte."
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Sie haben zuvor das Energiesparen angesprochen. Bräuchte es nicht auch in Oberösterreich einen massiven Push, Vorbild Deutschland?
Ja, das ist natürlich eine Frage, die sich der Energie-Landesrat stellen kann. Denn es ist geboten, in allen Sektoren Energie einzusparen, das ist völlig logisch. Je weniger Gas wir verbrauchen, desto besser.

Wären Sie eigentlich für ein 100km/h-Limit auf der Autobahn? Das würde massiv Energie sparen.
Die Geschwindigkeitsbeschränkung wäre eine Notmaßnahme, die die Energieministerin in Zeiten der Not oder der Knappheit verhängen kann. In dieser Situation sind wir noch nicht. Aber es heißt ja nicht, dass man nicht grundsätzlich Energiesparen kann – es hilft auch, weniger Strom zu verbrauchen, da für die Stromversorgung immer wieder auch Gaskraftwerke gebraucht werden.

Sie sind jetzt elegant ausgewichen, deshalb nochmal: Wäre für Sie ein 100km/h-Limit auf der Autobahn denkbar?
Das steht nicht zur Debatte, da sowas nur in Energienotfällen verordnet würde. Und den Notfall gibt es noch nicht, da Österreich immer noch genügend Gas und Energie bekommt.

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