Unfallkrankenhaus Steiermark
"Wir brauchen dringend einen Schulterschluss"
In den beiden steirischen Unfallkrankenhäusern ist die Anzahl der Traumafälle zuletzt stark gestiegen. Das ist unter anderem auf die aktuell kritische Situation am LKH Hochsteiermark in Bruck und Leoben zurückzuführen. Klar ist, es muss eine große Lösung her.
STEIERMARK. 30 Prozent mehr Traumafälle als im Vergleichszeitraum des Vorjahres verzeichnet das Unfallkrankenhaus in Kalwang in diesem Jahr – das erschwert mittlerweile sogar die Planung von geplanten Operationen, wie der Ärztliche Direktor Christian Kammerlander erklärt. "Durch die starke Zunahme an akuten Fällen, die ja sehr kurzfristig eingeplant werden müssen, kommt es immer wieder zu Verschiebungen von bereits lange geplanten Elektiv-Eingriffen. Das wird für uns sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich zu einem immer größeren Problem. Wir stoßen vor allem am Wochenende und in den Abendstunden immer öfter an unsere Kapazitätsgrenzen, weil wir dafür einfach nicht ausgelegt sind."
Die Folge: Das Haus muss für anfallende Rettungstransporte gesperrt werden. Das wiederum führt zu einem immer noch größer werdenden Problem für das Rote Kreuz (siehe dazu auch Bericht), weil Patientinnen und Patienten nicht mehr rasch einer medizinischen Versorgung zugeführt werden können und teilweise große Wegstrecken in andere Häuser auf sich nehmen müssen. "Wir brauchen also dringend eine Lösung", so Kammerlander.
Großer Schritt in die richtige Richtung
Ein großer Schritt in die richtige Richtung ist für Kammerlander mit den geplanten Umstrukturierungen am LKH Hochsteiermark getan; wie bereits berichtet hat man sich dort in großer Einigkeit zur gemeinsamen Umsetzung von notwendigen Schritten geeinigt und sich dafür auch Unterstützung aus Graz zugesichert (siehe dazu Bericht). "Wir brauchen aber, um die Herausforderungen stemmen zu können, einen großen Schulterschluss aller steirischen Abteilungen. Wir sind deshalb bereits im wirklich guten Dialog sowohl mit Kages als auch mit dem Land Steiermark und arbeiten an einem abgestuften Trauma-Netzwerk für die gesamte Steiermark."
Zur Erklärung: Alle steirischen Landeskrankenhäuser (LKH) unterstehen der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages), die dem Land Steiermark unterstellt ist. Dementsprechend haben die LKHs den gesetzlichen Versorgungsauftrag.
Die beiden Unfallkrankenhäuser in der Steiermark (UKH) – Kalwang und Graz – gehören zur Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und haben den gesetzlichen Versorgungsauftrag nurin Bezug auf Arbeitsunfälle; diese machen aber nur rund zehn Prozent aller stationären Aufenthalte aus, daher werden zusätzlich zu Arbeits- und auch Freizeitunfällen auch nicht-akute Gelenksbeschwerden behandelt – dies geschieht in Kalwang über eine eigene, seit September neu eingerichtete Terminambulanz. An beiden UKH-Standorten gibt es darüber hinaus eigene Spezialambulanzen für Patientinnen und Patienten mit Facharzt-Zuweisung. Grundsätzlich legt die AUVA in Kalwang den Schwerpunkt auf die orthopädische, in Graz auf die unfallchirurgische Versorgung.
Es braucht einen großen Schulterschluss
Den von Kammerlander erwähnten Schulterschluss zwischen Kages und AUVA bedarf es, weil einerseits in den Kages-Häusern aufgrund des herrschenden akuten Personalmangels nicht mehr alles versorgt werden kann und weil in der AUVA keine weiteren Fachdisziplinen zur Versorgung von Mehrfachverletzungen wie in der Kages vorhanden sind; es gibt in der AUVA keine Neurochirurgie, keine Gefäßchirurgie, keine Viszeralchirurgie oder Plastische Chirurgie – Fächer, die im Fall eines Polytraumas aber zur Versorgung relevant sind. "Wir helfen uns derzeit über Konsiliardienste aus anderen Abteilungen. Aber auch hier bedarf es einer klaren Vorgabe. Wir brauchen einen fixen Konsiliarvertrag für die gesamte Steiermark, um voll funktional zu bleiben und wollen deshalb die Kooperation mit der Kages vertiefen", so Kammerlander.
Pläne aus vergangenen Jahren, die Unfallabteilung am LKH Hochsteiermark mit dem Unfallkrankenhaus Kalwang zu einer gemeinsamen Einrichtung zu verschränken, wurden wieder verworfen und werden laut Einschätzung Kammerlanders auch nicht mehr weiter verfolgt werden. Was ihm aber vorschwebt ist eine klare Regelung in Richtung einer abgestuften Traumaversorgung, ähnlich wie sie im deutschen Raum mit den Trauma-Netzwerken bereits gut funktioniert. "Es ist ja nicht notwendig, dass jedes Trauma auf die Uni-Klinik kommen muss, die Basisversorgung von Mono-Traumen können ja andere Häuser auch übernehmen. Wir brauchen wieder eine breite Basisversorgung, auf die Uni-Klinik sollten wirklich nur die ganz schweren Fälle kommen. Patienten bekommen im Rahmen eines solchen Netzwerkes dann eben nicht mehr in jedem Haus die gesamte medizinische Versorgung sondern abgestuft je nach Schwere der Verletzung", so Kammerlander. Diese Abstufung wäre auch dringend notwendig, um Druck aus dem gesamten medizinischen System zu nehmen.
"Wir stoßen vor allem am Wochenende und in den Abendstunden immer öfter an unsere Kapazitätsgrenzen, weil wir dafür einfach nicht ausgelegt sind", so Christian Kammerlander.
Und was es ebenfalls braucht ist eine Attraktivierung des Berufsbildes Spitalsarzt. "Mehr Wertschätzung, die Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen mitreden lassen, Teilzeitmodelle zulassen, attraktive Gehaltspakete und in der Ausbildung für gute Qualität sorgen – ich denke, damit könnte man schon sehr viel erreichen", so Kammerlander, der in seinen beiden Häusern derzeit zwar auch offene Facharztstellen hat, aber über keine betriebseinschränkenden personellen Engpässe klagen kann.
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