Interview mit einer Kuscheltherapeutin
Warum wir alle mehr "absichtslose Berührung" brauchen
Elena Büloff arbeitet als Kuscheltherapeutin. Ein Gespräch über einen (noch) unbekannten Beruf zum heutigen Weltkuscheltag.
GRAZ. Kuscheln ist gesund: Ein bisschen Anschmiegen kann nicht nur nachweislich den Blutdruck senken, sondern auch Schmerzen und Ängste reduzieren. Trotzdem hat es die "absichtslose Berührung" in unserer Gesellschaft schwer, wird zum Vor- und Nachspiel mit dem eigenen Partner degradiert.
Das sollte nicht so sein, findet die Grazer Kuscheltherapeutin Elena Büloff. Welche Auswirkungen ausgiebiges "Im-Arm-Halten" haben kann, wie "Kuschelsessions" ablaufen und warum es das auf Rezept geben sollte, hat sie MeinBezirk.at im Interview erzählt.
Sie sind seit 2019 Kuscheltherapeutin – wie kommt man dazu?
Mir hat einfach diese absichtslose Berührung gefehlt. Kuscheln muss nicht immer unbedingt im sexuellen Kontext geschehen. Man kann jemanden auch einfach so länger umarmen und Nähe schenken. Also bin ich Kuscheltherapeutin geworden.
Wie läuft denn so eine Kuscheltherapie ab?
Bei mir gibt es zuerst immer ein Kennenlerngespräch und wenn die Chemie stimmt, kommt es zu einer Therapiestunde. Die dauert dann 50 Minuten und wie gekuschelt wird, hängt sehr vom jeweiligen Klienten ab. Es gibt natürlich Einschränkungen: Küssen ist untersagt und der intime Bereich wird nicht berührt.
"Kuschen muss nicht immer unbedingt im sexuellen Kontext geschehen."
- Elena Büloff
Was ist denn Ihre Lieblingskuschelposition?
Persönlich mag ich es gern, wenn ich sitze oder liege und die andere Person sich an meine Brust kuschelt. Den Menschen ganz nah am Herzen zu halten, das ist schön. Aber natürlich schaue ich immer, was die andere Person im Moment gerade braucht.
Für wen sind diese Kuschelzeiten gedacht? Für Einsame?
Ja, aber nicht nur. Grundsätzlich kann jeder einmal zur Kuscheltherapie kommen, der etwas Neues erfahren oder entdecken möchte. Ich sehe Kuschelsessions wie einen Wellness-Tag: Wenn man den stressigen Alltag vergessen möchte, lässt man sich eben eine Stunde bekuscheln. In dieser Kuschelzeit eröffne ich einen Raum, in dem ich für den Menschen mit allen seinen Wünschen, Bedürfnissen und Grenzen da bin. Hier muss nichts geleistet werden, man darf einfach sein.
"Ich sehe Kuschelsessions wie einen Wellness-Tag."
- Elena Büloff
In Deutschland gab es schon erste Versuche, Kuscheln auf Rezept zu verschreiben. Macht das Sinn?
Auf jeden Fall. Kuscheln ist ja nicht nur entspannend. Bei absichtslosen Berührungen wird auch das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das uns zum Beispiel einfühlsamer macht. Zugleich entspannen sich die Gelenke, der Blutdruck senkt sich – Kuscheln ist also aus gesundheitlichen Gründen wichtig. Ich spiele deshalb mit dem Gedanken, die Krankenkassen darauf anzusprechen. Man muss aber auch sagen, dass Kuscheltherapie noch recht neu ist, das muss erst bekannter werden.
Kuscheln bringt also ziemlich viele Vorteile – warum tun wir es trotzdem so selten?
Weil wir so erzogen werden: Es ist einfach nicht üblich, andere Menschen zu berühren, es sei denn, es handelt sich um den eigenen Lebenspartner. Ich glaube, dass Kuscheln in unserer Gesellschaft zu sehr sexualisiert wird. Dabei müssen Berührungen nicht unbedingt Vorspiel sein.
Letzte Frage: Was raten Sie allen "Unterkuschelten"?
Wenn man ein starkes Bedürfnis nach mehr Nähe spürt, sollte das seinen Liebsten sagen, sich bewusst mehr Zeit dafür nehmen. Ich denke, wir berühren uns zu oft nur flüchtig und nebenbei. Wir sollten einander mitfühlender begegnen. Freunde vielleicht beim Abschied einmal länger umarmen oder auch einmal mit ihnen kuscheln. Wichtig ist dabei offene Kommunikation: Gegen den Willen kuscheln kann nämlich Stresshormone auslösen.
Mehr Information:
Mehr über Elena Büloff und ihre Kuscheltherapie findet sich online.
Das könnte dich auch interessieren:
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.