Gewalt an Frauen
„Alles begann langsam und plötzlich war ich gefangen“
- Eine mutige Betroffene erzählt ihre Geschichte.
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Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen – sie geschieht mitten in unserer Gesellschaft: in Familien, Partnerschaften, am Arbeitsplatz, auf der Straße. Sie betrifft die Nachbarin, die Kollegin, die eigene Schwester. Im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ spricht MeinBezirk Salzburg mit einer Frau, die Gewalt in ihrer Beziehung erlebt hat.
HALLEIN. Gewalt gegen Frauen ist kein fernes Problem – sie passiert in unserer Mitte. Und oft beginnt sie dort, wo man Liebe vermutet. Eine Betroffene, die in ihrer Beziehung Gewalt erlebt hat, möchte heute anderen Frauen mit ihrer Geschichte Mut machen. Um ihre Identität zu schützen, wird sie in diesem Interview Frau A. genannt. Begleitet wurde sie auf ihrem Weg unter anderem von Katrin Klimitsch, Leiterin der AMS-Geschäftsstelle Hallein, die auch den Kontakt hergestellt hat.
„Am Anfang war alles wunderschön“, sagt Frau A. Sie lernte ihren späteren Partner 2022 kennen. „Er war aufmerksam, charmant, hat mich auf Händen getragen.“ Nur wenige Wochen später zeigte sich ein Verhalten, das sie heute als ersten Warnschuss erkennt: Er verschwand tagelang spurlos. „Ich war in Panik. Ich bin ihn suchen gefahren, weil ich dachte, es ist etwas passiert. Als er wiederkam, war er völlig fertig – wie ausgewechselt. Ich wollte die Beziehung beenden, aber er sagte nur: ‚Wenn du gehst, bringe ich mich um.‘“ Aus Fürsorge wurde Druck. Aus Zuneigung, emotionale Erpressung.
- 2025 wurden in Österreich bereits 14 Femizide sowie 26 Mordversuche oder schwere Gewaltdelikte an Frauen registriert (Stand: 17.11.2025).
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„Glauben an sich selbst verloren“
Mit der Zeit wurde das Verschwinden zum Muster. Und jedes Mal, wenn Frau A. Angst äußerte, wurde sie beschuldigt: Sie sei „psychisch krank“, „überempfindlich“, „schuld an allem“. „Das Schlimmste war nicht die körperliche Gewalt“, sagt sie. „Es war diese ständige Abwertung. Wenn dir jemand täglich sagt, dass du unfähig bist, glaubst du es irgendwann.“ Ein Vorfall ist ihr besonders präsent: Eines Morgens stand er im Schlafzimmer, wütend, weil sie beim Hemd eine Bügelfalte falsch gemacht hatte. „Er hat das ganze Schlafzimmer zerstört. Überall lagen Splitter, Kleidung, zerbrochene Möbel. Und er stand vor mir und schrie, ich sei ein ‚unfähiges Weibsstück‘“, erinnert sich Frau A.
Aus Worten wurde Gewalt. Erst kleine Übergriffe, dann massive körperliche Attacken. „Er hat mich gepackt, mich quer durch die Wohnung geschleudert und mit Gegenständen beworfen. Ich war grün und blau am ganzen Körper.“ Dass niemand etwas bemerkte, war kein Zufall: „Er hat mir nie ins Gesicht geschlagen. Ich habe blaue Flecken an den Handgelenken überschminkt, weil ich nicht wollte, dass jemand fragt. Das war der Punkt, an dem ich mich selbst nicht mehr erkannt habe.“
- Jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt – und viele sprechen nie darüber.
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Der Wendepunkt
Die Entscheidung, Anzeige zu erstatten, fiel nach einem wiederholten brutalen Angriff im eigenen Zuhause, in dem ihr Sohn alles mit ansehen musste. „Er saß neben mir, als es eskalierte. Er hat geschrien, geweint, hatte Todesangst um mich. Wir saßen später eng umschlungen auf der Couch und haben gewartet, bis er die Wohnung verlässt. Ich wusste: Ich muss uns schützen.“ Ihr Sohn war nie körperlich verletzt worden, doch auch er wurde Zielscheibe verbaler Angriffe. „Es waren Machtspiele. Kontrolle. Einschüchterung.“
Mit dem Betretungs- und Annäherungsverbot kam keine Sicherheit – sondern ein neuer Kampf. „Ich dachte naiv: Ich gehe zur Polizei, dann bin ich geschützt. Aber der schwierige Teil begann erst.“ Ihr Ex-Partner drohte ihr, dass „etwas passieren wird“, wenn sie die Anzeige nicht zurückziehe. Und er hat Wort gehalten - auf seine Art. Er reichte Schriftsätze ein, in denen er sie als alkoholsüchtig, psychisch krank und gewalttätig darstellte. „Er hat alles umgedreht. Und ich musste beweisen, dass ich Opfer bin.“ Obwohl bei den Behörden bekannt war, dass er eine kriminelle Vergangenheit hatte, blieb die einstweilige Verfügung aus – stattdessen wurde ein Vergleich empfohlen.
Wo bleibt die Gerechtigkeit?
Danach kamen Drohungen, Nachstellungen und psychischer Druck: „Er wusste genau, wann ich wo bin, was ich tue, und hat versucht, mein Leben zu kontrollieren. Selbst nach einem Schuldeingeständnis vor Gericht hörte es nicht auf. Ich wusste, dass seine Entschuldigung nur gespielt war.“ Für Frau A. eine Ungerechtigkeit: „Ich finde, es wird oft zu milde mit Tätern umgegangen — teils aus Angst, dass das Verhalten noch aggressiver werden könnte, teils wegen mangelnder Beweise. Für mich ist das nicht der richtige Umgang. Wer Gewalt ausübt, muss zur Verantwortung gezogen werden. Es geht mir weniger um ein bestimmtes Strafmaß als darum, dass endlich Schluss ist und ich Sicherheit habe. Täter immer zu schützen, ist für mich keine Option mehr. Wenn jemand durchdrehen will, dann tut er das sowieso — aber das darf nicht dazu führen, dass Opfer keine Gerechtigkeit oder Schutz erfahren.“
Frau A. schildert, dass sie als besonders belastend empfindet, wie stark der betreffende Mann nach ihrer Einschätzung auf Menschen in seinem Umfeld einwirkt und damit falsche Darstellungen über sie und angebliche Vorfälle verbreitet. Ihrer Ansicht nach schenken dem sogar Personen Glauben, die es besser wissen müssten. Sie erklärt: „Sogar Bekannte lassen sich hineinziehen. Einer von ihnen, ein kleiner Unternehmer aus dem Tennengau, hat auf Basis seiner Erzählungen zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung falsche Anschuldigungen bei meinem Arbeitgeber eingebracht. Um meinen Job fürchte ich mich nicht, weil ich weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe. Aber es ist erschreckend, wie er vorgeht und andere dazu bringt, ihm zu folgen.“
- Das Verfahren im Fall von Frau A. ist bis heute nicht abgeschlossen. Sie wird weiter für Gerechtigkeit kämpfen.
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Ein langer Weg
Viele Menschen fragen: „Warum geht sie nicht einfach?“ Frau A. hat eine klare Antwort: „Weil es schleichend passiert. Weil man sich verändert. Weil die Scham größer wird als die Angst. Und weil man hofft, dass der Mensch, den man liebt, wieder der wird, der er am Anfang war.“ Unterstützung aus dem persönlichen Umfeld war für sie entscheidend: „Ich wünsche mir, dass mehr Menschen so reagieren wie meine Familie und Freunde: mit Verständnis, Geduld und Unterstützung. Das kann Leben retten."
Ihre Botschaft an Betroffene ist klar: „Der Schritt zu gehen ist schwer, aber er lohnt sich – für sich selbst, für die Kinder, für ein Leben in Sicherheit. Werdet laut, sucht Hilfe und glaubt an eure Stärke. Und ganz wichtig: Ihr seid nicht allein.“ Frau A. wünscht sich zudem, dass die Gesellschaft versteht, wie schwer es ist, sich aus so einer Situation wirklich zu befreien. Dass Betroffene nicht nur körperlichen Schutz brauchen, sondern auch Schutz vor psychischem und sozialem Druck. Und dass Menschen genauer hinschauen, bevor sie jemandem glauben, der über andere schlecht redet – besonders, wenn es um jemanden geht, der nachweislich gewalttätig war. Die Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ macht sichtbar, dass Gewalt nicht privat ist, sondern ein gesellschaftliches Problem – und dass jede entschlossene Stimme zählt.
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