Adi Hirschals Weihnachtsgeschichte: Wunder im Nebel

Vor einigen Jahren hatte ich die Ehre, beim Weihnachtsmarkt in Schloss Grafenegg meine neu zusammengestellte Weihnachtslesung mit dem verheißungsvollen Namen „Klingelingeling“ präsentieren zu dürfen. Eine inzwischen erfolgreiche musikalische Lesung, mit ernsten und lustigen Texten, schwungvoll durchmischt mit traditionellen Liedern. Der musikalische Bogen reichte von „Es wird scho glei dumpa“ bis zu „Ich träum’ von einer weißen Weihnacht“, (I’m dreaming of a white Christmas). Von Grillparzer bis Nöstlinger, alles gut eingearbeitet und dramaturgisch bestens vernäht. Zur Krönung des Ganzen war überdies eine Radioaufzeichnung angesetzt, die dann am 24. Dezember auf Radio Niederösterreich ausgestrahlt werden sollte. Mit einem Wort: eine ehrenvolle und spannende Agenda.

Ich packte meine beiden Musiker, einen Klavierspieler und einen Trommler, in meine neu erstandene englische Limousine und mit dem frühen Einbruch der Dunkelheit, wie das halt so ist im mittleren Dezember, glitten wir durch’s hell erleuchtete Wien, vorbei an Grinzing und Klosterneuburg über Stockerau Richtung Krems. Wir plauderten in bester Laune, legten CDs ein und ergötzten uns an old fashioned Jazz, ich glaub es war die Glenn Miller Band. Am Stadtrand mit dem Verlassen der großen Durchzugsstraßen wurde es ein wenig düsterer, aber die Musik lenkte uns ab und so übersah ich es beinahe, wie wir in ein dickes Nebelfeld einfuhren und ich mich nur mehr nach den reflektierenden Mittelstreifen der Schnellstraße orientieren konnte. Ich verringerte das Tempo und da wir ein schönes Zeitpolster eingeplant hatten, fühlten wir uns entspannt und berieten uns über die Details der bevorstehenden Aufgabe. Da wir langsam fuhren, schaute ich gar kaum auf’s Armaturenbrett sondern mehr auf die dicke Nebelsuppe, die meine Windschutzscheibe in Milchglas zu verwandeln schien. Plötzlich hörte ich ein kleines Piepsen. Ich warf einen Kontrollblick auf die elektronischen Armaturen und stellte fest, dass ich kaum mehr Treibstoff im Tank hatte. „Gut“ dachte ich „das kann ja mal passieren“ und bedeutete höchstens, dass man abfährt und bei der nächsten Tankstelle Treibstoff nachfüllt. In unserem Falle war es Diesel, der ausging.

In der Nebelsuppe jedoch kam mir das Gefühl für Orientierung abhanden, ich hatte nicht aufgepasst, wo ich mich gerade befand und so ging mir das Vertrauen in unseren Zeitplan völlig verloren. Außer dem verschwommenen Kegel des Abblendlichtes war nichts mehr zu erkennen. Es war klar, dass wir Grafenegg mit dem fast leeren Tank nicht würden erreichen können. Wie ein wildes Pferd ging die verbleibende Zeit mit mir durch und es erfasste mich Panik. Immerhin wartete das Team des Rundfunks auf uns, um vor der Lesung einen Soundcheck durchzuführen. Ich rief die zuständige Redakteurin an und avisierte den größtmöglichen Termin-Super-Gau. Es war klar, wir mussten abfahren von der Schnellstraße und nach einer Tankstelle suchen. Eine unendliche Mutlosigkeit überfiel mich und ich begann yogamäßig die Katastrophe zu akzeptieren, bemühte mich, durch flaches Atmen die glühenden Ohren auf Normaltemperatur zu bringen. Kleine Einwürfe der Hoffnungslosigkeit seitens der Musiker, die noch darauf hinwiesen, dass sie weder Schuld empfanden, noch Verständnis für meine Nachlässigkeit aufzubringen bereit waren. Da! Der gelbe Schimmer einer unendlich hohen Straßenbeleuchtung zeigte die Möglichkeit, die Schnellstraße zu verlassen an. Hysterisch fuhr ich ab und trug den Wagen förmlich, jeden Tropfen Treibstoff geizig verwaltend, durch die nebelige Nacht. Gegenstände zeigten sich immer erst zu allerletzt. So krochen wir im Schneckentempo durchs nachtschwarze Niederösterreich.

Da! Plötzlich sah ich die Umrisse eines Haus oder besser den weichgezeichneten Eingang eines Hauses vor mir auftauchen. Ich bremste, sprang aus dem Wagen und läutete an der Tür. Die Tür öffnete sich und ein Mann, der sich dem Dresscode nach zu schließen bereits auf einen gemütlichen Abend eingestellt hatte, stand in Schlapfen und Hausanzug, oder was immer Kuscheliges das war, vor mir fragte nach meinem Begehr. Ich begann umständlich von Nebel und Grafenegg und Lesung und Zeitnot und Musikern im Auto zu faseln und verwirrte den armen Mann zuerst heftig. Da ich ja einmal Luft holen musste, eröffnete sich dem Mann dann endlich die Gelegenheit, sich konkret nach meinem Begehr zu erkundigen, da ich in meiner Not vergessen hatte, nach einer Tankstelle zu fragen oder nach einem Kanister. Nachdem ich das nachgeholt hatte, fragte er mich freundlich nach der Art des Treibstoffes. Ich hielt das für eine seltsame, nicht zum Thema gehörende Frage, denn ich brauchte ja nur einen Kanister und den Weg zur nächsten Tankstelle. Er jedoch fragte noch einmal liebenswürdig, mit welcher Art Treibstoff ich unterwegs sei. Nervlich am Ende antwortete ich: DIESEL! Da huschte ein Lächeln über das Gesicht des Mannes. Er wies mich an, die erste Abbiegung rechts zu nehmen, dann nach 20 Metern wieder rechts. Er würde mir dort ein Gartentor öffnen. Im Garten hätte er eine Zapfsäule stehen – für seinen Traktor, wie er anfügte – und lud mich ein, in seinem Garten zu tanken. Und wenn ich sage, er lud mich ein, dann meine ich das auch. Er schenkte mir die notwendige Menge Diesel und wünschte mir frohe Weihnachten. Ich konnte mein Glück nicht fassen!
In Grafenegg fand alles zur rechten Zeit statt.
In all dem Chaos hatte ich vergessen, den Namen meines Retters zu erfragen und weiß bis heute nicht, wo wir abgebogen waren. Ich behalte mir den nächtlichen Retter einfach als „mein Grafenegger Christkindl“ im Gedächtnis.

Information zu den Herausgeberinnen und dem Buch

Barbara Brunner

Barbara Brunner ist geboren in Ried im Innkreis, aufgewachsen in Braunau am Inn, Studium der Slawistik und Romanistik in Salzburg, zehn Jahre im Residenz Verlag Salzburg zuständig für Presse und Lizenzen, dann Marketingleiterin im Bundesverlag Wien, seit 1994 lebt sie in Salzburg und ist als selbständige PR-Beraterin für Buchverlage tätig.

Caroline Kleibel

Die besten Geschichten schreibt das Leben, ist Caroline Kleibel überzeugt. Nach einem AFS-Jahr und einem denkwürdigen Weihnachtsfest unter einem mit Popcorn geschmückten US-Christbaum studierte die gebürtige Innsbruckerin in Salzburg Kommunikationswissenschaften und Psychologie. Stationen beim ORF und als Pressesprecherin der Universität folgte die berufliche Selbstständigkeit. Seit nunmehr 20 Jahren ist sie erfolgreich als freie Journalistin für Zeitungen und Zeitschriften, sowie als Buchautorin und Biografin tätig. Aus ihrer Feder stammen literarische Miniaturen über Prominente wie Almaz Böhm, Angelika Kirchschlager, Hans Hass oder Karl Merkatz ebenso wie die Biografien von Herbert Fux und jene der Trapp-Köchin Johanna Raudaschl, ergänzt durch zahlreiche private Erinnerungsbände über Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen

Informationen zum Buch

Titel des Buches: Steht das Christkind vor der Tür?: Das Licht ins Dunkel Weihnachtsbuch
ISBN: 978-3-7025-0763-3
Umfang: 144 Seiten
Preis: € 22,00

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