Zwei Bergrettungsnotärzte im Gespräch
"Erwartungshaltung der Patienten hat sich verändert"

Sebastian Hermens und Stefan Wiltschnigg sind Mitglieder der Bergrettung Ortsstelle Mürzzuschlag und ausgebildete Notärzte. | Foto: Kern
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Sebastian Hermens und Stefan Wiltschnigg sind ausgebildete Notärzte, die auch für die Bergrettung im Einsatz sind – was mit ganz speziellen Herausforderungen verbunden ist.

BRUCK AN DER MUR/MÜRZZUSCHLAG. Sie sind im Einsatz, wenn sonst nichts mehr geht – die Männer und Frauen der Bergrettung. Sie machen sich auf den Weg, wenn verunfallte, verirrte oder einfach nur erschöpfte Menschen am Berg nicht mehr weiter können und steigen oft stundenlang in mühevoller Kleinarbeit auf den Berg, sind den unwirtlichsten Bedingungen wie Tiefschnee, Finsternis, eisigen Temperaturen – oft noch gepaart mit starkem Wind – ausgesetzt und schleppen obendrein auch noch ihre gesamte Ausrüstung mit. Sie helfen völlig ehrenamtlich und freiwillig Menschen in Not, wenn sonst keine Hilfe mehr möglich ist. Da ist es mehr als praktikabel, wenn einer von ihnen auch noch Notarzt ist und am Berg die medizinische Versorgung der Patienten übernehmen kann.

Außergewöhnliche Ausgangssituation

Die Bergrettungs-Ortsstelle in Mürzzuschlag ist da aber in einer ganz besonders glücklichen Lage, sie hat nämlich gleich zwei Notärzte in den eigenen Reihen: Sebastian Hermens und Stefan Wiltschnigg. "Wir sind insgesamt medizinisch sehr gut aufgestellt, denn wir haben unter unseren Mitgliedern auch Sanitäter und Notfall-Sanitäter, eine Intensiv-Krankenpflegerin und einen Medizin-Studenten", hebt Hermens stolz hervor. "Das gibt es in dieser Form wohl nicht so häufig." Viele Bergrettungs-Ortsstellen müssen ohne eigenen Bergrettungs-Arzt auskommen.

Sebastian Hermens und Stefan Wiltschnigg auf dem Weg zu einem Einsatz. | Foto: Bergrettung Mürzzuschlag
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Was unterscheidet eigentlich einen Einsatz am Berg von einem gewöhnlichen Notfall im Tal? "Da gib es einigeUnterschiede", erklärt Hermens: "Das beginnt schon bei der Alarmierung: oft ist nicht von Beginn an klar, was genau passiert ist; es gibt Verständigungsschwierigkeiten, oft ist der Netzempfang nicht ideal, die Akkus am Berg schon am leer werden, mitunter sind die Ortsangaben ungenau, es herrscht Wind. Und dann kommt noch der wohl wichtigste Faktor: die Zeit. Es dauert einfach eine gewisse Zeit, oft Stunden, bis man beim Patienten ist, weil man erst aufsteigen muss."

Große Herausforderungen

Ist man dann beim Patienten angekommen, beginnt die nächste große Herausforderung: "Ich habe am Berg natürlich nicht die gleichen Möglichkeiten wie im Tal, ich kann bspw. kein Beatmungsgerät mitschleppen. Muss jemand beatmet werden, kann ich ihn natürlich schon intubieren und händisch beatmen, das funktioniert mitunter aber nur schlecht, wenn ich den Patienten dann noch abseilen muss", so Hermens.

So sieht der voll bepackte Einsatzwagen aus. | Foto: Kern
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Das Equipment, das am Berg zur Verfügung steht, ist im Vergleich zum Einsatz im Tal also massiv reduziert; es wird bei weitem nicht alles mitgeführt, was im Tal aber selbstverständlich zur Verfügung steht. "Wir haben beim Einsatz für gewöhnlich einen großen und einen kleineren Rucksack dabei und packen je nach Absprache, was nötig ist", so Hermens.

Das Um und Auf am Berg ist es, im Fall eines Verletzten für Wärme zu sorgen. "Wir haben dafür ein Überwurfzelt mit, das die Wärme der Bergretter, die gerade aufgestiegen sind, sammelt und dem Patienten zugute kommen lässt", erklärt Wiltschnigg. "Es muss nämlich das Auskühlen des Patienten verhindert werden, denn das ist grundsätzlich immer schlecht.
Wenn die Körperkerntemperatur sinkt, verschlechtert sich stetig die Blutgerinnung. Unter 30 Grad Körperkerntemperatur trübt das Bewusstsein ein, mit fallender Temperatur wird die Atmung langsamer, Herzrhythmusstörungen entstehen bis hin zum Herzstillstand. Ab einer gewissen Phase beginnen die Patienten zu halluzinieren und haben das Gefühl, dass ihnen warm ist. Manche ziehen sich dabei sogar aus."

Die Einsätze finden sehr oft bei widrigsten Bedingungen in der Nacht statt. | Foto: Bergrettung Mürzzuschlag
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Schwieriger Transport

Den Patientinnen und Patienten dann vom Unfallort wegzubekommen ist die nächste Challenge; denn ist ein Einsatz des Hubschraubers nicht möglich, muss der Patient erst zu einer passenden Übergabestelle an ein bodengebundenes Fahrzeug gebracht werden, etwa auf einen Forstweg. "Es macht also schon einen riesengroßen Unterschied, ob ich einen Patienten am Berg oder im Tal, wo ich alle nötigen Hilfsmittel im Notarztwagen mitführe, versorge", sind sich die beiden einig.

Diese beiden Fahrzeuge stehen der Ortsstelle für Einsätze zur Verfügung. | Foto: Kern
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Veränderte Erwartungshaltung

In den allermeisten Fällen sind die Menschen, die am Berg Hilfe benötigen, einfach sehr dankbar, wenn sie nach langem Warten dann endlich den Schein einer Stirnlampe im Gesicht bemerken und wissen, jetzt wird ihnen geholfen. "Das hat sich aber schon ein bisschen verändert, die Erwartungshaltung der Patienten ist in manchen Fällen heutzutage eine andere geworden, nämlich viel höher", so Hermens. "Aber im groß und ganzen sind sie einfach nur froh und dankbar, dass ihnen geholfen wird", so Hermens.

Möglicherweise hat sich das durch die Corona-Pandemie verändert: Immer mehr Menschen interessieren sich für den Bergsport und sind in den Bergen unterwegs. Damit steigt mäßig die Zahl der Verletzten. Tote durch Alpinunfälle nehmen aber nicht im gleichen Maß zu. 

Das Vereinsgebäude der Bergrettung Ortsstelle Mürzzuschlag. | Foto: Kern
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Verändert hat sich aber auch die Notfallmedizin am Berg: Durch die Verfügbarkeit von Notarzthubschraubern – mittlerweile sind Flüge auch in der Dunkelheit möglich – und moderne Smartphones mit GPS -Funktion wurde vieles einfacher. Dennoch: Der Hubschrauber kann aufgrund der äußeren Umstände in sehr vielen Fällen nicht eingesetzt werden.

Wenn Hermens und Wiltschnigg nicht gerade für die Bergrettung im Einsatz sind, stehen sie dennoch für die medizinische Versorgung der Bevölkerung bereit: Sebastian Hermens ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin im LKH Hochsteiermark-Standort Bruck und ist zusätzlich als Notarzt für das Rote Kreuz im Einsatz. Stefan Wiltschnigg ist Assistenzarzt und befindet sich gerade in Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin am LKH Hochsteiermark-Standort Mürzzuschlag; er wird seine Ausbildung im Mai nächsten Jahres abschließen. Außerdem hat er eine abgeschlossene Notarzt-Ausbildung.

Diese Garage wurde erst vor kurzem zusätzlich errichtet. | Foto: Kern
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Tolle Kameradschaft

Bei der Bergrettung ist Wiltschnigg bereits seit 15 Jahren, Hermens seit acht Jahren. Braucht es als Bergrettungs-Arzt eigentlich eine eigene Ausbildung? "Wir sind ausgebildete Bergretter, so wie alle unsere Kollegen; das ist die Grundvoraussetzung, um an Einsätzen teilnehmen zu dürfen", erklärt Wiltschnigg. "Zusätzlich haben wir beide die Ausbildung zum Notarzt abgeschlossen, das aber unabhängig von der Bergrettung. Die Bezeichnung 'Bergrettungs-Notarzt' gibt es also in dieser Form eigentlich nicht, die richtige Bezeichnung ist 'Bergrettungs-Arzt'."

Foto: Bergrettung Mürzzuschlag

Mit ihrem Fachwissen sorgen die beiden dafür, dass auch die Kolleginnen und Kollegen bei der Bergrettung immer am neuesten Stand sind. "Wir machen regelmäßig Übungen und Fortbildungen, wo wir auch die medizinische Komponente behandeln und unsere Kameradinnen und Kameraden dementsprechend schulen", so Wiltschnigg.
Und die Kameradschaft ist es auch, was die beiden an der Bergrettung so schätzen. "Wir sind ein bunter Haufen unterschiedlichen Alters aus allen möglichen eint", so Hermens abschließend.

Mehr über die Geschichte der Bergrettung Ortsstelle Mürzzuschlag erfährst du hier.

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