Teuerung verschärft Lage
Sozialstaat schützt 946.000 Menschen vor Armut
Die Teuerungen machen den Österreicherinnen und Österreichern immer mehr zu schaffen. Besonders hart treffen die hohen Preise vor allem die 1,3 Millionen armutsgefährdeten Menschen. Ohne dem österreichischen Sozialsystems wäre die aktuelle Lage aber noch prekärer, wie eine aktuelle Studie des Momentum Instituts (MI) zeigt.
ÖSTERREICH. Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe oder das Arbeitslosengeld bewahren 946.000 Österreicherinnen und Österreicher jährlich vor einem Leben in Armut. Dies zeige, dass der Sozialstaat funktioniere, denn dieser hebe "mehr Menschen jedes Jahr aus der Armut als in den Bundesländern Kärnten und Burgenland ingesamt leben", so das MI in einer Aussendung. Da Pensionen, die einen Teil der Sozialleistungen ausmachen, in der Auswertung nicht enthalten sind, sei dies sogar eine absolute Untergrenze.
Alleinerzieherinnen und -erzieher besonders gefährdet
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Frauen und Männer auf gleiche Weise von den Leistungen des Sozialstaats profitieren. Zudem schützen diese 275.000 Kinder vor der Armut.
Marie Hasdenteufel, Ökonomin am MI, verweist darauf, dass der Sozialstaat zwar funktioniere, aber dennoch nicht vollkommen armutsfest sei. Immerhin leben 1,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher – trotz der staatlichen Leistungen – weiterhin in Armut. Als besonders gefährdet sieht das MI Alleinerzieherinnen und -erzieher. In dieser Gruppe sei jede und jeder Vierte von Armut betroffen.
Sozialleistungen laufen Inflation hinterher
Das MI warnt davor, dass die aktuellen Teuerungen die Situation zunehmend verschärfen. Viele Sozialleistungen seien mit Beginn 2023 zwar an die Inflation angepasst worden, allerdings vielen diese Anhebungen zu gering aus. Hasdenteufel ergänzt hierzu:
"Die Anpassung passiert aber auf Basis von Inflationsraten die bis zu eineinhalb Jahre in der Vergangenheit liegen. Das bedeutet die Leistungen werden zeitnah nicht in dem Ausmaß angehoben, wie es nötig wäre, um die gestiegenen Kosten auch stemmen zu können. Die Sozialleistungen laufen der Inflation hinterher, und zwar mit einem Abstand von über einem Jahr."
Besonders hart treffen die hohen Preise arbeitslose Menschen, da das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe überhaupt nicht angepasst werden. Das MI weist in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass Arbeit nicht immer vor Armut schütze. So sei in der Altersgruppe der Menschen zwischen 18 und 64 Jahren über die Hälfte der Armutsgefährdeten erwerbstätig.
239.000 können Wohnung nur unzureichend heizen
Die aktuelle Erhebung ermittelte zudem, dass jede fünfte Person in Österreich (1,69 Millionen) unerwartete Ausgaben nicht bezahlen kann. Weitere 1,22 Millionen Menschen können sich keinen Urlaub leisten. Zudem sind mehr als 400.000 Österreicherinnen und Österreicher mit Zahlungen in Rückstand und 239.000 Personen konnten es sich im vergangenen Jahr nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten.
Regierungsziele drohen zu scheitern
Das Momentum Institut verweist darauf, dass die Armutsbekämpfung auch im türkis-grünen Regierungsprogramm vorgesehen ist. Hierin wurde als Ziel festgelegt, die Zahl der Armutsgefährdeten innerhalb der Legislaturperiode zu halbieren. "2021 waren 1,29 Millionen Menschen Armutsgefährdet, 2022 waren es 1,31 Millionen, die Tendenz geht also in die entgegengesetzte Richtung", so das MI.
Das Institut empfiehlt daher, die Armutsbekämpfung zur Priorität zu machen und die Sozialleistungen weiter auszubauen. So müsse die Ausgleichzulage an die Armutsgefährdungsschwelle angepasst, mehr leistbarer Wohnraum und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine weitere wichtige Maßnahme sei eine gerechtere Entlohnung von Frauen.
Wer als armutsgefährdet gilt
Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Diese Einkommensgrenze wird Armutsgefährdungsschwelle genannt. In Österreich liegt sie aktuell für einen Einpersonenhaushalt bei 1.392 Euro im Monat.
Die Schwelle erhöht sich für jede weitere erwachsene Person im Haushalt um 696 Euro und pro Kind unter 14 Jahren um 418 Euro.
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