Kunst
Funkenflug IX

- hochgeladen von martin krusche
Mit Joseph Beuys ist es ein wenig so wie auch mit Hermann Nitsch. Selbst wer in Österreich kein Interesse an Gegenwartskunst hat oder Gegenwartskunst womöglich verabscheut, kennt diesen oder jenen und weiß einen der beiden Männer als abschreckendes Beispiel zu nennen.
Auf der anderen Seite des Spektrums so merkwürdiger Verehrung, denn auch der Haß ist ja eine innige Zuwendung, findet man allerhand Schwafler und Posierer. Da hausiert einer, womöglich mit Hut auf dem Kopf, Jahr und Tag mit dem „Erweiterten Kunstbegriff“, trägt diese Formulierung wie eine Monstranz vor sich her, engagiert sich aber zugleich für eine Kunstakademie in der Steiermark.
Macht nichts, daß Beuys klar gesagt hat, mit seinem erweiterten Kunstbegriff wolle er unter anderem die Kunst aus alten Fesseln entlassen sehen, aus Galerien, Museen, Akademien etc. Er meinte also, ähem, räusper, hüstel, ungefähr das Gegenteil dessen, was auch heute noch – mit oder ohne Hut – als kultureller Gewinn für die Steiermark behauptet wird.
Oder haben Sie auch schon diese Moderatorin erlebt, deren Aufgabe es ist, ein Podiumsgespräch über Kunst zu begleiten? Sie wirft sich in Pose, verkündet mit Fingerzeig auf die Podiumsgäste: „Und dies ist eine soziale Plastik.“
Nein. Ist es nicht. Beuys hat mit diesem Begriff kein einzelnes Objekt oder Ensemble gemeint, sondern eine weit größere Dimension; nämlich eine gesamtgesellschaftliche Verfaßtheit im Umgang mit Kunst und künstlerischen Potentialen.
So zieht sich das durch allerhand Kultursituationen, in denen selbst das Zentrum zur Provinz wird. Macht nichts! Mit Beuys darf man längst machen, was man will. So geht Pop. Und sonst? Ich würde ihn als Patron meines Künstlerdaseins nicht brauchen. Dazu wäre er mir viel zu esoterisch. Es quillt mir auch oft zu viel Pathos aus dem Mann und als politischer Mensch erscheint er mir heute manchmal ziemlich schrullig.
Aber! Das alles schmälert nicht den Rang seiner Arbeit, seines Denkens, und daß er in meiner Welt enorm wichtige Impulse gesetzt hat. Er hinterließ mir auch etliche sehr feine Sätze und war geradezu wie eine schwirrende Abrißbirne im Aufbrechen dieser unseligen Verknüpfung „Volkskultur/Hochkultur“, mit der man mir einst meine Welt hinreichend zu erklären versuchte; unter anderem, um etwa die Popkultur und triviale Mythen in den Graben zu fahren.
Wie merkwürdig, daß wir diesen Aspekt unserer Kultur- und Sozialgeschichte grade wieder auf dem Tisch haben, ohne daß ich besondere Reaktionen feststellen kann: die Fragen nach der Volkskultur und wie sie sich zu übrigen Kulturkonzepten verhalten möge. Seltsames Schweigen!
+) Die Funkenflüge (Übersicht)
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