Handydaten
Experten warnen vor Untergrabung des Datenschutzes und Bürgerrechte
Die Mobilfunkanbieter stellen der österreichischen Regierung die Bewegungsdaten von Handynutzern anonymisiert zur Verfügung. Damit sollen die Ausgehbeschränkungen im Kampf gegen die Pandemie besser auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Dabei ist die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Unternehmen, Datenschützern und öffentlichen Stellen notwendig, um Datenschutz zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern, wie ein Forscherteam im Fachjournal "Science Advances" betont.
ÖSTERREICH. Seit Mitte März liefert das Telekomunternehmen A1 und das Grazer Unternehmen Invenium dem Covid-19-Krisenstab der Regierung täglich anonymisierte Analysen über die Bewegungsmuster der Bürger. Laut Analyse von Bewegungsdaten durch Wiener Forscher sind die Österreicher seit Ostern wieder mehr unterwegs. Nachdem sich durch die Einführung der Covid-19-Ausgangsbeschränkungen der Bewegungsradius von rund 14 Kilometern pro Tag auf nur acht reduziert hatte, verzeichnete man am Donnerstag (16. April) einen Durchschnittswert von rund zwölf Kilometern.
Das Forscherteam sieht sich darin bestärkt, dass sich aus zusammengefassten und anonymisierten Bewegungsdaten von Mobilfunknutzern wichtige Schlüsse über die Verbreitung von Epidemien ziehen lassen. Das lasse sich anhand einiger Forschungsergebnissen ablesen, wie die APA berichtet.
In der Arbeit skizzieren Datenwissenschafter, Epidemiologen, Demographen sowie Vertreter von Mobilfunkanbietern, wie in der aktuellen Coronakrise auf Basis von Handydaten das Verhalten der Bürger analysiert sowie gesetzte Maßnahmen und deren Wirkung sinnvoll nachvollzogen werden können. So könne man in der Pandemie rasche und nachvollziehbare Entscheidungen treffen, um Clusterbildungen oder andere unerwünschte Entwicklungen zu vermeiden.
Zusammenspiel von mehreren Gruppen
Dazu brauche es eben nicht nur Infektionsdaten sondern auch möglichst aktuelle Informationen über das menschliche Verhalten, "im Speziellen zur Mobilität und zu Kontakten", betonen die Wissenschafter. Um hier sinnvolle Lösungen zu entwickeln, sollten Teams aus Regierungsvertretern, Mobilfunkfirmen, Technologieunternehmen wie Google, Facebook oder Apple und Wissenschaftern gebildet werden. Als Grundlage sollten vor allem anonymisierte Bewegungsdaten genutzt werden, in denen jeweils Informationen über mehrere Bürger zu einer größeren Einheit zusammengefasst, bzw. aggregiert werden. Datenschutzexperten müssten die Verwendung dieser Daten auf ihre Datenschutzgrundverordnungskompatibilität überprüfen. Zudem sollten nur Auswertungen gemacht werden, die in Bezug auf die Pandemie-Situation auch tatsächlich nützlich sind, fordern die Wissenschaftler.
Standards nicht vergessen
Denn bei allen Vorteilen der Nutzung der Handydaten dürfte es nicht zu Verschlechterungen bei Bürgerrechten und Datenschutz kommen, betonen die Forscher. Es sei zumindest weniger problematisch , wenn Mobilfunker mit Regierungen und Wissenschaftern zusammenarbeiten, als wenn personenbezogenen Daten zu Aufenthaltsorten von kommerziell-orientierten Firmen genutzt werden. Hier seien Verletzungen des Datenschutzstandards nicht auszuschließen, was einen erheblichen Schaden anrichten könnte. Auch in Anbetracht der drängenden Zeit und im Hinblick auf kommende Epidemien dürfen die aktuell erarbeiteten Lösungen und Richtlinien unter keinen Umständen in Vergessenheit geraten, schreiben die Wissenschaftler.
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