Eine Frage der Wahrhaftigkeit

Andy Reisinger in seinem True Fellas Diner
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Er ist gelernter Koch. Als ihm diese Branche keine Freude mehr machte, ging er in einer Parkettfabrik ans Fließband. Später fand er sich als Tätowierer wieder, ohne dieses Talent geahnt zu haben.


Schaut man, was Andreas „Andy“ Reisinger seither gemacht hat, sieht man im Boss von „True Fellas“ einen Unternehmer. Das bedeutet, er setzt Ideen um, nimmt dafür erhebliches Risiko in Kauf, tut das auf eine Art, die man bei flüchtiger Betrachtung für romantisch halten könnte.

Reisingers Betrieb umfaßt mehrere Sparten. Angelpunkt ist sein Tattoo Studio, ergänzt um einen Barber Shop, also einen Herrensalon. Angeschlossen befindet sich ein American Diner, wie aus einem Gemälde von Edward Hopper geschnitten.

Da überrascht es nicht, daß man in Reisingers Garage einen alten Mercury findet, an dem sich demonstrieren ließe, was ein „Custom Car“ ist. Dazu kommt ein brachialer Hot Rod auf Basis eines Plymouth, der nun endliche eine Straßenzulassung hat.

Das zeigt, hier wird auf klassische Art von Hand gefahren, denn diese mächtig motorisierten Vehikel wollen mit Konzentration auf der Straße gehalten werden. Ein weiterer Hinweis darauf, daß in Reisingers Familienwappen, wenn er eines hätte, vermutlich der Wappenspruch „Hands on!“ stünde.

Beim Plaudern an der Theke kann man erfahren, was er im Lokal alles selbst angefertigt hat, weil ihm Anbieter entweder zu langsam oder zu teuer oder beides waren. Da beginnt dann ein Satz eventuell mit „Und dann hab ich mir ein Stichsäge gekauft…“ Zählt man die Finger seiner Hände nach, wird klar, das hat auch geklappt.

Doch damit ist noch längst nicht geklärt, warum mitten in der Oststeiermark ein Mann lebt und wirkt, dessen Haar- und Barttracht wie auch seine Kleidung, seine Betriebe und seine Autos nach ästhetischen Kategorien Amerikas vor über einem halben Jahrhundert aussehen.

Was in anderen Firmen ein PR-Konzept wäre, bei dem man nach Dienstschluß das Kostüm ablegt, ist bei Reisinger keine Verkleidung, sondern das Leben. Man kommt ihm auf die Spur, wenn man über Kategorien wie „Die Ehre des Handwerks“ nachdenkt.

Das dürfte jenen Menschen völlig unklar sein, von denen wir etwa via Facebook erfahren, daß Gott sei Dank endlich Freitag ist, weil sie nur am Wochenende und im Urlaub leben. Reisinger zieht es dagegen vor, sieben Tage die Woche zu leben; ganzjährig.

Also muß die Arbeit Sinn haben und ebenso Freude machen wie die Freizeit. Erlebt man die Sinnhaftigkeit, erträgt man auch Belastungen besser. Was ist der Kern solcher Möglichkeiten? In seinem Fall das Bedürfnis, eine Sache um ihrer selbst Willen gut zu machen.

Das muß natürlich auch betriebswirtschaftlich funktionieren. Geld bleibt für Reisinger ein Mittel, aber nicht der Zweck. Ist das also nun romantisch, wenn einer seine Intentionen so anordnet und umsetzt? Es muß Sinn ergeben, wenn es den Emotionen folgt.

Es muß handwerkliche Qualität zeigen, deren Basis taugliche Stoffe und Materialien sind. Schund bleibt ausgeschlossen, Ersatzstoffe imnteressieren ihn nicht. Das löst sich auch in einem ästhetischen Konzept ein, welches hier eigentlich einer versunkenen Ära von einem anderen Kontinent entspringt.

Aber die Sache wird genau da wieder schlüssig, wo man den Werdegang Reisingers beachtet. Vom Koch zum Hackler am Fließband, von da zum eigenständigen Unternehmer. Das war hier wie dort, in Europa wie in den USA, stets eine ähnliche Geschichte, zu der sich eben meist nur einige Menschen aufraffen.

Das heißt ja, für sich selbst Verantwortung übernehmen, etwas riskieren, die Schuld nicht bei anderen suchen, falls etwas schiefgeht, für seine Träume wach bleiben, konsequent handeln.

In einem solchen Geist wurde einst die Oststeiermark vom Armenhaus der Monarchie zu einer wohlhabenden Region. Das ist auch, was man in Amerika unter einem Selfmade Man versteht. Unternehmertum statt Angestelltenmentalität. Herr seines Lebens statt Dienstbote in unscharfen Verhältnissen.

Wenn also Reisingers Outfit einen an die Vergangenheit denken ließe, ist er doch wirtschaftlich ein Avantgardist. Wie kann das sein? Die uns vertraute Arbeitswelt ist am Versinken. Selbstlernende Maschinensysteme und Automatisierungsschübe führen uns gerade in eine Vierte Industrielle Revolution.

In spätestens 20 Jahren werden unzählige Berufe der Menschen nicht mehr existieren, weil Maschinen diese Jobs übernommen haben, was bedeutet, es gehen uns langsam Millionen von Arbeitsplätzen verloren. Die Gesellschaften aller Kontinente werden umdenken und umlernen müssen.

Die Politik verschweigt uns das, wie inzwischen üblich, wenn es wo brisant wird, hält dieses Thema aus öffentlichen Debatten lieber noch heraus. Reisinger diskutiert solche Fragen nicht, er handelt. Er belegt durch seine Biographie, daß man mit nichts beginnen kann, um seinen Träumen zu folgen, daß daraus ein Stück Arbeitswelt werden kann, welches auch ökonomisch klappt.

Dazu sollte man eben herausfinden wer man ist, was einen bewegt und wie man es umsetzen kann. Man sollte freilich auch einen langen Atem haben und sich nicht mit Selbstmitleid aufhalten, wenn man Rückschläge einstecken muß.

Wie schon erwähnt, Reisinger lebt lieber ganzjährig sieben Tage die Woche als bloß von Freitag Abend bis Sonntag Nacht. Wer diese Geschichge überprüfen möchte, sollte in Gleisdorf „True Fellas Tattoo” oder “True Fellas Diner” besuchen…

+) Gleisdorf Nord [link]

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