Learning from the swedish model oder "Wie machen das die Schweden?"

Stockholm, Venedig des Nordens, und ein Paradies für Fußgänger, Radfahrer und Verkehrssicherheitsexperten.
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  • Stockholm, Venedig des Nordens, und ein Paradies für Fußgänger, Radfahrer und Verkehrssicherheitsexperten.
  • hochgeladen von Markus Hackl

Das Land Steiermark ist österreichweit Vorreiter in der Entwicklung von Verkehrssicherheitsstrategien. Schweden ist das auf europäischer bzw. globaler Ebene.

Seit den 1990er-Jahren läuft Verkehrssicherheit in Schweden nach den „Vision Zero“-Vorgaben. Vision Zero hat zum Ziel, Straßen und Verkehrsmittel so sicher zu gestalten, dass keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr auftreten.
Auch das Land Steiermark orientiert sich unter anderem an der schwedischen Vision-Zero-Strategie. – Grund genug für einen Meinungsaustausch unter Politikern und Verkehrsexperten.

Menschen dürfen weiterhin Fehler machen
Der Grundgedanke von Vision Zero ist, dass Menschen Fehler machen. Daher muss das Verkehrssystem so gestaltet werden, dass diese Fehler nicht zu lebensbedrohlichen Verletzungen seiner Nutzer führen.

Einige Maßnahmen, die aus dem Vision-Zero-Konzept entwickelt wurden, sind:
• Bauliche Trennung von Fahrstreifen in entgegengesetzte Richtungen etwa mit „cable barriers“.
• Bushaltestellen werden verengt, um nur einstreifige Durchfahrt zu erlauben. Busaussteiger können nicht von überholenden Autos erfasst werden.
• Kreuzungen werden durch Kreisverkehre ersetzt.
• Ortseinfahrten werden mit Verschwendungen der Fahrbahn versehen, um die Einfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit zu vermeiden.

Integriert ins Vision-Zero-Konzept ist die Fahrzeugindustrie (z.B. Volvo). Auch die praxisnahe Fahrausbildung mit Fahrtechnikkursen und Simulatortrainings in sogenannten Safety Halls ist Teil der Vision Zero.

Null Toleranz und hohe Strafen

Und: Kontrolle und Überwachung verbunden mit sehr hohen Verkehrsstrafen (ohne Toleranzgrenze) gehören auch zur Vision Zero. Die Strafen reichen von 160 Euro ab einer Geschwindigkeitsübertretung von nur 1 km/h bis zu 425 Euro – zusätzlich ist schnell der Führerschein weg. Und das Bemerkenswerte: Die Bevölkerung befürwortet sämtliche Maßnahmen und trägt das Konzept mit.
Es gibt schon auch „Böse“ in Schweden; die fahren auf der Autobahn dann 120, statt der erlaubten 110km/h.

Verkehr steigt, trotzdem weniger Verkehrstote
„Das Vision Zero Konzept für die Straßenverkehrssicherheit ist hoch wirksam. Schweden verfügt weltweit über eine der niedrigsten Todesraten im Straßenverkehr – trotz steigendem Verkehrsaufkommen“, erklärt Matts-Ale Berlin vom Ministerium für Forschung und Entwicklung.
Die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2014 betrug in Schweden 270, 2007 lag die Zahl noch bei 470. „Die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten ist so niedrig wie vergleichsweise in den 1950er-Jahren“, erläutert dazu Lars Ekman vom schwedischen Verkehrsministerium.

Die EU hat übrigens vorgegeben, dass sich die Zahl der Verkehrstoten in Europa von 2010 bis 2020 halbieren sollte. An dieser Vorgabe dürfte auch das Musterland Schweden scheitern. „Es wird sehr schwer sein, diese EU-Vorgabe bis 2020 zu erreichen“, so Lars Ekman.

Fußgänger und Radfahrer haben Priorität
Im Stadshuset (Rathaus) vom Schweden, übrigens ein Fixpunkt bei allen Stockholm Touristen mit acht Millionen roten Backsteinen und einem 106 Meter hohen Rathausturm, erklärte Vizebürgermeister Daniel Helldèn das Verkehrskonzept von Stockholm: „Wir versuchen die Verkehrspyramide auf den Kopf zu stellen. Fußgänger, Radfahrer und öffentlicher Verkehr haben oberste Priorität, dann folgen Lastenverkehr, Taxis und zuletzt der Autoverkehr.“ Dass dies gelungen ist, zeigen die Frequenzzahlen für Stockholm. 25 Prozent Fußgänger, 7 Prozent Radfahrer, 39 Prozent öffentlicher Verkehr, 28 Prozent Autoverkehr und motorisierte Zweiräder, 1 Prozent andere Verkehrsmittel.
Hilfreich bei der Umsetzung war sicherlich auch die City-Maut für motorisierten Stadtverkehr, angepasst nach den Verkehrsfrequenzen. In Spitzenzeiten zahlt man mehr als zu verkehrsschwachen Tageszeiten.

Einblicke in die Wirtschaft: Nicht unähnlich
Der Wirtschaftsdelegierte Albrecht Zimburg vom österreichischen Außenwirtschaftscenter im Herzen von Stockholm gab der Delegation Einblick in die österreichisch-schwedischen Wirtschaftsbeziehungen: „Österreich und Schweden pflegen seit Jahren eine gute und stabile Wirtschaftsbeziehung, wie es sich für zwei hochentwickelte Länder geziemt. Die Schweden sind sehr nationalbewusst. Mit Dingen, die sie selbst haben, ist es schwer oder nur über Hintertürchen möglich auf den Markt zu kommen. Sehr leicht geht es mit Produkten und Leistungen, die die Schweden nicht haben, zum Beispiel beim Tunnelbau – da holen sie sich gerne Experten ins Boot.“

Auf Ministerebene
Nach dem Fachaustausch und Referaten zur Verkehrssicherheit gab es im Ministerium für Forschung und Entwicklung ein Zusammentreffen von Landesrat Jörg Leichtfried mit der schwedischen Verkehrsministerin Anna Johansson, begleitet von der Botschaftsgesandten Marieke Zimburg und der LAbg. Helga Ahrer.

"We drink wine and talk about motorsports" – auch Schweden haben Humor
Im Royal Swedish Automobilclub wurde der Delegation die Rolle von NGOs im schwedischen Verkehrssicherheitsnetzwerk vorgeführt. Der königliche Automobilclub wurde 1903 gegründet und setzt sich aktuell besonders für Verkehrssicherheit bei Kindern und Jugendlichen ein.

Weiters wurden bauliche Verkehrssicherheitsmaßnahmen wie „cable barriers“ und „Safety Hall“ an Ort und Stelle besichtigt. Die Safety Hall (Trafiksäkerhetscenter auf schwedisch) in Gillinge ist das zweitgrößte Fahrsicherheitstraingscenter Schwedens. 17.000 Fahraspiranten und 5.000 Berufsfahrer werden hier jährlich geschult.

Am Abschlusstag wurde die Delegation noch mit dem „Crash safety laboratory“ und einem Fahrsimulator im schwedischen National Road and Transport research Institute (VTI) in Linsköping konfrontiert. Das VTI ist das schwedische Gegenstück zum österreichischen Kuratorium für Verkehrssicherheit. In diesem Verkehrslabor können selbst schwierigste Unfallszenarien binnen einer Woche nachgestellt werden. Ähnlich moderne Fahrsimulatoren gibt es in Europa vergleichsweise nur bei Daimler in Sindelfingen.

Vision Zero wird steirisch – soll aber nicht zur "Zero Vision" verkommen
Landesrat Jörg Leichtfried mit einer ersten Bilanz der Fachexkursion: „Ich habe mit einer ganz wesentlichen Vision mit Amt in der Landesregierung angetreten: Wenn, dann geht es nur über die Verkehrssicherheit. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Und ein Toter ist kein statistisches Detail, sondern dahinter verbergen sich unendliche menschliche Tragödien. Mir ist bewusst, dass eine 1:1-Anpassung nicht möglich ist, und ob der Gegebenheiten auch nicht sinnvoll wäre. Was es aber sicher geben wird, das sind Anpassungen. Was wir aus Schweden mitbringen, ist die Erkenntnis, dass dieses Leitthema möglichst alle Institutionen mittragen müssen. Ich werde die zuständige Fachabteilung beauftragen, möglichst rasch ein umsetzbares Konzept zu erstellen. Steiermark muss zum verkehrssichersten Bundesland Österreichs werden.“

Delegationsmitglieder waren unter anderen: LAbg. Helga Ahrer, Landesbaudirektor Andreas Tropper (Leiter der Abteilung Verkehr und Landeshochbau), Wolfgang Staudacher (Leiter der Landesverkehrsabteilung) sowie Peter Gspaltl vom politischen Büro Jörg Leichtfried).

Jörg Leichtfried ist auch Sportlandesrat: In dieser Funktion will er wieder nach Stockholm kommen: und zwar als Teilnehmer des Stockholmer Halbmarathons.

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