Wählerstromanalyse
Frühere Kurz-Wähler sichern der FPÖ den Wahlsieg

- Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und hat die politischen Verhältnisse im Land ordentlich durcheinander gewirbelt. Laut dem vorläufigen Endergebnis erreicht die FPÖ deutlich den ersten Platz.
- Foto: Shutterstock
- hochgeladen von Mag. Maria Jelenko-Benedikt
Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und hat die politischen Verhältnisse im Land ordentlich durcheinander gewirbelt. Laut dem vorläufigen Endergebnis erreicht die FPÖ deutlich den ersten Platz. Die ÖVP musste einen Rekordverlust hinnehmen und sich mit dem zweiten Platz begnügen, während die SPÖ erstmals nur auf Rang 3 landete. Das Rennen um den vierten Platz entschieden die NEOS für sich. Die regierenden Grünen ziehen nur als fünftstärkste Kraft in den Nationalrat ein. Ein Blick auf die Wählerstromanalyse zeigt, wie sich das Wahlverhalten der Österreicherinnen und Österreicher verändert hat.
ÖSTERREICH. Mit 28,8 Prozent aller Stimmen fuhr die FPÖ am 29. September 2024 ihr historisch bestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl ein. Die Wählerstromanalyse von Foresight, die im Auftrag des ORF erstellt wurde, zeigt, dass vor allem ehemalige ÖVP-Stimmen zum Erfolg der Blauen beigetragen haben. Ganze 443.000 Wählerinnen und Wähler, die bei der Nationalratswahl 2019 noch der Volkspartei unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz ihr Vertrauen geschenkt haben, machten ihr Kreuz am Wahlzettel heuer bei den Freiheitlichen. 42 Prozent der FPÖ-Wählerinnen und Wähler haben somit 2019 noch die ÖVP gewählt.
Laut Peter Filzmaier handelt es sich dabei um den zweitgrößten Wählerstrom in der Geschichte der Wählerstromanalyse, wie der Politologe im ORF erklärte. Nur bei der Nationalratswahl 2002 gab es einen größeren Wähleraustausch, als 630.000 Stimmen von der FPÖ zur Volkspartei wanderten.
Herbert Kickl und den Freiheitlichen gelang es zudem, 258.000 frühere Nichtwählerinnen und -wähler von sich zu überzeugen. 65.000 Stimmen wanderten von der SPÖ zu den Blauen und sogar von den NEOS (25.000 Stimmen) und den Grünen (14.000) konnte die FPÖ Wähler anziehen. Im Gegenzug wanderten 82.000 ehemalige FPÖ-Stimmen ins Lager der Nichtwähler. 29.000 Wählerinnen und Wähler, die bei der letzten Nationalratswahl noch die Freiheitlichen gewählt hatten, entschieden sich heuer für die SPÖ unter Andreas Babler. Die Blauen verloren 21.000 Stimmen an die NEOS, jeweils 19.000 an ÖVP sowie BIER und 11.000 an sonstige Kleinparteien. Die Grünen (1.000 Stimmen) und die KPÖ (2.000) konnten nur wenige ehemalige FPÖ-Wählerinnen und -Wähler anziehen.
Regierungsparteien wurden abgestraft
Ein Minus von 11,2 Prozent der Stimmen musste die Kanzlerpartei ÖVP am Wahlsonntag hinnehmen. Ein Blick auf die Wählerstromanalyse zeigt, dass dabei nicht nur die bereits erwähnten 443.000 Stimmen an die FPÖ verloren gingen: 72.000 frühere Kurz-Wählerinnen und -Wähler wanderten 2024 zu den NEOS, 43.000 zur SPÖ, 39.000 zu den Grünen und 23.000 zur Bierpartei. Zudem entschieden sich 61.000 Menschen, die 2019 noch der Volkspartei ihr Vertrauen geschenkt hatten, diesmal zu Hause zu bleiben.
Die ÖVP konnte bei der diesjährigen Nationalratswahl 60 Prozent ihrer Wählerinnen und Wähler von 2019 wiedergewinnen. Die größten Zugewinne erzielte die Volkspartei von den NEOS (62.000 Stimmen), den Grünen (55.000) und aus dem Lager der Nichtwähler (58.000). Den Freiheitlichen und den Sozialdemokraten konnte die Kanzlerpartei nur 19.000 bzw. 11.000 Stimmen abnehmen.

- Die Wählerstromanalyse zur Nationalratswahl 2024
- Foto: APA-Grafik / picturedesk.com
- hochgeladen von Maximilian Karner
Auch die mitregierenden Grünen verzeichneten am Sonntag ein deutliches Minus von 5,6 Prozent. Insgesamt 148.000 frühere Grün-Wählerinnen und -Wähler mussten Werner Kogler und Co. an die Sozialdemokratie abgeben. 57.000 Stimmen wechselten zu den NEOS, 55.000 zur ÖVP und 32.000 zu den Kommunisten. Auch an die FPÖ (14.000 Stimmen), sonstige Kleinparteien (21.000) und die Bierpartei (8.000) verlor die Regierungspartei frühere Wählerinnen und Wähler. Zudem wanderten 45.000 Österreicherinnen und Österreicher, die 2019 noch ihre Stimme den Grünen geschenkt hatten, in das Lager der Nichtwähler.
Im Gegenzug konnten die Grünen 39.000 Stimmen von der ÖVP und 22.000 Stimmen früherer NEOS-Wählerinnen und -Wähler gewinnen. Von der SPÖ (7.000) und der FPÖ (1.000) kamen hingegen nur minimale Zugewinne. Den größten Anteil neuer Grün-Wählerinnen und -Wähler machten früher Nichtwähler (42.000 Stimmen) aus.
Unzufriedene SPÖ-Wähler
Die Sozialdemokraten fuhren am Wahlsonntag 2024 ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl ein. Mit 21,1 Prozent der Stimmen landete die Babler-SPÖ sogar -0,1 Prozent hinter dem Ergebnis von 2019, als Pamela Rendi-Wagner für die Sozialdemokraten ins Rennen gegangen war. Wie die Wählerstromanalyse zeigt, dürften viele ehemalige Rot-Wählerinnen und -Wähler von den Entwicklungen der vergangenen Jahre enttäuscht sein: 180.000 Personen, die 2019 noch ihr Kreuz bei der SPÖ gemacht haben, wählten diesmal nicht. Damit machen frühere Wählerinnen und Wähler der Sozialdemokratie den größten Wählerstrom hin zum Lager der Nichtwähler aus. Zudem wechselten 65.000 Stimmen zum Wahlsieger FPÖ, 11.000 zur ÖVP und jeweils 7.000 zu NEOS und Grüne. Auch die Bierpartei (5.000 Stimmen) und die übrigen Kleinparteien (19.000) profitieren von früheren roten Wählerinnen und Wählern.

- Bei der Nationalratswahl standen elf Parteien zur Wahl. Die Gelben (BGE) und die Liste GAZA standen jedoch nicht in allen Bundesländern am Wahlzettel.
- Foto: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
- hochgeladen von Barbara Schuster
Zugewinne verzeichneten die Sozialdemokraten vor allem aus dem Lager der Grünen: 148.000 rote Kreuze am Wahlzettel stammen laut der Wählerstromanalyse von den Grünen. Auch von der ÖVP (43.000 Stimmen), der FPÖ (29.000) und den NEOS (28.000) wanderten Wählerinnen und Wähler zu den Sozialdemokraten. Zudem schenkten 54.000 frühere Nichtwählerinnen und -wähler der SPÖ unter Andreas Babler ihr Vertrauen.
NEOS mobilisieren nur jeden zweiten Wähler von 2019
Die NEOS erzielten am Sonntag mit 9,2 Prozent der Stimmen ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl und jubelten über ein Plus von 1,1 Prozent. Wie die Wählerstromanalyse zeigt, konnten die Pinken allerdings nur 55 Prozent ihrer Wählerinnen und Wähler von 2019 mobilisieren. Sie verloren 62.000 Stimmen an die ÖVP, 28.000 an die SPÖ, 25.000 an die FPÖ, 22.000 an die Grünen. Zudem gingen 25.000 frühere NEOS-Wählerinnen und Wähler heuer nicht zur Stimmabgabe.
Im Gegenzug landeten 72.000 Stimmen von Personen, die 2019 noch die Kurz-ÖVP unterstützt hatten, bei den NEOS. Zugewinne verzeichneten Meinl-Reisinger und Co. auch von den Grünen (57.000 Stimmen), der FPÖ (21.000) und der SPÖ (7.000). Zudem entschieden sich 65.000 frühere Nichtwählerinnen und -wähler heuer für die NEOS.
Der Wahltag zum Nachlesen
Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und Österreich blickt auf einen langen Wahltag zurück. Bereits um 6:00 Uhr öffneten die ersten der 9.889 Wahllokale ihre Türen, um 17:00 Uhr schlossen schließlich die letzten. Hier kannst du nochmals nachlesen, wie der Wahltag abgelaufen ist:
Das könnte dich auch interessieren:



Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.