Der alte Birnbaum. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind Gebliebene - Teil 62

2Bilder

Am Wochenende hat mein Mann die leeren Mostfässer aus dem Keller hochgetragen. Sie gehören schleunigst gewaschen, denn die Mostbirnen fallen schon fleißig von den hohen Birnbäumen und wollen ausgepresst und zu Most und Obstsaft verarbeitet werden. Als ich die Bäume ablief, um nachzusehen wo schon viel Obst heruntergefallen war, stachen mir wieder mal die vielen dürren Birnbäume ins Auge und ich fragte mich wie so oft, ob das Birnbaumsterben auch dem Klimawandel zuzuschreiben ist, oder ob all diese Bäume einfach nur zur selben Zeit gepflanzt worden sind und ihre Zeit jetzt halt abgelaufen ist. Inmitten dieser Überlegungen, ist mir die heutige Geschichte in den Sinn gekommen.

Der kleine Birnbaum

Es war einmal, in einem Gebiet, das wir heute das Alpenvorland nennen, da wuchsen viele stattliche Birnbäume. Allesamt waren sie groß und mächtig anzusehen. Manche bereicherten die hügelige Landschaft in Form von langen Alleen, andere übersäten die saftigen Streuobstwiesen in wunderschönen Mustern. Die Menschen erfreuten sich an den stattlichen Bäumen seit vielen Jahrhunderten. Ihre saftigen Früchte dienten als gesunde Nahrung, aber waren auch Grundlage für einen kräftigen Haustrunk - den Most. Dazu wurden die kleineren Birnensorten ausgepresst, der Saft wurde mal reinrassig, mal mit Apfelsaft gemischt, abgekocht und fand als süffiger Saft Verwendung. Ein anderer Teil wurde vergoren. Mit Wasser gemischt, diente der spritzige Most als idealer Durstlöscher an heißen Sommertagen.

Die Menschen, die zuerst in kleinen Hütten und Gehöften rund um die Streuobstwiesen hausten, kamen nach und nach durch die Verarbeitung der Birnen zu Geld. Mit der Zeit wurden aus den Häuschen große Gehöfte, bis schließlich daraus gewaltige Vierkanthöfe entstanden. "Die hat der Most gebaut" munkelten die Leute. Je reicher die Menschen aber wurden, desto habgieriger und arroganter wurden sie. Die Dienstleute wurden ausgebeutet, den Armen kein Groschen geschenkt. Wer nicht so viel hatte wurde gar "geschnitten". Beim Stammtisch im Wirtshaus rückten die Wohlhabenden so oft nach, bis der der weniger hatte, von der Bank fiel. Umgang und Heirat wurde nurmehr mit ihresgleichen gebilligt. Der Most hatte die Leute dieser Gegend nich nur wohlhabend sondern auch hartherzig gemacht.

Wie die Menschen, so gebarten sich bald auch die alten Birnbäume. Sie wurden starr, hochmütig und über die Maßen erhaben.

Genau in der Mitte der großen Wiese, sproß eines Tages ein junger Birnbaum hervor. Er war etwas Besonderes, ein Elfenbaum, so sagte man. Sein Ursprung war eine saftige Birne, von der die Elfenprinzessin Sylvia persönlich abgebissen hatte. Dabei war ein Birnenkern zu Boden gefallen, der keimte und bald darauf einen neuen Birnbaum gebar. Ein Baum der aus einem Elfenbiss geboren wird, so ging die Sage, war etwas Besenderes, einer der den Dingen bis auf den tiefsten Grund, ja bis ins Herz sehen konnte. Einer, der mit einem Blick sofort die Natur einer Sache erkannte....

Eines Tages kam armes altes Weiblein des Weges. Arm, gebückt und erschöpft wie es war, bettelte es um ein paar saftige Birnen zum Kompott machen für den Winter: "Gute Birnbäume, ich bin arm und alt. Um den Winter zu überstehen, muss ich jetzt schon Nahrung einkochen. Ach gebt mir doch ein paar eurer saftigen Birnen. Das süße Kompott, das ich daraus kochen werde, wird mich gesund durch die kalten Wintermonate bringen. Die hochmütigen Bäume aber, wollten keine einzige fallen lassen. "Altes Weib!" gaben sie ihr abfällig Antwort. "Wenn du süßes Kompott haben willst, dann geh auf den Markt und kauf dir welches! Unsere edlen Früchte sind wahrlich zu schade für deine Arme-Leute-Kost.

Die Alte zog traurig hinkend des Weges, in der Hoffnung anderswo geeignete Vorräte für den Winter zu bekommen.

"Warum wart ihr so hartherzig zu der armen alten Frau?" wollte der kleine Birnbaum bedrückt wissen. Doch die großen mächtigen Birnbäume feixten nur und machten sich über ihn lustig. Sie verhielten sich ganz so, wie ihre Gönner, die Menschen: wer anders war, der wurde belächelt.

Kurze Zeit später kam ein Bettler auf die große Wiese. "Ach ihr großen, majestätischen Birnbäume. Ihr seid so voll mit saftigen Früchten. So gebt mir doch nur ein paar eurer Birnen um den ärgsten Hunger stillen zu können.

"Wo denkst du hin!? So ein dahergelaufener Tunichtgut hat unsere edlen Früchte nicht verdient! Geh in den Wald und such dir ein paar Beeren oder grab dir Wurzeln aus. So schnell ist noch keiner verhungert!"

Abermals wollte der kleine Birnbaum wissen, warum sich die großen Vettern gar so herzlos verhielten. "Mit deiner dämlichen Fragerei wirst du ganz schön lästig!" fuhren ihn die großen Bäume an. "Wenn du hier Wurzeln schlagen willst, dann verhalte dich gefälligst so, dass du uns nicht ständig blamierst und hör auf, uns Löcher in den Stamm zu fragen!"

An einem kalten Oktoberabend, als die Nächte länger wurden und die Winde das erste Laub von den Bäumen fegten, kam ein Waisenmädchen in zerlumptem Kleidchen auf die große Streuobstwiese. "Ach liebe Bäume" so sprach es. "Gebt mir doch ein paar eurer süßen Birnen. Sie sind so hoch oben und ich bin noch so klein und kann sie nicht erreichen. Lasst ein paar fallen. Mein Magen schmerzt so schrecklich, denn ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen. Der Herr möge Eure Güte tausendfach vergelten!"

"Papperlapap! Arbeite, dann wird dir der schmerzende Magen schon vergehen. Was hast du zu so später Stunde überhaupt noch auf unserer Wiese verloren. Gibt es keine Waisenhäuser für deinesgleichen?!" spottete der größte und erhabenste Birnbaum.

Kaum hatte er seine erbarmungslosen Worte ausgesprochen, da kam urplötzlich ein furchtbarer Wind auf, Blitze zuckten vom Himmel und Donner grollte.

Vor ihnen stand, wie die Schicksalsgöttin höchstpersönlich, Enyd die Elfenkönigen und mit ihr waren sämtliche Naturwesen und Geister gekommen, die auf der großen Streuobstwiese hausten.

"Seid verflucht, ihr hartherzigen Kreaturen! Wer ein hilfloses Kind so ungeniert ins Verderben rennen lässt, hat eine Lektionen verdient!"

Die mächtigen Birnbäume waren von der Drohung der Elfenkönigin noch immer nicht beeindruckt. Spöttisch lachten sie herab auf die zart und zerbrechlich wirkende Elfengestalt. "Was willst du kleiner Zwerg uns schon anhaben...!"

"Euer Lachen wird euch bald vergehen!" sprach die Königin, deren Oberlippe nun vor Zorn und Abscheu bebte. "Heute seid ihr stolz und mächtig, eure Früchte bringen Reichtum, euer Erscheinungsbild gebietet Ehrfurcht. Es wird aber eine Zeit kommen, wo keiner mehr eure Frucht haben will. Euer Obst wird auf den Wiesen verfaulen. Most wird als "arme Leute Trunk" an Bedeutung verlieren. Und ihr, ihr werdet einer nach dem anderen verdorren und eines langsamen Todes sterben. Und mit euch eure Weggefährten, die Bienen.

Auf der Streuobstwiese war es totenstill geworden. Man hörte weder Tier noch Insekt. Selbst der Wind war ob des fatalen Fluches verstummt. Jedes Wesen, jeder Baum könnte spüren, dass die Worte der Elfin eine Prophezeihung waren, die sich unumstößlich bewahrheiten würde.

Selbst den mächtigen Bäumen hatte es die Sprache verschlagen. Der kleine Baum aber, sah Bilder einer anderen Zeit vor sich, in der er alt und weise sein würde. Da bekam er schreckliche Angst, denn auch erwusste, dass die Elfenkönigin die Wahrheit gesprochen hatte.

Keiner hatte Sylvia, die Elfenprinzessin bemerkt, die sich nun zaghaft vor ihrer Mutter verneigte. Ich kann eure Worte nicht ungeschehen machen, Mutter! Leider! Denn ich weiß, dass zumindest einer der Bäume anders ist. Da ist einer, hinter dessen Rinde ein gutes Herz schlägt. Für ihn, will ich den Urteilsspruch der großen Elfenkönigin Enya abschwächen: Also hört!:

Es werden alle Prophezeihungen meiner Mutter eintreffen, dass ist gewiss. Danach aber wird eine Zeit kommen, in der die Menschen zur Einsicht gelangen. Einst werden sie euch und eure Früchte wieder schätzen lernen. Dann wird es auch für euch eine Chance geben zu überleben.

Da begann eine seltsame Wärme das Cambium des jungen Birnbaumes zu durchströmen, denn er fühlte eine Menschengeneration, die wieder zu denken, atmen und leben anfangen würde. Gier und Starrheit würden, wenn auch nur in klitzekleinen Schritten, nach und nach abfallen. Erleichtert atmete er auf, denn er wusste instinktiv: "Nichts war verloren, denn irgendwann würden die Menschen auch die Natur und ihre Birnbäume wieder zu schätzen lernen."

Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

10 Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Steyr & Steyr-Land auf MeinBezirk.at/Steyr&Steyr-Land

Neuigkeiten aus Steyr & Steyr-Land als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Steyr & Steyr-Land auf Facebook: MeinBezirk.at/Steyr&Steyr-Land - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Steyr & Steyr-Land und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.