Lehrermangel
Gewerkschaft warnt vor neuer Kündigungswelle in Wien
In den Wiener Pflichtschulen bahnt sich laut Gewerkschaft die nächste Kündigungswelle an. Deshalb fordert man mehr Unterstützungspersonal, Entlastung und mehr Hilfe durch die Wiener Bildungsdirektion. Letztere nimmt hingegen keine "große Abwanderungstendenz" wahr.
WIEN. Die Personalsituation in Wiener Pflichtschulen wird laut Pflichtschullehrergewerkschaft zusehends prekärer – die nächste Kündigungswelle soll sich bereits anbahnen. So habe es in den vier Wochen vor Weihnachten 20 Dienstauflösungen gegeben – mehr dazu unten. Während der Semesterferien sei es nun erneut jeden Tag eine gewesen, berichtet der oberste Wiener Pflichtschullehrervertreter Thomas Krebs (Fraktion Christlicher Gewerkschafter/FCG) im Gespräch mit der "APA".
Studierende, die als Lehrkraft in den Klassen stehen, würden wegen der Doppelbelastung aufgeben – ein Teil davon wende sich ganz vom Lehrberuf ab. Lehrerinnen und Lehrer, die in Niederösterreich wohnen, würden von Wien auf Posten in "ihrem" Bundesland wechseln. Und es gebe immer mehr Wiener Lehrende, die für die Arbeit nach Niederösterreich pendeln.
"Zu wenig gegen Kündigungen unternommen"
Wien unternehme aus Sicht des Gewerkschafters – trotz Warnungen der Standesvertretung – zu wenig gegen Kündigungen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) würden der Abwanderung "tatenlos" zugesehen, kritisiert Krebs in einer Aussendung.
Die Wiener Bildungsdirektion scheine in erster Linie mit sich selbst beschäftigt zu sein, so Krebs. Die Mitarbeiter seien zwar bemüht, die Behörde aber unterbesetzt. So mussten Lehrer etwa mehr als ein halbes Jahr darauf warten, dass sie ihr für Schulveranstaltungen aus dem vorigen Schuljahr vorgestrecktes Geld zurückerhalten.
VP Wien: Maßnahmen gegen "Lehrerflucht"
Angesichts der Personalsituation fordert Krebs mehr Unterstützungspersonal, Entlastung von Zusatzaufgaben und mehr Unterstützung durch die Bildungsdirektion. Im Genaueren fordert der Gewerkschafter, die Notbremse zu ziehen und unwichtige Arbeiten zu streichen. So könne man Bildungsdirektion und Schulen eine Erholungsphase gönnen, damit die Verwaltung wieder funktioniert. Andernfalls, so fürchtet Krebs, würden die Probleme in den kommenden Schuljahren noch viel größer werden.
Auch die Wiener ÖVP reagierte angesichts der Zahlen, welche die Gewerkschaft veröffentlicht hatte, mit Kritik an die Stadtregierung: "Längst hat sich der Lehrermangel in Wien zu einem akuten Personalnotstand entwickelt, da für viele Lehrerinnen und Lehrer die Arbeitsbedingungen in der Hauptstadt einfach nicht mehr akzeptabel sind", so Harald Zierfuß, Bildungssprecher der Wiener ÖVP, in einer Aussendung. "Die Wiener Stadtregierung sollte für jede einzelne Lehrkraft in unserer Stadt kämpfen und endlich aktiv Maßnahmen zur Attraktivierung des Lehrerberufs in Wien setzen. Wir können uns keine weitere Lehrerflucht aus Wien leisten", warnt er.
"Keine große Abwanderungstendenz"
Für die Bildungsdirektion ist hingegen keine "große Abwanderungstendenz" wahrnehmbar, hieß es auf Anfrage der "APA". Gegenüber der BezirksZeitung verwies eine Bildungsdirektions-Sprecherin zudem auf die Zahlen zwischen August 2022 und Jänner 2023 an allen Wiener Schulen (Landes- und Bundesschulen). Demnach gab es in diesem Zeitraum 151 einvernehmliche Auflösungen des Dienstverhältnisses, Kündigungen oder Pensionierungen. "Dem gegenüber stehen rund 1.900 Neuanstellungen im Landes- sowie Bundesschulbereich im selbigen Zeitraum", so die Sprecherin. Insgesamt unterrichten laut ihr rund 28.500 Pädagoginnen und Pädagogen in Wiener Klassenzimmern.
Auch im Bereich der Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern – da ortet Krebs ebenfalls einen Personalmangel – hätte sich laut der Bildungsdirektion in den vergangenen Jahren einiges getan. Folgende Zahlen sollen die personelle Veränderung beim Unterstützungspersonal an Wiener Schulen zwischen den Jahren 2016/17 und 2022/23 veranschaulichen:
- Psycholog*innen Bund:
22 (2016/17)
28 (2022/23) - ÖZPGS* Psycholog*innen:
5 (2016/17)
26 (2022/23) - ÖZPGS MIT- Mobile Interkulturelle Teams:
15 (2016/17)
9 (2022/23) - ÖZPGS Schulsozialarbeit:
0 (2016/17)
57 (2022/23)
*ÖZPGS – Österreichische Zentrum für psychologische Gesundheitsförderung im Schulbereich
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