Nach tödlicher Hundeattacke in OÖ
Wann Hunde aggressiv werden können

Nach dem Vorfall mit einem American-Stafford-Terrier in OÖ beteuert die Hunde-Expertin: "Aggressivität ist kein Merkmal einer spezifischen Rasse." (Symbolbild) | Foto: Jutta Leitner
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  • Nach dem Vorfall mit einem American-Stafford-Terrier in OÖ beteuert die Hunde-Expertin: "Aggressivität ist kein Merkmal einer spezifischen Rasse." (Symbolbild)
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Nach dem Vorfall in Oberösterreich, bei dem ein American-Staffordshire-Terrier eine Joggerin zu Tode gebissen hat, drängen sich Fragen nach Ursache und Präventionsmaßnahmen auf. Aber "Aggressivität ist kein Merkmal einer spezifischen Rasse", beteuert Veronika Weissenböck von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" gegenüber MeinBezirk.at. Das Problem bei verhaltensauffälligen Hunden sitze so gut wie immer am anderen Ende der Leine, so die Expertin. Sie fordert einen verpflichtenden Hundeführschein für alle Hundebesitzerinnen und -besitzer.

ÖSTERREICH. Nach dem tragischen Tod einer Joggerin, die von einem Hund angefallen und totgebissen wurde, herrscht Bestürzung in der oberösterreichischen Gemeinde Naarn und darüber hinaus. Die genauen Hintergründe zu dem Vorfall sind noch nicht bekannt. Auch die Hunde-Besitzerin wurde schwer verletzt und ins Kepler Klinikum Linz eingeliefert. Ihr Hund, ein American Stafford, gilt in einigen Bundesländern als sogenannter "Listenhund" und damit als ein Hund mit einem vermeintlich erhöhten Gefährdungspotenzial.

MeinBezirk.at hat bei Veronika Weissenböck von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" nachgefragt: Wann Hunde aggressiv werden können, warum eine Klassifizierung in Listen- bzw. Kampfhunde unsinnig, ein verpflichtender Hundeführschein aber sehr wohl sinnvoll ist und weshalb das Einschläfern eines Tieres nur die allerletzte Option sein sollte, erklärt die Expertin im Gespräch.

Sind sogenannte "Kampfhunde" tatsächliche aggressiver als andere Hunde?
Veronika Weissenböck: Aggressivität ist kein Merkmal einer spezifischen Rasse. Ein Hund verhält sich immer nur in Kombination mit individuellen Umwelteinflüssen auffällig – häufig als Frustrations-, Angst- oder auch Schmerzreaktion gegenüber Menschen beispielsweise. Die Verantwortung für ein harmonisches und konfliktarmes Verhalten liegt also von Anfang an ganz klar beim Menschen.

Was sagen sie also dazu, dass bestimmte Rassen mancherorts als "Listenhunde" und somit besonders gefährlich eingestuft werden?
Die Klassifizierung in Listenhunde macht wenig Sinn. Schließlich vermittelt diese auch gerade ein "Guter Hund - Böser Hund"-Bild, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Unsachgemäßer Umgang kann bei jedem Hund zu auffälligen bis problematischen Verhalten führen. Das Problem bei schlecht sozialisierten und verhaltensauffälligen Hunden sitzt eigentlich so gut wie immer am anderen Ende der Leine. 

Was kann dazu beitragen, dass Hunde aggressiv werden?
Es gibt eine Reihe von Ursachen, die dazu führen können, dass ein Hund einen Menschen oder ein anderes Tier angreift:

  • wenn ein Hund an Angst-Aggression leidet,
  • wenn ein Hund nicht richtig erzogen und sozialisiert ist,
  • wenn der Hund versucht, seinen Besitzer oder seinen Besitz zu schützen,
  • wenn der Hund Hunger leidet oder
  • wenn der Hund an einer Verletzung oder Krankheit leidet. 

In allen Fällen muss der Hundehalter/die Hundehalterin dafür sorgen, dass er/sie diesen Ursachen mit den richtigen Maßnahmen begegnet. 

In den Medien heißt es nun, der Hund wurde eingeschläfert. Ist das die richtige Vorgehensweise bei aggressiv gewordenen Tieren?
Es trägt doch nicht zur Lösung des Problems bei, wenn gesunde Tiere pauschal eingeschläfert werden, weil sie sich problematisch verhalten haben. Da müssen einfach die Umstände in jedem Einzelfall genau geprüft und berücksichtigt werden. Man muss zum Beispiel auch medizinisch untersuchen, woher die Aggression kommt. Viele Hunde können wieder sozialisiert oder auch behandelt werden. Sollte keine dieser Maßnahmen zur Verbesserung des Verhaltens beitragen, muss noch geprüft werden, ob das Tier in einer Tierunterkunft gut zurechtkommt. Das Einschläfern eines Tieres sollte auf jeden Fall immer nur die allerletzte Option sein. 

Welche Präventions-Maßnahmen wären sinnvoll?
Ein verpflichtender Hundeführschein für alle Hundehalterinnen und -halter – nicht nur für die von Listenhunden – ist sinnvoll. Der Hundeführschein trägt auch zur Aufklärung der Halterinnen und Halter bei. Ebenso wichtig ist es, auf Aufklärungskampagnen und Schulungen zum Thema "Umgang mit dem Hund im öffentlichen Raum" zu setzen. Ein Problem liegt darin, dass die Bevölkerung einfach zu wenig über Hunde weiß – ihre Sprache, wie man sie richtig führt bzw. über das richtige Verhalten in der Öffentlichkeit. Darauf müssen wir unser Augenmerk legen. Im Idealfall beginnt die Aufklärung bereits in den Schulen.

Das ist auch wesentlich wichtiger als Strafen. Natürlich: Strafen haben einen Abschreckungseffekt. Das Ziel sollte jedoch sein, dass sich die Besitzerinnen und Besitzer mit dem Tier auseinandersetzten und es einschätzen können. Zu empfehlen sind Hundetrainings mit tierschutzgeprüften Hundetrainerinnen und -trainern.

"Bestimmungs-Fleckerlteppich" in Österreich  

Die Haltung und Benennung von sogenannten Listenhunden ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Eine Hundeführscheinprüfung für Besitzerinnen und Besitzer bestimmter Hunderassen ist lediglich in Wien vorgesehen. In Vorarlberg und Niederösterreich muss die Haltung von Listenhunden der Behörde angezeigt bzw. von dieser bewilligt werden. In Niederösterreich muss zusätzlich die erweiterte Sachkunde zur Haltung dieser Hunde nachgewiesen werden können.

In Oberösterreich, in der Steiermark und in Salzburg gibt es keine besonderen Auflagen für die Haltung von Hunden bestimmter Rassen. Hier müssen alle Hunde-Halterinnen/Halter ihre Sachkunde nachweisen. In Tirol, dem Burgenland und Kärnten gibt es grundsätzlich keine besonderen Voraussetzungen. Erst wenn ein Hund auffällig wird, sind hier behördliche Maßnahmen möglich. In mehreren Bundesländern müssen bestimmte Listenhunde an öffentlichen Orten einen Maulkorb und eine Leine tragen.

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