Neues Buch "Vertrauen"
Wie Corona das gesellschaftliche Leben verändert
Ein neues Buch von Margaretha Kopeinig befasst sich mit der Corona-Pandemie, ihren Folgen für die Gesellschaft und dem Vertrauensverlust vor allem in die Politik. Darin zu Wort kommen auch namhafte Wissenschafts- und Gesundheitsexperten sowie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.
WIEN. Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf uns als Gesellschaft? Welche neuen innerstaatlichen aber auch globalen Probleme ergeben sich daraus? Wie geht die Politik mit der anhaltenden Krise um und wie erfolgt die Kommunikation mit dem Volk? Diesen Fragen ist die langjährige Journalistin Margaretha Kopeinig in ihrem neuen Buch "Vertrauen. Wie Politik, Gesellschaft und Wissenschaft der Pandemie begegnen" nachgegangen.
Vor allem aber der andere, gänzlich eigenständige "Wiener Weg" im Umgang mit der Pandemie war Kopeinigs Motiv für die Recherche. "Der Wiener Weg wird in die Geschichte eingehen", sagte Kopeinig bei ihrer Buchpräsentation im Wiener Rathaus. In der Bundeshauptstadt werde "sehr offen und sehr schnell kommuniziert". Aber warum ist dieser Weg "so ganz anders als in der Bundesregierung? Es hat mich interessiert, welche Auswirkungen das hat und welche Phänomene dadurch an die Oberfläche gekommen sind", so die Journalistin.
Experten am Wort
Für ihr Buch "Vertrauen" hat Kopeinig Gespräche mit zahlreichen Expertinnen und Experten geführt: Rechtsextremismus-Forscher Bernhard Weidinger, Komplexitätsforscher Peter Klimek, Datenanalyst Erich Neuwirth, Migrationsexpertin Judith Kohlenberger, Wiener Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck, Gynäkologin Barbara Maier, Lungenfacharzt Arschang Valipour und nicht zuletzt mit Bürgermeister Michael Ludwig.
Die Autorin analysiert, wie anfänglich in den verschiedensten Bereichen – wie etwa im Gesundheitssystem, in Medienunternehmen und auf Sozialen Medien, aber auch in Wirtschaft und Politik – auf Corona reagiert wurde, was in Krisenzeiten notwendig ist und wie es gelingen kann, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Vertrauen verspielt, Gesellschaft gespalten
Das Vertrauen verloren haben darunter viele vor allem in die Politik. Nationale Maßnahmen, die nur unzulänglich kommuniziert wurden und von Widersprüchlichkeiten geprägt waren - und es bis heute noch sind. Eine "Ankündigungspolitik", die das tatsächliche Handeln in den Hintergrund rücken ließ. Menschen, die von Skeptikern zu Leugnern der Pandemie wurden, Rechtsextreme, die das für sich zu nutzen wussten und Wissenschaftsfeindlichkeit, die weiter zunimmt, sind nur einige der Folgen.
Wie es gelingen kann, das Vertrauen wieder aufzubauen, die Gesellschaft zu vereinen statt zu spalten und über die Besonderheiten des "Wiener Wegs" sprach Kopeinig bei einer Podiumsdiskussion im Anschluss an die Buchpräsentation.
Skepsis gegenüber CoV-Impfung
Barbara Maier, Vorständin der gynäkologischen-geburtshilflichen Abteilung der Klinik Ottakring, sprach über die Anfänge der Pandemie. Die Klinik Ottakring war Anfang 2020 die erste Anlaufstelle für infizierte Schwangere. Schon früh fand sich Maier – sie ist auch Mitglied im medizinischen Krisenstab der Stadt Wien - in Gesprächen mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wieder und plädierte für eine Impfpriorisierung Schwangerer.
Die Stadt Wien folgte der Empfehlung der ausgewiesenen Expertin und empfahl ein off-label-use (Anmerkung: das Verabreichen eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der vorliegenden Fachinformationen). Maier stellte jedoch schnell fest, dass Schwangere, und besonders ihr Umfeld, skeptisch reagierten und die Impfquote weit unter den Erwartungen lag.
Kritik an nationaler Impfkampagne
Dem schloss sich auch Arschang Valipour, Vorstand für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf, an. Die Menschen in Österreich seien generell "impffaul", besonders im EU-Vergleich. Er kritisierte vor allem das Fehlen einer konsistenten bundesweiten Impfkampagne. "Man hätte zielgruppenorientierter arbeiten müssen", so Valipour.
In der Bundeshauptstadt sei das anders gewesen. "Wien hat sehr viel auf Stadtebene getan. Es gab Impfangebote etwa in Supermärkten, es gab den Impfbus, die Bim – das war einzigartig in Österreich". Der Lungenspezialist zeigte sich skeptisch, "ob man jetzt noch etwas tun kann".
Neuwirth: "Schwache Datenlage"
Der bekannte Statistiker Erich Neuwirth kritisierte das Fehlen zahlreicher Daten. So werde bis jetzt nicht erhoben, ob es sich bei einer Corona-Infektion um eine Erst- oder eine Re-Infektion handelt. Auch zeigen die öffentlichen Daten nicht, wie lange jemand im Spital liegt. "Die Datenlage ist eher schwach. Aber gut ausgewertete Daten sind eine wichtige Grundlage für sinnvolle politische Entscheidungen", so der Statistiker. Angesprochen auf die Bundesregierung sagte Neuwirth, dass "das Verständnis nicht so ist, wie ich es gerne hätte".
Ludwigs "konsequenter Wiener Weg"
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig gab einen Einblick in das Handeln der Stadt. So habe er anfänglich gedacht, es gebe einen österreichweit einheitlichen Weg der Pandemie zu begegnen. Er habe von Beginn an klar gemacht, dass er auch bereit sei, "unpopuläre Entscheidungen mitzutragen und mitzugehen".
Allerdings habe sich nach einem anfänglich guten Beginn gezeigt, dass die Corona-Pandemie politisiert werde und noch bis heute wird. Der Wiener Stadtchef betonte, dass in anderen Ländern "viel über die Parteigrenzen hinweg gemacht wurde", und insinuierte, dass das in Österreich nicht der Fall sei.
Der "Wiener Weg" sei "nicht härter, sondern konsequenter", betonte er. Anders als auf Bundesebene gebe es in Wien eine gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. „In der Krise merkt man auch den Charakter eines Menschen und der Gesellschaft. Man hat Verantwortung für sich, aber auch für andere“, so Ludwig abschließend.
Zum Buch
Das Buch "Vertrauen. Wie Politik, Gesellschaft und Wirtschaft der Pandemie begegnen" ist im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.
208 Seiten, gebunden
24 Euro
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