Wir sind eine große Familie
Gelebte Inklusion: Die Familienklasse der Volksschule I startet ins zweite Jahr.
Ein Blick in diese Klasse genügt, um zu erkennen, dass hier etwas "anders" läuft. Und damit sind nicht die Kinder gemeint, die munter zwischen zwei Klassenräumen, verbunden mit einem türlosen Durchgang, hin und her sausen. "Es ist gerade große Pause", sonst ginge es hier nicht so turbulent zu, versichert uns Klassenlehrerin Daniela Seidl. Die Volks- und Sonderschulpädagogin ist eine von zwei Kräften, die für die einzige "Familienklasse" der Volksschule I in Feldbach zuständig ist. Mit im Bunde ist Gertraud Wutte, ebenfalls Volksschullehrerin und Expertin für Begabungs- und Begabtenförderung. Vor einem Jahr startete der Versuch. Jetzt gebe es mehr Interessenten, als die Klasse aufnehmen könne.
Das Konzept
"Das Spannende an der Familienklasse ist der gemeinsame Unterricht von Vor- und Volksschulkindern, aber auch Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf – und das bis zum Ende der zweiten Schulstufe", erklärt Direktorin Elisabeth Anagnostopoulos. Der Vorteil sei, dass Kinder in einer familiären und wertschätzenden Umgebung lernten, mit Verschiedenheiten umzugehen und sich gegenseitig zu helfen.
Dass so viel Heterogenität unter den Schülerinnen und Schülern höchste Ansprüche an den Unterricht erhebt, davon können die Kassenlehrerinnen ein Lied singen. "Wir unterrichten oft in sechsfacher Ausführung, erkennen besondere Begabungen, aber auch Schwächen, fördern die Kinder individuell", so Seidl. Zwei Räume seien eine unerlässliche Voraussetzung, wenn Lerngruppen getrennt werden müssten, etwa bei Erklärungen in Mathematik oder Deutsch. Andere Inhalte würden gemeinsam unterrichtet. Aus der Forschung weiß man, dass es bei Schulanfängern Entwicklungsunterschiede von bis zu drei Jahren gibt. Für die Schüler in dieser Klasse sei es aber ganz normal, dass nicht jeder alles gleich gut könne. Konkurrenzdenken habe in diesem Konzept keinen Platz, so Seidl.
Ein wichtiges Merkmal der Familienklasse ist das gegenseitige Helfen. "Und die Kinder helfen gerne, man muss sie nur lassen," weiß Seidl aus Erfahrung.
Inklusion nennt sich die theoretische Basis, auf der Familienklassen funktionieren. Jedem Menschen soll demnach ermöglicht werden, gleichberechtigt und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilzuhaben – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, Bildung, eventuellen Behinderungen oder sonstigen individuellen Merkmalen. Inklusion betrachtet die Unterschiedlichkeit der Menschen als selbstverständlich, sieht darin eine Bereicherung.
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