Nach offizieller Studie
Steirische Fachleute zum Mythos "Männerschnupfen"

Und es gibt ihn also doch nicht – zumindest nicht wissenschaftlich erwiesen: Der oftmals zitierte und "zelebrierte" Männerschnupfen ist medizinisch gesehen nicht mehr oder weniger belastend als jener von Frauen. | Foto: Panthermedia
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  • Und es gibt ihn also doch nicht – zumindest nicht wissenschaftlich erwiesen: Der oftmals zitierte und "zelebrierte" Männerschnupfen ist medizinisch gesehen nicht mehr oder weniger belastend als jener von Frauen.
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Schnupfen ist nicht gleich Schnupfen – je nachdem ob Mann oder Frau darunter leiden, schwanken die Symptome zwischen "etwas angeschlagen" und "schwer krank". Mit diesem Klischee des oft und gern bemühten "Männerschnupfens" haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Medizinischen Universität Innsbruck nun aber aufgeräumt: Ihrer Studie zufolge gibt es keinen geschlechterspezifischen Unterschied der Symptome bei Schnupfen. MeinBezirk.at hat steirische Expertinnen und Experten dazu befragt.

STEIERMARK. Eines gleich vorweg: Bei dieser Geschichte darf und soll geschmunzelt werden, denn ein Schnupfen – egal ob für Frauen oder Männer – ist zwar lästig und unangenehm, aber bei Weitem kein Weltuntergang. Dennoch hält sich nach wie vor hartnäckig das Vorurteil, wonach das "starke Geschlecht" auch viel stärker unter einem herkömmlichen Schnupfen leide als Frauen.
Eine aktuelle Studie aus Innsbruck belegt nun nämlich, dass es keinen signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei den objektivierbaren Symptomen bei der Schnupfen-Erkrankung gibt. Dies hat das Team um  David Riedl von der Universitätsklinik für Psychiatrie II und Daniel Dejaco von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck im Fachjournal "Journal of Psychosomatic Research" publik gemacht.

"Krankheit als sekundärer Krankheitsgewinn"

Was sagen nun steirische Expertinnen und Experten zu diesen Studienergebnissen? Wie erleben sie das männliche und weibliche Leiden in ihrer Praxis? "Das ist jetzt nicht wissenschaftlich fundiert, sondern spiegelt lediglich meine Erfahrung und Einschätzung wider, aber meines Erachtens kann man das nicht zwischen Mann und Frau fest machen, sondern es ist viel mehr vom sozio-kulturellen Hintergrund abhängig wie man sich bei einer Krankheit verhält", meint Alexander Moussa, Sektionsobmann für Allgemeinmedizin und Kassenärztinnen und -ärzte innerhalb der Ärztekammer Steiermark.

Alexander Moussa, Allgemeinmediziner im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, sieht weniger einen Unterschied zwischen den Geschlechtern, sondern darin, wie Patientinnen und Patienten beim "Kranksein" sozialisiert wurden. | Foto: RegionalMedien
  • Alexander Moussa, Allgemeinmediziner im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, sieht weniger einen Unterschied zwischen den Geschlechtern, sondern darin, wie Patientinnen und Patienten beim "Kranksein" sozialisiert wurden.
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Moussa sieht das Empfinden einer Krankheit eher im Zusammenhang mit dem "sozialen Setting, in dem man aufgewachsen ist und wie man gelernt hat mit Krankheit umzugehen." Der Allgemeinmediziner, der selbst eine Praxis in Hartberg betreibt, bezeichnet dieses Phänomen als "sekundären Krankheitsgewinn":

"Wer als Kind im Falle einer Krankheit bemuttert und besonders fürsorglich behandelt wurde, hat daraus ein Verhaltensmuster entwickelt und wendet dieses nun auch im Erwachsenenalter an. Man generiert durch 'mehr Leiden' auch mehr Fürsorge und Zuwendung. Das ist aber vom Geschlecht unabhängig."
Alexander Moussa, Allgemeinmediziner in Hartberg

Was Moussa ebenso nicht bestätigen kann, ist, dass Männer schneller und stärker leiden. "Im Gegenteil, hier herrscht ja oft das Denken: 'Mein Körper muss funktionieren' und mit diesen Gedanken gehen sie trotz grippalem Infekt auf die Baustelle arbeiten.

Die Grazer Allgemeinmedizinerin Kristina Köppel-Klepp berichtet wiederum, dass Männer ihrer Meinung nach nicht mehr leiden als Frauen. "Sie leiden anders. Viele Männer können damit nicht umgehen, wenn sie nicht fit und gesund sind. Einige ignorieren ihre Symptome und gehen nicht zum Arzt, andere wiederum fürchten eher, dass es sich um eine besonders schlimme Erkrankung handelt." Generell denkt auch Köppel-Klepp, dass es zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede im Krankheitsverlauf und/oder -empfinden gibt. "Ich denke niemand ist gerne krank und jeder geht anders damit um. Der eine hat gerne seine Ruhe, der andere wird lieber umsorgt. Und man findet bei beiden Geschlechtern unterschiedliche Verhaltensmuster."

"Männer leiden nicht mehr, sie leiden anders", meint die Grazer Allgemeinmedizinerin Kristina Köppel-Klepp. | Foto: Alex Stangl
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"Einen 'Männerschnupfen' an sich gibt es natürlich nicht", schmunzelt auch der Feldbacher Allgemeinmediziner Felix Spitzer. Es sei aber zu beobachten und auch durch Studien belegt, dass die Geschlechter ganz anders mit Schmerz und Krankheit umgehen. Frauen würden von ihrem Organismus her – man denke etwa auch an die Schwangerschaft beziehungsweise Geburt – schneller in die Genesungsphase starten, während der Mann eher auf Energiegewinnung ausgelegt sei.

"Männer sind härter im Nehmen"

"Ich sage ganz klar, es gibt keinen Männerschnupfen. Ich kenne das auch überhaupt nicht, dass Männer mehr jammern als Frauen. Auch kann ich nicht bestätigen, dass Männer weniger auf ihr Immunsystem achten", dieses klare Statement kommt aus der Murapotheke Frohnleiten.
Eine Haltung, die auch von Kollegin Shamim Waldorf aus der Apotheke Kalsdorf unterstützt wird: "Ich würde nicht sagen, dass es so etwas wie einen Männerschnupfen gibt. Meiner Erfahrung nach jammern Männer nicht mehr als Frauen oder sind hysterischer. Sie sind eher härter im Nehmen", so die Apothekerin, die das auch gleich noch mit einer Anekdote unterlegt: "Heute hatte ich etwa einen Kunden, der glaubte, es bahne sich etwas an und will deshalb vorsorglich etwas kaufen. Vielleicht werden sie aber auch von ihren Frauen geschickt… Vor den Weihnachtsfeiern haben sich jedenfalls viele Männer mit Medikamenten eingedeckt, zum Regenerieren", berichtet Waldorf schmunzelnd.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Medizinischen Universität Innsbruck haben das Phänomen "Männerschnupfen" unter die Lupe genommen. | Foto: Panthermedia
  • Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Medizinischen Universität Innsbruck haben das Phänomen "Männerschnupfen" unter die Lupe genommen.
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Unterschiedliche Reaktionen aufgrund des Stoffwechsels 

Alexandra Fuchsbichler, steirische Landesgruppen-Obfrau der selbständigen Apothekerinnen und Apotheker kennt die Thematik auch aus ihrer täglichen Arbeit in der Apotheke in Voitsberg: "In der Studie wurde ja bestätigt, dass es den Männerschnupfen als solches nicht gibt. Natürlich muss man aber bedenken, dass Männer und Frauen anders auf Krankheiten und Medikamente reagieren, was mit Unterschieden im Stoffwechsel zusammenhängt." Auch Fuchsbichler weiß zu berichten, dass Männer meist weniger gerne zum Arzt gingen und sich seltener um die Gesundheitsvorsorge kümmern.

Dieses Zögern beim Arztbesuch kann auch die Grazer Apothekerin Emilia Milenkovics von der Opernapotheke bestätigen: "Natürlich kann man nicht alle Männer über einen Kamm scheren, aber viele nehmen es tatsächlich schlimmer wahr. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Männer oft länger zuwarten und zuerst meinen, sie brauchen eh nichts, bis es dann richtig schlimm ist. Die Männer, die zu uns kommen, nehmen in der Regel die Hilfe an und lassen sich gerne beraten."

Berichtet aus ihrer täglichen Beratung in der Opernapotheke in Graz: Emilia Milenkovics. Männer kämen oft später und leiden demnach eventuell auch stärker.  | Foto: MeinBezirk.at
  • Berichtet aus ihrer täglichen Beratung in der Opernapotheke in Graz: Emilia Milenkovics. Männer kämen oft später und leiden demnach eventuell auch stärker.
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Leiden Männer bei Schnupfen mehr?

Und hier geht es zur Studie: www.sciencedirect.com

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