Energieexperte Timo Leukefeld
"Intelligent Verschwenden, statt blöd Sparen"

Leukefeld begann seine Karriere mit einer Lehre als Instandhaltungstechniker. Heute ist er als Energie- und Zukunftsforscher ein gefragter Redner. | Foto: Peter Burkhard
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  • Leukefeld begann seine Karriere mit einer Lehre als Instandhaltungstechniker. Heute ist er als Energie- und Zukunftsforscher ein gefragter Redner.
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Timo Leukefeld ist ein Visionär in Sachen Wohnen und Energie. Doch vor allem ist er auch ein Macher. 2013 bezog er mit seiner Familie ein gemeinsam mit Stephan Riedel entworfenes energieautarkes Haus in Freiberg in Ostdeutschland. 

ÖSTERREICH. Vier Jahre lang hat die TU Bergakademie Freiberg das Haus umfangreich vermessen, um den Autarkiegrad zu überprüfen. Die Ergebnisse bestätigten für die Stromversorgung über die Photovoltaik-Anlage einen Selbstversorgungsgrad von 99,6 Prozent und für den Heiz- und Warmwasserbedarf über die Solarthermieanlage 69 Prozent. Auch in Österreich war Leukefeld planerisch bei der Errichtung so genannter Sonnenhäuser tätig, etwa in Eferding und Schwertberg. Doch wie realistisch ist energiautarkes Wohnen für einen Durchschnittshaushalt wirklich? meinbezirk.at hat darüber mit Leukefeld gesprochen.

Was waren die größten Herausforderungen beim Bau des energieautarken Hauses?
TIMO LEUKEFELD:
Die größte Herausforderung war die Vorstellung, dass es möglich ist, energieautark zu bauen und zu wohnen.

Das Herzstück der eigenen Energieversorgung ist der neun Kubikmeter große Langzeitwärmespeicher, um den das Haus herum gebaut ist. Wie funktioniert das genau?
Es handelt sich um einen großen Wärmespeicher, der die Energie in die Heizperiode bringen kann. Denn im Sommer scheint die Sonne, aber vor allem im Winter brauche ich die Energie. Mit Wasser gefüllte Stahlspeicher werden mit Sonnenwärmekollektoren beheizt. Das Wasser wird in den Langzeitspeicher geleitet und erreicht 90 bis 95 Grad Celsius. Der Langzeitwärmespeicher ist doppelt so dick gedämmt wie normale Wasserspeicher, hat eine Lebensdauer von 80 Jahren und ist eine Technik, die aus der Industrialisierungszeit stammt.


"Mit Wasser gefüllte Stahlspeicher werden mit Sonnenwärmekollektoren beheizt."

Und wie lebt es sich in dem Haus?
Im Winter ist bei uns die Heizung auf 23 Grad Celsius aufgedreht, überall brennt das LED-Licht und wir fahren mit Solarstrom mit gutem Gewissen wieder viele Kilometer mit dem Auto. Ich nenne das: Intelligentes Verschwenden. Das Gegenteil von blöd Sparen.

Die Ergebnisse des Autarkie-Monitorings ergeben für Strom zwar fast 100 Prozent Energieautarkie, aber für die Wärme einen Selbstversorgungsgrad von knapp 70 Prozent. Hundertprozentige Autarkie ist in Wärmebereich also noch nicht möglich?
Technisch wäre es möglich, aber es ist nicht wirtschaftlich. Das nennt sich abnehmender Grenznutzen. Um bei Wärme 70 Prozent Autarkie zu erreichen, braucht es einen 9.000 Liter Speicher. Um auf 100 Prozent zu kommen, bräuchte es einen 45.000 Liter Speicher. Aber dann hätte ich kaum mehr Platz für Wohnfläche. Die letzten 30 Prozent Autarkie kosten so viel, wie die ersten 70 Prozent.

Es ist also möglich, aber wirtschaftlich nicht sinnvoll?
Hundertprozentige Autarkie ist nicht wirtschaftlich, aber sie kann trotzdem eine sinnvolle Entscheidung sein. Laut Wirtschaftlichkeitsberechnungen würde sich die Investition hier erst in drei bis vier Jahrzehnten amortisieren. Ich lehne diese Berechnungen aber ab, denn der Energiepreis der Zukunft kann nur geschätzt werden. Wir kennen ihn nicht. Die Berechnung steht also auf schwachen Beinen. Ich gehe davon aus, dass sich die Energiepreise in 30 Jahren verdreifachen werden. Und: Im Alter hat man keine Ausgaben für Wärme, Strom und E-Mobilität.

Und wieviel kostet ein energieautarkes Durchschnittsfamilienhaus?
Unser Haus in Freiberg hat 161 Quadratmeter und die Kosten beliefen sich auf 430.00 Euro. Ein Energieautarkie-Paket von 50 Prozent für einen Neubau kostet zusätzlich etwa 40.000 Euro. In Mehrfamilienhäuser rechnet sich das Autarkiekonzept aber noch mehr. Deswegen entwickeln wir für Immobilieninvestoren auch energieautarke Mehrfamilienhäuser mit einer Pauschalmiete inklusive Energiekosten für Strom, Wärme und das Betanken des Elektroauto. Die Wohnungen der ersten umgesetzten Projekte haben einen festen Mietpreis für zehn Jahre von 10,50 Euro pro Quadratmeter. 

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