Alltagssexismus in der Steiermark
Das müssen Frauen Tag für Tag aushalten

Zahlreiche Frauen in der Steiermark müssen sich tagtäglich mit Sexismus herumschlagen. | Foto: Pixabay/Mihai Surdu
5Bilder
  • Zahlreiche Frauen in der Steiermark müssen sich tagtäglich mit Sexismus herumschlagen.
  • Foto: Pixabay/Mihai Surdu
  • hochgeladen von Vanessa Gruber

Der Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen hat in den letzten Wochen Sichtbarkeit für die Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit Alltagssexismus geschaffen. Die Berichte schockieren und zeigen, dass es dringend notwendig ist, darauf aufmerksam zu machen.

STEIERMARK. Bereits im Sommer rief der Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen auf seinen Kommunikationskanälen die Bevölkerung auf, ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus zu teilen. Diese Berichte sollten dann anonym, aber mit Alter und Ort der Erfahrung auf Social Media und der Website des Dachverbandes veröffentlicht werden.

Zum Umdenken anregen

Aus Sicht des Vereins müsse nämlich unbedingt Sichtbarkeit für die alltäglichen Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit Sexismus geschaffen werden. „Das Tückische an Alltagsexismus ist leider auch, dass er meist als ,Normalität‘ hingenommen wird. Es liegt nicht in der Verantwortung der von Sexismus betroffenen Person, diesen durch Verhaltensänderungen oder Ausweichreaktionen zu verhindern, sich dagegen zu wehren oder in jeder Situation einen schlagfertigen Spruch parat zu haben“, betont Obfrau Anny Lori Sperl und ergänzt: „Verantwortlich für sexistische Verhaltensweisen sind diejenigen, die sie ausüben – sei es bewusst, durch unreflektiertes Handeln entlang stereotyper Rollenzuschreibungen oder aufgrund benachteiligender Strukturen, die nicht hinterfragt werden. Da braucht es Information, Bewusstseinsbildung und insbesondere Stärkung von Betroffenen.“ 

Warst du schon einmal von Alltagssexismus betroffen?

Viele Menschen verdrängen, wie präsent Alltagssexismus ist und wie schmerzhaft und unfair die Erfahrungen für Frauen und Mädchen sind. Gleichzeitig scheint es aber so, als hätten sich Betroffene sogar schon daran gewöhnt. Der Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen ist überzeugt, dass das so nicht sein darf. Neben der Hilfe in den einzelnen Beratungsstellen quer durch die Steiermark will der Verein mit seiner Kampagne eine Plattform bieten, die das Ziel hat, zum Umdenken anzuregen. 

Was ist „Alltagssexismus“?

Alltagssexismus bezeichnet die alltägliche Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts. Es handelt sich um subtile und oft unbewusste Formen der Ungleichbehandlung, die in verschiedenen Situationen auftreten können – sei es am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Familie oder im öffentlichen Raum.

Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen bietet Betroffenen quer durch die Steiermark Hilfe und Unterstützung. | Foto: getty-images/unsplash
  • Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen bietet Betroffenen quer durch die Steiermark Hilfe und Unterstützung.
  • Foto: getty-images/unsplash
  • hochgeladen von Isabelle Cerha

Beispiele für Alltagssexismus sind sprachliche Diskriminierung, Menschen auf ihre körperlichen Merkmale zu reduzieren sowie die Erwartung, dass Frauen bestimmte traditionelle Rollen und Verhaltensweisen einnehmen sollten, wie die Pflege von Kindern oder die Hausarbeit. Alltagssexismus zeigt sich aber auch durch Lohnungleichheit, mangelnde berufliche Anerkennung oder die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Besonders ernste Formen von Alltagssexismus sind sexuelle Belästigung und Gewalt. Das umfasst sowohl unerwünschtes Flirten und anzügliche Kommentare als auch unerwünschte Berührungen bis hin zu sexualisierter Gewalt.

Schreckliche Berichte aus der Steiermark

Besonders oft berichteten die Frauen und Mädchen von Erfahrungen mit „Catcalling“, also anzüglichen und übergriffigen Bemerkungen und Sprüchen, die sie zu hören bekamen. Zudem war sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Thema: Belästigungen erfuhren die Frauen teils vom Chef, den Arbeitskollegen, oder in der Gastronomie durch Gäste. Es ist für Frauen und Mädchen auch noch immer schwer, in einem männerdominierten Arbeitsfeld zu arbeiten.

Auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist Teil von Alltagssexismus. | Foto: panthermedia/werner.heiber
  • Auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist Teil von Alltagssexismus.
  • Foto: panthermedia/werner.heiber
  • hochgeladen von Michael Hintermüller

So erzählt eine 23-jährige Frau von ihrer Erfahrung in Kapfenberg: „Ich habe mir fürs Studium in den Ferien etwas im Büro eines metallverarbeitenden Betriebs dazuverdient. Bei einer Sitzung, in der ich immer Protokoll führte, ging das Kabel zum Beamer schwer anzuschließen. Mein Chef hat dann mit ekeligem Grinsen angeboten, mir zu zeigen, wie man das richtig ,reinsteckt‘. Er und die anwesenden Kollegen (nur Männer) fanden das sehr lustig.“

„Ich habe eine Lehre zur Karosseriebautechnikerin gemacht und dementsprechend die Arbeitskleidung der Firma getragen. Bei einer Firmenfeier war ich dann in Privatkleidung. Da sagte ein Arbeitskollege zu mir: Du hast ja doch einen geilen Körper, Arsch und Titten.“
18-jährige Frau aus Graz

Selbst in der Schule erfahren Mädchen und Frauen Sexismus durch das Lehrpersonal. Ein 17-jähriges Mädchen aus der Obersteiermark berichtet: „Im Gymnasium hatte ich einen Mathematiklehrer, der nur die normschönen Mädchen mochte und gut bewertete. Alle anderen (übergewichtig, alternativ, ungestyled) hat er an die Tafel geholt und vor der Klasse beleidigt und gemobbt. Einmal sagte er zu mir, ich solle lieber zum Supermarkt an die Kassa gehen. Da würde der Computer die Arbeit für mich machen, obwohl ich auch dort zu dumm zum Eintippen wäre. Nachdem er die Schule verlassen hatte, war ich richtig gut in Mathematik.“

Auch in der Schule sind Schülerinnen nicht vor Sexismus geschützt. | Foto: PantherMedia/Milkos
  • Auch in der Schule sind Schülerinnen nicht vor Sexismus geschützt.
  • Foto: PantherMedia/Milkos
  • hochgeladen von Klaus Niedermair

Am Arbeitsplatz zeigte sich auch, dass viele Frauen auch als Expertinnen in ihrem Bereich nicht ernst genommen werden. Ihre Entscheidungen und ihr Können werden von Kollegen untergraben. Eine Frau mit 27 Jahren aus Graz berichtet: „Ich arbeite in meinem Job im Krankenhaus nahe am Menschen und werde nahezu täglich übergriffig angesprochen, vorrangig von Männern. Ich habe in meinem Job oft das Gefühl, als Frau nicht ernst genommen zu werden und von den Ärzten (absichtlich nicht gegendert) bevormundet zu werden. Sie erklären mir dann meinen Job, obwohl ich Expertin in dem Fachgebiet bin.“

Auch von körperlichen Übergriffen und Gefahrensituationen wurde berichtet. Hier erzählten die Frauen von Vorfällen beim Ausgehen, genauso wie im privaten Umfeld.

„Ich bin bei einer öffentlichen Veranstaltung. Es ist schon spät am Abend und ich dränge mich durch die Menschenmenge hindurch zum Ausgang. Am Weg werde ich von mehreren Männern am Po angefasst. Sagen kann ich nichts, denn sie sind schnell wieder in der Menge verschwunden.“
20-jährige Frau aus Graz

Besonders erschütternd ist der Bericht einer Frau mit Ende 40 aus Leibnitz, die einen Mordversuch als Gipfel der Gewalt überlebt hat: „Ich musste einfach funktionieren als Frau. Mein Partner hat mich kontrolliert und sogar bis in die Arbeit verfolgt. Er hat dauernd angerufen und mich bevormundet, bis ich eines Tages zu ihm sagte: Ich bin nicht dein Hund! Er hat mir dann gedroht: Du wirst noch sehen, was du davon hast! Als wir zuhause waren, hat er versucht, mich umzubringen. Ich lag fünf Wochen im Koma, hatte viele Operationen und leide heute noch an den Folgen des Mordversuchs.“

Was du gegen Alltagssexismus tun kannst

Wenn du Zeugin oder Zeuge von Sexismus wirst, dann leiste dem Opfer Beistand. Thematisiere respektvoll, dass sexistisches Verhalten nicht geduldet wird. Wenn du schon selbst Erfahrungen mit Sexismus gemacht hast, dann tausche dich mit anderen Betroffenen aus und bestärkt euch damit gegenseitig. Ganz allgemein gilt: Zeige dich mit Frauen und Mädchen solidarisch. Schaffe Sichtbarkeit für ihre Erfahrungen und setze dich gegen Sexismus ein.

Mehr Informationen zum Dachverband der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen gibt es hier

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren:

"Das Motiv war offenbar Eifersucht"
Zwangloser anonymer Selbsttest für Männer
Gesetz für Aberkennung von Ehrenzeichen
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.