Ortsreportage Fladnitz
Im Schatten des Zweiten Weltkrieges

- Soldaten, Flüchtlinge, Kriegsgefangene und Volkssturmeinheiten prägten das Bild von Fladnitz, das zeitweise einem Heerlager glich.
- Foto: zVg
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Ein idyllisches Dorf in der Steiermark, fernab der Front – und doch mitten im Krieg: Wie Fladnitz an der Teichalm zwischen Fliegeralarm, Flüchtlingswelle und sowjetischer Besatzung zum Schauplatz dramatischer Ereignisse wurde. Eine Reportage über Angst, Mut und das Überleben in dunkler Zeit.
FLADNITZ AN DER TEICHALM. Als am 25. Juli 1934 der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß bei einem nationalsozialistischen Putsch ermordet wurde, hinterließ das auch in Fladnitz Spuren: Mitglieder der damals verbotenen NSDAP fuhren mit Motorrädern und Fahrrädern in umliegende Dörfer, um ihre Anhänger zu mobilisieren. Zeitgleich leisteten Angehörige des Heimatschutzes in Weiz Ordnungsdienst – ein erster Vorbote der dramatischen Entwicklungen, die noch folgen sollten.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs veränderte sich das Leben im abgeschiedenen Almtal grundlegend. Anders als im Ersten Weltkrieg rückte der Krieg durch Fliegeralarme und Luftangriffe nun auch in das ländliche Hinterland vor. Flüchtlinge aus der Batschka sowie bombengefährdete Kinder wurden im Fladnitzer Schulhaus einquartiert. Auch Geschäftsleute brachten ihre Waren in die abgelegene Region in Sicherheit. Zwar blieb Fladnitz selbst von Bomben verschont, doch in der Umgebung – etwa in der Tober, Gasse, Hohenau, Haufenreith und St. Kathrein am Offenegg – schlugen Bomben ein. Wenn Graz oder Weiz unter Beschuss gerieten, zitterten selbst in Fladnitz Fenster und Böden wie bei einem Erdbeben.
Flucht in die Oststeiermark
Der Himmel über dem Tal war bald durchzogen von feindlichen Flugzeugen. Am 1. Oktober 1943 stürzte ein alliiertes Flugzeug nahe der Brandlucke ab, ein weiteres ging brennend auf der Passbilder Alm nieder. 1944 und 1945 waren es ganze Geschwader, die die Region überflogen. Nach Bombenangriffen auf Weiz wurden Jugendliche aus Fladnitz zum Aufräumen abgestellt.
Am 30. März 1945 trafen erste Verbände der Wehrmacht in Fladnitz ein. Kurz darauf, zu Ostern, erreichte eine gewaltige Flüchtlingswelle das Dorf: Menschen aus Weiz und Gleisdorf flüchteten über Passail und Fladnitz in die Oststeiermark – mit überladenen Fahrzeugen, Pferdewagen und mitgebrachtem Vieh. Schätzungsweise 10.000 bis 15.000 Menschen drängten sich im Almtal. Die Schule, Gasthöfe und Privathäuser dienten als Notunterkünfte, bei Glettler wurde sogar eine Volksküche eingerichtet.
Die Front kam näher
Soldaten, Flüchtlinge, Kriegsgefangene und Volkssturmeinheiten prägten das Bild des Dorfes, das zeitweise einem Heerlager glich. Nervös reagierte auch der lokale Parteiapparat: Dokumente, Schaukästen und Tafeln wurden verbrannt – als „einziges Osterfeuer des Jahres“. Im April rückten schließlich Einheiten der Waffen-SS ein. Noch am 25. April sollten junge Männer der Jahrgänge 1927 bis 1930 nach Weiz einrücken, doch mutige Eltern verhinderten dies – mit der Folge, dass sie festgenommen werden sollten.
Mit dem Vorrücken der Roten Armee begann die dunkelste Phase. In der Nacht zum 10. Mai trafen sowjetische Truppen in Fladnitz ein und begannen mit Plünderungen – selbst der Pfarrhof blieb nicht verschont. Am 9. und 10. Juni zogen rund 6.000 russische Soldaten samt Wagenkolonnen durch die Region, lagerten bei Schrems und versuchten, in der Nacht Häuser zu durchsuchen. Bürgermeister Niederl und couragierte Bauern konnten zumindest das weitere Vordringen verhindern. Dennoch kam es immer wieder zu Übergriffen: Geschäfte, Höfe und Mühlen wurden geplündert, das Diebesgut mit Lastwagen abtransportiert.
Aus Angst vor Übergriffen verbargen sich Frauen und Mädchen tagsüber in den Wäldern und auf Almen. Türen blieben verschlossen, das Dorf lebte in ständiger Angst. Erst am 27. Juli 1945 zogen britische Truppen in Fladnitz ein und lösten die Russen ab. Die neue Besatzung wurde – vor allem in Passail – mit Erleichterung begrüßt.
109 Soldaten aus der Pfarre Fladnitz ließen im Krieg ihr Leben. Ihnen ist ein Denkmal an der Südwand der Kirche gewidmet – ein stummer Zeuge für das Leid, das auch das abgeschiedene Almtal nicht verschonte.
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