Wer pflegt Oma und Opa?
Der Pflegenotstand in Salzburg wird real
Der Pflegenotstand wird Realität und soll sich in den nächsten Jahren in der Stadt Salzburg massiv verstärken. Die Seniorenberatung spricht von Missstand und fordert zum Handeln auf. Die Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ) legt einen Maßnahmenplan vor, der an Land und Bund adressiert ist.
SALZBURG. Die Seniorenberatung schlägt Alarm und berichtet von Hausbesuchen, bei denen Menschen vollgekotet in der Badewanne oder in zugemüllten Wohnungen lagen. Zu lange wurde beim Thema Pflege "weggesehen", zu wenig gehandelt. Hilfsangebote werden ausgeschöpft und Betroffene – Angehörige, Pflegepersonal und Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen – sind am Limit.
"Wir können nur vermitteln, was es derzeit gibt, und das ist nicht viel." Patrick Pfeifenberger
Die Seniorenberatung könne in manchen Fällen nur noch zuhören. "Viele Jahre wird über den Pflegenotstand gesprochen, viel ist allerdings nicht passiert", sagt Stadträtin Anja Hagenauer (SPÖ), die eine unbenützte Windel als Symbol auf ihrem Tisch liegen hat. Diese Windel solle so lange "hier bleiben, bis wir Lösungen haben."
Maßnahmenpaket für die Pflege liegt vor
13 Punkte umfasst das Maßnahmenpaket für die Pflege, das Hagenauer vorlegt. Sie fordert das Land und den Bund zum Handeln auf. Darin wird unter anderem eine Milliarde Euro als Sofortmaßnahme für die Pflege gefordert, die Rückgewinnung ausgebildeter Pflegekräfte sowie die Reduktion sinnloser Dokumentation. Forderungen, die viele Seiten – wie Seniorenheime – seit langem stellten und die österreichweit bekannt seien.
"Ich glaube, wir sind bereits mitten in der Katastrophe." Susanne Mayer-Seeleitner
"Es gibt Konzepte (Anm. d. Red.: etwa der Ergebnisbericht der Taskforce Pflege, der dem Bundesministerium seit letztem Jahr vorliegt), die man relativ schnell umsetzen könnte. Trotzdem ändert sich nichts", kritisiert der Abteilungsleiter für Soziales, Patrick Pfeifenberger: "Unsere Seniorenberatung tut, was sie kann. Sollte sich die Personalsituation im gesamten Pflege- und Betreuungsbereich aber nicht bald verändern, werden die nächsten Jahre für alle Beteiligten sehr fordernd werden."
Dem pflichtet Susanne Mayer-Seeleitner, Leiterin der Seniorenberatung, bei. "Wir sind komplett am Limit und wissen teilweise nicht, was wir den Angehörigen sagen sollen."
Fachkräftemangel in der Pflege ist real
Ähnlich sieht es auch Christoph Baumgärtner, Leiter der Seniorenwohnhäuser der Stadt. Seit fast einem halben Jahr verzeichnet man hier keine Bewerbungen für den Pflege-Beruf. Eine interne Umfrage in den Seniorenhäusern beschäftigte sich mit den Rahmenbedingungen für das Personal – auch hier zeigt sich, welche Ansprüche auf dem Personal lasten.
"Wir können die Kollegen nicht noch mehr überfordern", sagt Baumgärtner und fordert Taten. Er meint, es müsse schneller gehen und bringt es auf den Punkt: "Die Pflege kann so nicht mehr." Eine mögliche Lösung sieht Baumgärtner darin, Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, doch auch hier gebe es Hürden, wie unregelmäßige Arbeitszeiten, fehlende Wertschätzung und einen hohen Verwaltungsaufwand.
Für "Care-Arbeit" entlohnen
Der Begriff "Care-Arbeit" bezeichnet die zumeist unbezahlte Arbeit des Pflegens und Kümmerns, die oftmals von Frauen zusätzlich zur Erwerbstätigkeit übernommen wird. Für Hagenauer ist klar, das der Anstellung pflegender Angehöriger eine Schlüsselrolle zukommt, trägt sie doch zur Entlastung des Pflegesystems bei und ermöglicht Älteren, möglichst lange im Wohnumfeld zu leben.
"Wenn die Pflege zu Hause gelingen soll, müssen wir die Netzwerke stärken, die diese Pflege leisten. Das bedeutet Geld und soziale Absicherung statt unbezahlter Arbeit. Die Pflegekrise lässt sich nicht mit Nächstenliebe und der Ausbeutung durch unbezahlte Frauenarbeit lösen, sondern nur mit Ressourcen und Respekt", sagt Hagenauer.
13 Maßnahmen von der Politik gefordert
"Meine Forderungen um die Pflegekatastrophe zumindest abzufedern, habe ich in meinem 13 Punkte Programm „Pflege braucht Taten – aber sofort“ bereits im Herbst 2021 vorgelegt", erklärt Anja Hagenauer. Das Maßnahmenpaket im Detail kannst du dir >>hier<< ansehen.
- 1. Eine Milliarde Euro als Sofortmaßnahme für die Pflege
- 2. Konflikte beenden - Beauftragten für Pflege bestellen
- 3. Gründung einer Bundesagentur zur gezielten Anwerbung von PflegeFachkräften
- 4. Gesetze entrümpeln: Reduktion sinnloser Dokumentation - Empowerment für
Pflegekräfte - 5. Übergangspflege-Projekt im Haus III in Itzling umsetzen
- 6. Landesweites „Pflege Support-Team“
- 7. Karrieremodell der Stadt ausrollen
- 8. Rückgewinnung ausgebildeter Pflegekräfte
- 9. Gemeinsames Pilotprojekt „digitale“ Pflegedokumentation
- 10. Derzeit bestehende Diplomlehrgänge aufrechterhalten
- 11. Pflegeausbildung kostet Geld – das muss es uns wert sein.
- 12. Arbeitserleichterung für mobile Dienste
- 13. Coronavirus: Einheitliche Quarantäne-Bescheide
Mehr aus der Stadt liest du >>hier<<
Weitere Beiträge von Sabrina Moriggl gibt es >>hier<<
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.