Tirlos ÖGB-Chef im Interview
ÖGB-Chef Wohlgemuth: "Fühle mich sehr wohl …"

Philip Wohlgemuth als ÖGB-Tirol-Chef sieht die Arbeitslosigkeit im Herbst steigen. | Foto: ÖGB Tirol/Halbwirth
  • Philip Wohlgemuth als ÖGB-Tirol-Chef sieht die Arbeitslosigkeit im Herbst steigen.
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SPÖ-Landtagsabgeordneter Philip Wohlgemuth ist Vorsitzender des ÖGB Tirol. Er stand uns Rede und Antwort.

Hohe Arbeitslosigkeit durch Corona, Verunsicherung der Menschen, Unternehmen in Kurzarbeit, Zukunftsängste: Ist das eine gute Zeit für die Gewerkschaft?
Philip Wohlgemuth: „Wir befinden uns derzeit in einer der schwierigsten Phasen in der 2. Republik, speziell was die Arbeitnehmer und die wirtschaftliche Situation angeht. Es waren für uns im ÖGB herausfordernde Monate mit viel Arbeit. Und wir hatten immer das eine Ziel, nämlich Arbeitslosigkeit zu verhindern, die Menschen in der Beschäftigung zu halten und als Sozialpartner die Zusammenarbeit zu pflegen. Aber eine gute Zeit ist es derzeit wohl für die Wenigsten.“

Sie hängen sich persönlich sehr in die Arbeit des Vorsitzenden hinein. Ist der tägliche Kampf aber nicht sehr aufreibend?
„Die letzten Monate waren die intensivsten und aufreibendsten in meiner politischen und beruflichen Karriere. Tausende Kurzarbeitsanträge mussten behandelt werden, politisch standen die beiden Konjunkturpakte auf der Agenda. Für mich persönlich geht es immer darum, Arbeitslosigkeit zu verhindern, es geht mir einfach um die Menschen, da kann es ruhig einmal stressig werden.“

Eines ihrer großen Anliegen ist es, die Situation der Frauen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Was wurde bisher erreicht?
„Hier haben wir die große Befürchtung, dass durch die Krise die Schwächeren der Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Da gehören viele Frauen und auch niederqualifizierte Arbeitnehmer dazu. Hier fordern wir politische Akzente, um das abzufedern. Das ist auch ein großes Problem bei den bevorstehenden Kündigungen bei Swarovski.“

Aber wenn gerade aktuelle die Situation bei Swarovski gesehen wird: Ist der Konzern nicht Opfer der Weltwirtschaft durch die Pandemie?
„Mein Eindruck ist, dass hier ohne groß nachzudenken etwas aus der Hüfte heraus entschieden wurde. Wir wissen bis heute nicht, welche Produktionszweige besonders betroffen sind. Ich erwarte mir vom Unternehmen, dass es sich der sozialen Verantwortung verpflichtet fühlt.“

Wenn derzeit manche Aussagen der Gewerkschaftler gehört werden, so würde man meinen, es gäbe keine Krise. Sollten nicht gerade jetzt gemeinsam mit den Unternehmen an der Bewältigung gearbeitet werden?
„Gerade die Gewerkschaft hat innerhalb der Sozialpartnerschaft in den letzten Monaten gemeinsam sehr viel erreicht. Kurzarbeit, Sozialpartnerpaket und die mit dem Landeshauptmann verhandelte Konjunkturpakete seien erwähnt. Und die Sozialpartnerschaft als Interessensausgleich funktioniert trotz Krise sehr gut.“

Der Herbst steht vor der Tür und damit Lohnverhandlungen. Ist der ÖGB in Kampfstimmung oder werden die Forderungen moderat ausfallen?
„Wir bereiten uns sehr intensiv auf die Verhandlungen im Herbst vor. Das wird man sich sehr differenziert ansehen müssen, welche Branchen trotz Krise gut dastehen und welche es besonders hart getroffen hat.“

Und auch die Wintersaison steht an, im Tourismus herrscht für den kommenden Winter noch sehr große Verunsicherung. Wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen?
„Wir rechnen mit steigender Arbeitslosigkeit im Herbst. Speziell der Tourismus ist bei dieser Krise das Problem.“

Sie waren lange Zeit Landesjugendsekretär des ÖGB Tirol. Wie sehen Sie derzeit die Zukunftschancen der jungen Tiroler?
„Das ist eines der wichtigsten Themen dieser Zeit. Denn es darf keine ‚Generation Corona‘ geben, damit nicht eine ganze Facharbeitergeneration verloren geht. Hier braucht es große Unterstützung von den Unternehmen und auch der Politik. Darum fordern wir auch ein Lehrlingspaket mit Förderungen für die Ausbildung.“

2000 Lehrstellen sind offen, 800 Lehrstellensuchende gibt es derzeit. Ein gutes Vorzeichen für die Zukunft der Jugend in Tirol?
„Das stimmt von den Zahlen her, aber den jungen Menschen muss ermöglicht werden, den Beruf zu erlernen, den sie wollen. Viele Stellen sind nämlich im Baugewerbe, Handel oder im Tourismus frei.“

Kurz zur Politik: Ihre Parteichefin fordert erneut vehement die Einführung der Viertagewoche. Politisches Kleingeld oder wirklich machbar?
„Es braucht ein Modell, um Arbeit gerecht zu verteilen. Fakt ist, dass es von niemandem sonst einen brauchbaren Vorschlag zum Thema gibt. Mir ist jedes Mittel recht, wenn es um die gerechte Verteilung der Arbeit geht. Da kann auch die Viertagwoche dazugehören.“

Philip Wohlgemuth sitzt auch für die SPÖ im Landtag und intern würden Sie viele gerne an der Spitze der SPÖ Tirol sehen. Eine Option für die Landtagswahl 2023?
„Ich fühle mich als Vorsitzender der Gewerkschaft in Tirol sehr wohl.“

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