Schlaganfall mit 32 Jahren
Mit viel Therapie zurück ins Leben gekämpft

Gemeinsam durch dick und dünn: Heike und Andreas Langmann sind seit 18 Jahren ein Paar. Zwei Monate vor der Hochzeit erlitt Andreas einen Schlaganfall.  | Foto: RegionalMedien Steiermark
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  • Gemeinsam durch dick und dünn: Heike und Andreas Langmann sind seit 18 Jahren ein Paar. Zwei Monate vor der Hochzeit erlitt Andreas einen Schlaganfall.
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Eine Studie der FH Joanneum Graz widmet sich den Bedürfnissen von Aphasikerinnen und Aphasikern. Das sind Menschen die, etwa durch einen Schlaganfall ausgelöst, von einer Sprachstörung betroffen sind. Der 38-jährige Ligister Andreas Langmann ist einer von ihnen. Ein Schlaganfall vor sechs Jahren stellte sein Leben auf den Kopf.

STEIERMARK/LIGIST. Andreas Langmann steht mit 32 Jahren mitten im Leben als er eines Tages mit schweren Bauchschmerzen das Spital aufsucht. Aufgrund eines Darmverschlusses muss der Voitsberger operiert werden. In der Aufwachphase kommt es zum Schlaganfall. Aufgrund der offenen Wunde kann nicht mit den üblichen Methoden dagegen vorgegangen werden. Eine schwere Ausprägung ist die Folge, schildert die Ehefrau von Andreas Langmann, Heike: "Er konnte nicht essen, nicht schlucken, nicht sprechen und war halbseitig gelähmt."

 Sprachstörung nach Schlaganfall

Rund 3.000 Menschen sind jährlich in der Steiermark von einem Schlaganfall betroffen. "In der initialen Phase sind ungefähr 40 Prozent aphasisch, das heißt wir haben eine vierstellige Anzahl von Menschen mit Aphasie in der Steiermark pro Jahr. Im ersten Jahr rehabilitiert davon die Hälfe. Das heißt 15 bis 20 Prozent aller Schlaganfall-Patienten haben für den Rest ihres Lebens eine Sprachstörung", erklärt der Leiter der Logopädie der FH Joanneum Graz, Robert Darkow

Bei Aphasie handelt es sich um eine Sprachstörung nach zentraler Verletzung des Gehirns. Für ein besseres Verständnis der Sprachstörung lädt Darkow  zum Gedankenexperiment: "Wir lernen gemeinsam in den nächsten zwei, drei Wochen japanisch und begeben uns dann nach Japan. Die Idee von was wir ausdrücken wollen, ist alles im Kopf - aber: es kommt nichts heraus, weil wir nur einen rudimentären Wortschatz von 20 Wörtern beherrschen." 

 Bei einer Aphasie sind genau die Teile des Hirns betroffen, die Sprechen und Sprachverständnis ermöglich. Lesen und Schreiben ist für die Betroffenen nicht möglich bzw. muss neu erlernt werden.  | Foto: RegionalMedien Steiermark
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Sprachtherapie wesentlich für Genesung

Für viele Aphasikerinnen und Aphasiker geht dieser Sprachverlust mit sozialer Isolierung, Erwerbslosigkeit und Herausforderungen in bestehenden Partnerschaften einher, so Darkow: "Wir definieren uns über unsere Tätigkeiten, über unsere Einbettung in die Gesellschaft und all das wird aufgrund der Sprachstörung nahelos zerstört oder auf den Kopf gestellt." 

Die Chance auf eine vollständige Genesung ist abhängig von der Schwere der Schädigung sowie der begleitenden Sprachtherapie, erklärt der Experte. Wie oft therapiert wird, sei der Wissenschaft zufolge wesentlich für signifikante Verbesserungen. Im Idealfall haben Betroffene rund zehn Stunden pro Woche individuell Therapie, eine Frequenz die kaum der Realität entspricht, so Darkow, der auf Deutschland verweist, wo Aphasiepatientinnen und -patienten im Schnitt wöchentlich nur 28 Minuten therapiert werden. 

Mit starkem Willen auf die Beine

Auch bei Andreas Langmann war es die intensive Therapie, die ihm zu ersten Erfolgen verhalf:  "Ergo-, Physiotherapie und Logopädie...Fitnessstudio", zählt Langmann seine wöchentlichen Therapien auf. Auch das Sprechen musste Langmann nach dem Schlaganfall vor sechs Jahren neu erlernen. Nach vielen Logopädieeinheiten besitzt der Aphasie-Betroffene aktuell einen Sprachschatz von mehreren Wörtern. "Moritz...Baby...1 Jahr...Buch lesen", erzählt Andreas Langmann etwa von seinem aktuellen Ziel - seinem einjährigen Sohn, Bücher vorzulesen und Bilder zu beschreiben.

Wunsch nach mehr Information über Sprachstörungen

Es ist viel Arbeit, die sich aber auch bezahlt macht: So kann Andreas Langmann inzwischen selbständig seinen Alltag zu meistern und auch mit dem Auto fahren: "Das war ein großes Ziel und gleichzeitig eine große Hürde", so seine Frau Heike, die im Tag für Tag unterstützend zur Seite steht. Langmanns große Leidenschaft neben seiner Familie ist die Freiwillige Feuerwehr, bei der er auch nach seinem Schlaganfall mit seiner offenen Art wieder herzlich aufgenommen wurde. 

Manchen Außenstehenden falle es aufgrund der Sprachbarriere allerdings schwer, auf Langmann zuzugehen. "Die meisten haben Angst, etwas falsch zu machen oder trauen sich nicht nachzufragen, wie Andreas etwas gemeint hat." Heike Langmann würde sich daher wünschen, dass die Gesellschaft mehr über Sprachstörungen informiert wird, um vorherrschende Ängste abzubauen. 

Studie erforscht Bedürfnisse von Betroffenen

Gerade die logopädische Arbeit sei für Patientinnen und Patienten sehr fordernd und bringe diese oft auch an ihre Grenzen,  erklärt Darkow: Logopädie ist wahnsinnig konfrontativ, also, das heißt, wir stupsen die Betroffenen immer mit der Nase auf das, was sie gerade nicht können." Gleichzeitig haben die Patientinnen und Patienten wenig Möglichkeiten, Einfluss auf die Ausgestaltung der Therapie zu nehmen und dadurch oft wenig Motivation für eine hochfrequente Behandlung. Um dem auf den Grund zu gehen hat das Institut für Logopädie der FH Joanneum Graz das Forschungsprojekt "AWARE" ins Leben gerufen. 

Mehr Infos zur AWARE-Studie
      Erste Ergebniss der „AWARE“ Studie zeigen, dass sich Aphasie-Betroffene und deren Angehörige folgende Punkte wünschen:

    • Angemessene Therapiefrequenz
    • Mitspracherecht bei Therapieformen und Therapiearten
    • Leistbarkeit der Therapie
    • Mehr Kassentherapeutinnen und -therapeuten
    • Direktverordnung für Therapieeinheiten
    • Entlastung der Angehörigen

    • Angehörige nehmen häufig die Rolle der sogenannte Co-Therapeutin – oder des Therapeuten ein und das kann körperliche und psychische Herausforderungen mit sich bringen. Zusätzlich sind es oft organisatorische Dinge, die Angehöre erledigen, wie etwa Medikamente und Verordnungen einholen oder Betroffene von A nach B zu führen. „Das ist ein riesiger Strauß an Dingen, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Und damit wird man letztlich zum Case-Manager“, so Darkow.

      Eine Lösung für die angesprochenen Punkte sei laut Darkow eine Art Lotsensystem in Form von einem Case-Management. „Das heißt wir haben professionelle Case-Manager:innen“, die wissen was die Betroffenen brauchen, stehen in Kontakt mit den Profesionist:innen und können im Hintergrund durch standardisierte Wege mit wenig Aufwand die Versorgung gewährleisten.“

Anstatt "über den Kopf hinweg zu forschen" stehen bei diesem Projekt die Betroffenen im Fokus um langfristig die Therapie mehr auf die Bedürfnisse abstimmen zu können. "Vielleicht bedarf es einer eine digitale, eigenständige Therapie, vielleicht arbeiten Betroffene lieber daheim auf dem Bildschirm mit einer App", nennt Darkow eine Möglichkeit einer alternativen Therapieform.  In der ersten Phase der Studie wurden 20 Interviews mit Aphasie-Betroffenen und ihren Angehörigen geführt und analysiert. Nun sind die Forschenden auf der Suche nach Menschen mit Aphasie, die bereit sind einen Fragebogen zu beantworten. Interessierte können sich unter aphasie@fh-joanneum.at melden. 

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